Lesezeit: 8 Minuten Die Welt dreht sich gerade wie immer um die SPIEL ’24 in Essen, da zündet Pegasus Spiele kurz vor der Messe-Landung noch den Turbo auf ihrem Presse-Event ’24. Ein Skandal, denn ich musste jetzt meine Top-Liste für die SPIEL ’24 umschreiben. Danke, Pegasus! Allgemein hat mich das Event ziemlich auf dem falschen Erwartungsfuß erwischt. Titel, denen ich eh schon meine Vorfreude schenkte, versenkten ihre Klauen in meinem Brettspiel-Herz nur noch mehr und Titel, denen ich wohl weniger als einen Wimpernschlag Aufmerksamkeit geschenkt hätte, werden hier gleich angepriesen. Das innere Begeisterungstier tanzt Pogo und damit willkommen bei den Highlights meines Besuch beim geflügelten Pferd in Friedberg!

Pegasus Presse-Event ’24 | Highlights

Civolution

Wie erklärt man so ein Brett von Spiel für verschiedene Medienschaffende gleichzeitig an mehreren Tischen am besten? Genau, über ein Erklärvideo auf Großbildleinwand. Nach 10 von 30 Minuten war mein Kopf kurz vor der Explosion. Hier die Leiste, da der Sondereffekt, diese Aktion und das Plättchen dort … HILFE! Ja, ich habe verstanden, Civolution ist ungemein üppig und hat eine fette Tischpräsenz, aber war das wirklich das Spiel meiner großen Vorfreude? Das Video war übrigens super, nur ich kam nicht hinterher. Nach den ersten zwei, drei Aktionen im Spiel flutschte es dann aber so richtig. Wie unfassbar intuitiv, was für eine gelungene Symbolsprache, was für eine Verzahnung, was für eine Modularität, was für ein geiles Brettspiel! Ich war schockverliebt. Wirklich, Freunde der analogen Unterhaltung, dieses Brettspiel müsst ihr ausprobieren!

Ich habe fertig

Ich habe fertig! Ist auch die Flasche leer? Nein, Trapattoni ist nicht der Autor. Die Regeln passen auf eine Briefmarke. Karte nachziehen oder eine ausspielen. So ungefähr. Die kleinen Ausnahmen lasse ich in der Schachtel. Hast du die Karten Ich, Habe und Fertig vor dir ausliegen, hast du gewonnen. Simpel. Und jetzt wird es saudumm. So dumm, dämlich, abgefahren, lustig, dass es einfach nur noch trashig genial ist. Die gezogenen Karten haben nämlich alle so kreative und interaktive Effekte, dass man sich z. T. wirklich den Arsch ablacht. Es ist einfach nur Chaos pur. Ich will da nicht spoilern, erlebt es selbst. Wir haben direkt  mehrere Partien gespielt. Dazu ist das Kartenspiel auch optisch gelungen, weil die Karten von 30 Illustrator:innen gestaltet wurden und alle ihren eigenen Charme besitzen. Absoluter Überraschungshit, perfekt als Aufwärmer und echter Pflichtkauf. Wirklich!

Dorfromantik – Sakura

Ich bin eine ehrliche hanseatische Haut. Habe ich auf dieses Brettspiel gewartet? Nein. Ich habe Dorfromantik sehr gerne gespielt, aber irgendwann war es durchgespielt. Und dann passierte es doch. Es hat ungefähr 10 Sekunden gedauert und ich war bei Dorfromantik – Sakura direkt wieder in diesen unfassbar chilligem Sog. Ein Blick in die Gesichter meiner Mitspielenden. Check. Denen geht es genauso. Zu viert diskutierten und bauten wir mit Eifer und eine wunderschöne Landschaft entblätterte sich. Eine neue, anspruchsvollere und längere Kampagne übt weitere Neugierde aus und mit den Kirschblüten kitzelt auch eine neue Mechanik. Zu viel spoilern will ich nicht, aber durch das geschickte Auslegen von Plättchen mit Kirschblüten können nun in Kombination mit dem Erfüllen von Aufträgen, eben diese Kirschblüten verdient werden. Diese bringen nicht nur weitere Siegpunkte ein, sondern erlauben auch das Wandern auf speziellen Pfaden auf dem Kampagnenblatt.

Mesos

Mesos spielt in der Mittelsteinzeit, wo wir innerhalb von 10 Runden über Karten einen Clan erschaffen. Je nach Typ (Jäger, Sammler usw.) bringen die Karten verschiedene Effekte, die wiederum je nach Wertungskarten unterschiedlich Siegpunkte einbringen. Zusätzlich muss man seinen Clan mit Nahrung versorgen. Die Auswahlmechanik ist interaktiv und ganz pfiffig. Wer früh dran ist, bekommt wenig Karten, hat aber mehr Auswahl. Wer spät dran ist, bekommt mehr, aber die Auslage wurde schon geräubert. Zudem bestimmt die Auswahlreihenfolge gleichzeitig die Reihenfolge für den nächsten Zug. Kein schlechtes Spiel, gerade für Familien, die Set-Collection und interaktive Auswahlmechaniken noch nicht im Schrank haben. Ich passe hier.

