Lesezeit: 6 Minuten
Tide & TangleTide & Tangle erreichte mich und ich bekam in Sekundenbruchteilen einen bombastischen Zuckerschock. Aufdringlich sind diese Seeotter, denn mit ihrem Charme bringen sie nicht nur Everdell in Verlegenheit, sondern reißen die Tischpräsenz regelrecht an sich. Wie sie chillig als eine Art Papp-Meeple-Karton auf dem Rücken dahingleiten und in ihren Patschern Würfel halten, herzallerliebst. Da wir hier aber auf Brett & Pad sind und nicht auf Otter & Love, braucht es auch noch etwas unter dem flauschigen Fell, damit die absolute Begeisterung ausgerufen werden kann. Was also kann Tide & Tangle abseits seiner famosen Optik und lohnt sich somit eine Unterstützung auf Kickstarter?

Kurzcheck: Darum geht es in Tide & Tangle

Einen ersten kleinen Einblick habe ich in der News gegeben. Wichtig: Tide & Tangle wird schon wie auch der Vorgänger Tiny Mini Golf von Kamis Kaminski als Print-and-Play-Spiel konzipiert, um es aufgrund des geringen Preises möglichst so vielen Menschen wie möglich zugänglich zu machen. Als Seeotter versuchst du in den Tiefen des Meeres nach leckerer Nahrung zu tauchen und diese in Sicherheit zu bringen. Dabei versuchst du zum einen auf dem Meer immer wieder zu chillen, gerne auch in der Nähe zu anderen Ottern, damit du Kraft für tiefere Tauchgänge sammelst. Zum anderen musst du dich vor dem starken Wellengang in Acht nehmen, denn spült dich dieser an die Klippen, ist all deine nicht in Sicherheit gebrachte Nahrung verloren. Tide & Tangle besticht hier aus zwei Elementen: Einmal ist es das sich bewegende und immer unter Veränderung stehende „Spielbrett“ aus ausliegenden Meeresplättchen und anderseits das fluffige und einfache Grundprinzip. Tide & Tangle ist ein kleines, zuckersüßes und spannendes Familienspiel. Nie mehr, aber auch nie weniger.

Klein, fein, aber vor allem brutal süß!

Grundlegendes

Du hast drei Aktionen pro Runde. Zur Verfügung steht Bewegen, Tauchen und Chillen. Chillen bedeutet eigentlich „Raft“. Dabei liegen die Seeotter in Gruppen zusammen auf ihrem Rücken. Kommen wir aber zunächst zum Meer. Dieses besteht aus Plättchen. Oft verdeckt ausliegend, kannst du dort Tauchen. Bevor du dies tust, musst du ansagen, ob du tief oder flach tauchen möchtest und wirfst dann einen Würfel, drehst das Plättchen um und vergleichst deinen Wurf mit der Tiefe der Beute. Bei erforderlichen Ergebnissen von 2 bis 7 ist es mit einem W6 durchaus riskant. Ist das Meerplättchen bekannt, ergo umgedreht, hast du zwei W6 und siehst die Beute und erforderliche Tiefe. Also schnell zu den fetten Beutegründen geschwommen und dort getaucht? Das Problem, nach deinen drei Aktionen bleibst du auf deinem Feld stehen und dann ist das Meer dran.

Willst du Otto sein?