Thorgal

Bei Thorgal dachte ich an Kampagne, klassisches Abenteuerspielbuch, Americanstyle und war damit raus. In dem letzten Satz steckt nicht eine richtige Einschätzung. Ich habe es zwar aus zeitlichen Gründen nicht gespielt, aber ein paar Runden zugeschaut und mir Spielelemente genauer erklären lassen. Zunächst: Die Optik und das Material sind eine Wucht. Auch wenn ich Wikinger nicht abfeiere, ich hatte sofort Lust auf die Comic-Reihe. Die größte Überraschung ist aber, dass in Thorgal ein kooperatives, narratives – jetzt die Fanfare der Überraschung – Eurogame steckt. Ich verkneife mir das Heavy vor Eurogame, aber es ist durchaus anspruchsvoll. Ich finde die Kombination so absolut frisch. Keine reinen Würfelorgien, sondern kooperative Planungsspiele und trotzdem ein extrem immersives Eintauchen, wohldosierte Storyhappen und einzelne Szenarien. Keine Kampagne! Thorgal du Schuft, du hast mich verdammt neugierig gemacht.

Synchro

Man nehme eines dieser Kartenspiele, wo man ohne Kommunikation Zahlenwerte verdeckt ausspielen muss und kombiniert dies mit 7 Wonders Duel, Boss-Battle und einer Kampagne, wo immer wieder neue Karten und Aufgaben warten. Klingt wild? Ist vermutlich aber eines der neuen Reise-Familie-Absacker-Spiele. Alle haben 5 Karten auf der Hand mit unterschiedlicher Wertigkeit. Verraten darfst du nur, ob deine Hand gut, mittel oder schlecht ist. Vor euch liegt dann in einer Baumstruktur eine Auslage an Monstern, die ebenfalls Werte haben. Ihr dürft immer nur die Monster angreifen, die in der Baumstruktur frei liegen. Der Witz: Karten werden verdeckt und ohne Kommentar an freie Monsterkarten ausgespielt. Haben alle eine Karte gespielt oder gepasst, werden die Karten umgedreht und geschaut, ob der der Zahlenwert aller Karten am entsprechend Monster deren Wertigkeit erreicht. Fies: Einfach Karten nachziehen gibt es hier nicht! Nur beim Besiegen bestimmter Monster werden neue Karten verteilt. Mir hat es gut gefallen. Ich liebe es aber auch gemeinsam ein blindes Spielverständnis ohne Kommunikation zu entwickeln.

Waffelzeit

Auch hier kann man Parallelen zu anderen Brettspielen ziehen. Harmonies beim Puzzeln in die Höhe und bei der Drapierung von Spielsteinen. Etwas Patchwork findet sich beim Auswahlmechanismus. Nur … Waffeln als Thema. Waffeln, Leute! Dazu ist die Optik von eher realistischer Natur. Ein cooler Kniff. Die Kirschen, Erdbeeren & Co. sehen nicht aus wie klassische abstrahierte Symbole aus der Brettspielwelt, sondern sie haben einen realistischen Touch. Mit diesen Früchten nun sein Waffeltableau geschickt zu bestücken und diese für Punkte dann mit Sirup zu beträufeln, macht einfach Spaß! Interaktion ist auch gegeben. Ein nettes kleines Familienspiel. Manchmal gibt das Thema den Ausschlag der Anziehung. Waffelzeit fällt in diese Kategorie.

Bomb Busters

Kooperativ und deduktiv Kabel durchschneiden, um eine Bombe zu entschärfen? Dazu ein wildes Artwork und ganze 66 Missionen? Ich hatte vorher noch nie etwas vom Spiel gehört, wollte es aber ausprobieren. Zwar habe ich nur die ersten Tutorial-Missionen gespielt, die einen super in das Spiel einführen, aber die übten direkt einen Sog aus. Los jetzt, noch die nächste Bombe! Ich bin gespannt, was uns in den weiteren Missionen erwartet und werde sicher noch in einer Rezension von der Erfahrung berichten. Wirklich frischer Titel, total spannend und für mich eines der Highlights des Events.

Tower Up

Noch ein Familienspiel. In Tower Up bauen alle auf einem Spielbrett Hochhäuser und versuchen, ihre Dächer auf diese Gebäude zu platzieren. Ein spannender Baumechanismus sorgt dafür, dass es gar nicht so einfach ist, diese Gebäude in die Höhe zu bauen. Du bist nämlich verpflichtet, alle angrenzenden Gebäude ebenfalls immer mit zu bebauen. Dabei brauchst du dann auch noch die richtigen Farben! Die Grundmechanik ist wirklich simpel, aber aus nur zwei möglichen Aktionen entshet hier trotzdem interaktives Entscheidungsgewitter. Es erinnert vom Flow an die ganz klassischen und guten Familienspiele älterer Zeiten, aber mit extrem schönem und wertigen Material beschenkt. Tower Up hat mich positiv überrascht. Und am Ende, so skurril wie es sich anhört, lief es hier persönlich schlechter als bei Civolution. Interaktive Familienspiele mit Medienschaffenden und Vielspieler:innen zu spielen, verwandelt diese in eine echt harte Nuss.