Dynamisches Meer

Vor deinem Zug würfelst du eine von drei Meeresspalten aus, wo sich am Ende deiner Runde das Meer bzw. die Wellen bewegen. Anfänglich bewegen sich die Plättchen nur ein Feld, später zwei. Seeotter auf Meeresplättchen bewegen sich mit. Meeresplättchen, die gegen die „Felsen“ aka Spielfeldrand gedrückt werden, verlassen entweder das Spiel (falls aufgedeckt) oder werden umgedreht und an den Anfang der Reihe gesetzt. Seeotter, die auf so einem Plättchen liegen, verlieren alle ihre nicht in Sicherheit gebrachte Beute. Jetzt kurz die Mathemagie gezündet. Pro Meerspalte liegen 5 Plättchen aus. Als ich zu viert mit meiner Familie spielte, sind nach mir drei weitere Personen dran. Inklusive meines Zuges bewegen sich also im späteren Spielverlauf die Meeresplättchen 8 Felder! Das ist verdammt viel. Das Meer ist hier in Bewegung. Es sieht von der Farbgebung herrlich karibisch aus, ist aber eher raue Nordsee. Und genau dieser Thrill bockt. Wo bleibe ich am Ende meines Zuges stehen? Bin ich weit genug vom Ufer weg? Und passt das Feld zu meiner Beute? Denn ich versuche mich eher auf eine Nahrungsart für flache und tiefe Tauchgänge zu spezialisieren, das bringt mir mehr Punkte am Spielende. Ich will aber auf keinen Fall am Spielfeldrand zerschellen und meine Nahrung verlieren.

Gleich bewegt sich die linke Spalte.

Die liebe Beute

Nützt nur nichts, wenn ich meine Beute verliere. Noch so ein kleiner Kniff: Erbeutete Nahrung kann ich sofort in Sicherheit bringen. Kostet keine Aktion. Ich lege einfach mein erbeutetes Meeresplättchen in meinen Sammelvorrat. Ich kann die Nahrung aber auch in meine Beutetasche verstauen. Tauche ich nun, habe ich einen Würfel mehr und ich kann die Beute sogar abwerfen, um die Tauchtiefe zu modifizieren. Mit mehr Gewicht taucht es sich tiefer. So ist auch nicht so lukrative Beute im Sinne der Set-Collection nicht wirklich schlecht, weil ich sie nutzen kann, um leichter passende Nahrung zu erhalten. Aber genau diese Nahrung in den zwei Beutetaschen kann ich eben bei besagtem „Kuscheln“ mit der Küste verlieren. Da eine Partie eher 30 als 50 Minuten dauert, sind zwei verlorene Karten gar nicht so wenig.

So viele verschiedene Beute!

Dann rafte doch!

Die Lösung dieses Problems ist das Raften. Hier drehe ich als Aktion meinen Seeotter um und mein Zug ist sofort beendet. Letzteres ist natürlich unsexy. Aber was wäre ein Spiel ohne kleine knifflige Entscheidungen? Jetzt erhalte ich einen Raftingpunkt, markiert durch einen W6, den mein Seeotter zuckersüß in den Händen hält. Pro angrenzenden Seeotter, der auch raftet, bekommen alle (!) zusätzlich noch einen Punkt. Gruppenkuscheln ist belohnend! Wo genau wechsle ich also meine Position? Bewegt sich das Meer und ich „rafte“ nun an weitere andere Seeotter, kann ich auch außerhalb meines aktiven Zuges weiter Raftingpunkte sammeln. Diese bringen am Spielende Siegpunkte, weil sie als Punkte-Multiplikator für meine Beute dienen. Ich kann sie aber auch nutzen, um meinen Wurf zu verbessern. Besonders wichtig bei richtig tiefer und lukrativer Beute.

Rafting ist mächtig, wenn das Timing stimmt. Weiterer Vorteil, werde ich in der Rafting-Position an Land gespült, verliere ich keine Beute! Das Dumme ist jedoch das Korsett aus den maximal drei Aktionen pro Runde. Jeweils einmal Bewegen, Tauchen und Rafting für die Sicherheit wäre immer nur maximal ein Tauchgang pro Runde und vor allem nur in der Reihweite einer Bewegung. Das sind maximal 3 Felder. Nicht viel für das große Meer. So einfach ist es also nicht, auch wenn mir diese Abfolge der drei Aktionen zu häufig als der beste, weil sicherste Weg herausstellt. Vor allem dann, wenn ich mich in eine komfortable Position gespielt habe und kein Risiko eingehen brauche.

Beige raftet und wenn gleich die mittlere Meeresspalte sich bewegt, trifft er auf Rot und beide bekommen noch einen Punkt.