Teburu | Die Innovation überhaupt?

Teburu – Vampire: Milan Uprising

Da saß ich nun in der allerersten Runde des frisch eingetroffenen Teburu Systems und Vampire: Milan Uprising war aufgebaut. Ersteres ist eine Art Plattform und digitale „Unterlage“ für angepasste analoge Brettspiele, um diese in einer hybriden Form auch digital unterstützt zu spielen. Letzteres ist ein narratives und kooperatives Abenteuerspiel im genialen Vampire-Masquerade-Universum. So wandelte ich auf dem Spielbrett mit meiner Vampir-Figur und gleichzeitig unterstützen passende Sounds die besuchte Location oder untermalen die Figurenbewegung. Charakterblätter, Story und Entscheidungen werden in einer App auf einem digitalen Device abgespielt, Spielentwicklung herkömmlich auf dem Brett. Es wird auch analog gewürfelt oder Marker platziert. Immer noch ein Brettspiel, aber irgendwie auch mehr als das. Auf der anderen Seite sind sogar die Würfel mit Chips ausgestattet und übermitteln das Ergebnis an die App. So werden Proben und Fertigkeiten direkt berechnet. Der ganze Verwaltungsaufwand verschwindet. Irre. Regeln lesen? Nix da! Tutorials über die App führen einen ein. Ein enormer Vorteil, weil gerade die Anleitung immer noch einen übellaunigen Torwächter für unser Hobby darstellt. Leider war die Demo und damit das stimmungsvolle Vampirabenteuer in Mailand nach gut einer Stunde beendet. Andere Besucher:innen wollten auch ran. Verdammt, ich hätte so gerne weitergespielt! Der Titel wird es übrigens nicht zur SPIEL ’24 schaffen, aber wir halten euch über die Veröffentlichung auf dem Laufendem.

Die Zukunft?

Teburu als System kann aber weitergedacht noch viel mehr und ein echter Gamechanger werden. Jede Figur ist beispielsweise mit einer einzigartigen Chip-ID ausgestattet. Nehme ich also meine Figur zu meinem besten Brettspiel-Bro mit und spiele mit dieser in seiner Kampagne mit, sind meine Charakterwerte direkt dabei. Man denke dies im Kontext von Pen & Paper einmal weiter. Die Plastikmini wird zum digitalem Charakterbogen und transportablem Speicherort. Das funktioniert theoretisch aber auch bei einem Boss-Battler. Plötzlich müssten Kampagnen nicht an einen Ort gebunden sein, weil jeder seine Figur mitbringt. Auch Remote-Play ist so möglich. Ich sitze hier in Hamburg und Markus in Trier? Kein Problem. Die Technik weiß jederzeit, welche Figur oder Marker wo platziert ist. Beim Boss-Battler The Bad Karma – verdammt bin ich da heiß drauf – zeigen LED-Bereiche bei der Monster-Base beispielsweise an, wo kritischer Schaden angebracht werden kann. Echte visuelle und dynamische Unterstützung. Du willst deine Partie unterbrechen? Dann pack einfach ein. Bei Vampire: Milan Uprising weiß die App wo jede Figur stand oder z.B. Marker auf dem Spielbrett lagen. Das wäre für meine Frau und mich ein echter Gewinn für Feierabendrunden.

Hoffnungen & Befürchtungen

Ich hoffe inständig, dass wir mehr Titel und mehr kreative Einbindung seitens der Verlage und Autor:innen erleben, aber auch, dass die Community für dieses Experiment sich offen positioniert und sich nicht direkt ablehnend gegenüber dieser Hybridisierung zeigt. Ich sehe hier Chancen für neue Erlebnisse ohne das mir etwas weggenommen wird. Einfachere Einstiege, neue Zielgruppen, aber sicher auch spielmechanisch sind hier ganz neue Ebenen zu erreichen. Es bleibt spannend abzuwarten, wie Spieler:innen auf diese Neuheit reagieren und wie flexibel sich das System wirklich zeigt. Eine Öffnung der Architektur ist zumindest angedacht, gibt es schon jetzt Dev-Kits zu kaufen. Wer weiß, vielleicht laden wir bald auf BoardGameGeek neue Boss-Mechaniken, Quests oder Charaktere für unsere Brettspiele herunter?

Was sind eure Gedanken zum Pegasus Presse-Event ’24

Lasst mir gerne in einem Kommentar eure Gedanken hier. Was hat euch gekitzelt? Seid ihr neugierig, was Teburu kann? Oder habt ihr noch Fragen zu den vorgestellten Brettspielen? Wie immer werde ich euch gerne antworten und in den Austausch mit euch gehen.