Ein Seeotter will ich sein

Tide & Tangle ist superschnell verstanden. Das Leben als Seeotter bleibt auch immer überschaubar und trotzdem ist es ein kitzeliges Vergnügen. Wer schlecht würfelt, viel Risiko ohne Vorbereitung geht und sich blöd positioniert, der wird auch in diesem kleinen Familienspiel hart an die Wand gespielt. Mein jüngster Sohn, dem war das Glück hold und er kam wunderbar in einen Flow aus Tauchen und Chillen, immer genau im richtigen Moment. Dazu hatte er Glück mit der zur Verfügung stehenden Beute. Mit über 40 Punkte war sein Bauch gefüllt. Meine Frau hingegen legte sich zur falschen Zeit auf dem Rücken, verhaute ihre Würfel und ging noch mehr Risiko, um aufzuholen. Am Ende stand sie bei 14 Punkten. Das ist so knapp vorm Verhungern. Frustriert das? Oh ja. Aber was wäre ein Spiel ohne diese Spannung? Tide & Tangle zelebriert kleine, aber spannende Entscheidung mit einer großen Portion Glück, welches man mit Vorbereitung aber abmindern kann. Nur eben nicht muss! Die besten Züge im emotionalsten Sinne sind riskante Tauchmanöver mit fetter, passender Beute. Risiko wird eben auch belohnt!

Ich will sie einfach nur stundenlang anstarren.

Fazit

Ich wollte eigentlich gar nicht so viel zu diesem kleinen Tide & Tangle schreiben, es steckt dann aber doch mehr drin als gedacht. Zuckersüß ist es und es verzaubert nicht nur durch die Seeotter, sondern auch durch die wundervolle Farbgebung und Gestaltung. Claire Lin hat hier Großartiges geleistet. Spielerisch ist Tide & Tangle ein tolles, kurzweiliges Familienspiel, welches vor allem durch seine Dynamik und kleinen Entscheidungen begeistert. Das sich bewegende Spielfeld, die wechselnden Plättchen aus offen und verdeckter Auslage und das Timing beim Raften erzeugen Spannung. Hier ist immer was los! Der Wettlauf um begehrte Nahrung und die Herausforderung von Glück, sorgt dann für Thrill am Tisch. Es bleibt immer seicht und leicht, aber emotional ist es trotzdem. Einzig die Aktions-Kombination aus Bewegen, Tauchen und Raften kann bei vorheriger guter Planung im Spiel etwas zu dominant an die Wasseroberfläche kommen. Und, weil ich glaube, es noch nicht erwähnt zu haben, die Seeotter sind bombastisch süß. Z-u-c-k-e-r-s-ü-ß! Ich bin ab sofort Seeotter-Fan!

Tide & Tangle

-
7.8

MATERIAL

8.5/10

SPIELIDEE

7.5/10

SPIELSPASS

7.5/10

Kurzfakten

  • Zuckersüß
  • Dynamisches Spielfeld
  • Gemeinsames Raften cooler Kniff
  • Kleine & feine Entscheidungen
  • Glück ist Teil des Spiels
  • Aktion-Kombination etwas zu dominant

Spielinformationen

  • Genre: Familienspiel
  • Personen: 2 - 4
  • Alter: ab 8 Jahre
  • Dauer: 30 - 50 Minuten
  • Autor: Kamis Kamiński
  • Rezensionsexemplar erhalten
Redakteur | Admin | Gründer von Brett & Pad | Website | + Letzte Artikel

Fleischpöppel | Brettspieler | Videospieler | Rollenspieler | Miniaturenbemaler | Würfel-Lucker | Airbrush-Anfänger | Blogger | Schönspieler | Rum-Trinker | Brettspielsammler | Crowd-Funding-Süchtig | Trockner Grübler | Pöppel-Streichler | Magic-Verweigerer | 4X-Fanboy | Sickerflopp-Liebhaber

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein.

Sie müssen den Bedingungen zustimmen, um fortzufahren.

Ich akzeptiere die Datenschutzhinweise: