Kurzcheck: Darum geht es in War of the 3 Sanchos
Wenn sich drei wie Sancho II of Castile, Sancho IV of Navarre, und Sancho Ramírez of Aragon streiten, dann freut sich ein vierter: Frosted Games. Schließlich haben sie so ein weiteres historischen Brettspiel im Portfolio. Über den Krieg habe ich euch jetzt genügend Hintergrundinformation verlinkt, daher galoppieren wir direkt in die Spielmechanik. Die ist zunächst so simpel, wie das Spiel kompakt ist. Jede Runde spielst du eine Karte aus, die du entweder vor dir verdeckt platzierst und so für einen womöglich späteren Kampf speicherst oder du spielst sie offen für klassische Aktionen aus. Kennt man: Produktion von Einheiten, deren Platzierung, Bewegung, Belagerung oder Angriffsmanöver. Für Details schaut einfach in die Anleitung. Danach ziehst du eine neue Karte und dein Zug ist vorbei. Schlanker geht es kaum! Wer zuerst 10 Siegpunkte oder am Spielende mehr als alle anderen hat, gewinnt. Siegpunkte erhältst du über das Einnehmen und Halten von Burgen. So ein klassisches Konstrukt lockt keinen Sancho hinter dem Ofen vor? Tja, ihr kennt den Kniff von War of the 3 Sanchos auch noch nicht.
Der verdammte Kniff
Der Kniff des Spiels manifestiert sich im Aufbau der Karten. Jede Karte schüttet der Person, die sie aktiv ausspielt, Aktionspunkte aus. Mit diesen Aktionspunkten erkauft man sich die verschiedenen Aktionen. Der maximal mögliche Wert ist die 3. Warum ich euch dieses Detail schenke? Diese Aktionspunkte sind brutal wertvoll. Jede Aktion kostet für jede Einheit einen Punkt. Eine Einheit aus dem Vorrat in deine Reserve legen? Ein Punkt. Sie von der Reserve aufs Spielbrett bringen? Ein Punkt. Sie bewegen? Du kennst die Antwort. Jeder Aktionspunkt wiegt hier gefühlt so viel wie alle Kickstarter von Awaken Realms zusammen. Du hebst hier nicht locker flockig Armeen aus dem Boden und marschiert damit über das Spielbrett. Hartes Taktieren ist angesagt!
Der Kniff folgt aber erst in Form der Aktionsfelder auf den Karten. Jede Karte hat für jede Spielfarbe, die übrigens immer alle im Spiel vorhanden sind, egal mit wie vielen Personen du spielst, eine Aktionsvorgabe, die ausgeführt werden muss! Eine Art Ereignistext. Obacht: deine eigene Ereignis-Farbe aktivierst du nicht. Beispiel? Schaut euch das Bild an. Ich (Grün) spiele die Karte für 2 Aktionspunkte und nun muss meine Frau (Rot) ihre Burgen mit 2 Einheiten verstärken, falls das nicht geht, muss sie eine Belagern-Aktion ausführen. Danach entsendet Martin (Gelb) zwei Einheiten zum König. Was folgt daraus? Ich mache etwas und alle anderen sind auch immer dran. Mehr noch, die Aktionen können den anderen enorm weiterhelfen, manchmal sind sie geradezu abartig von Vorteil! Wir spielten in unserer ersten Partie drauf los und ich bekam so derbst auf den Arsch. Nach einer anfänglich imposanten Eroberung mehrerer Gebiete und einen gerochenem Spielsieg, verhagelten mir danach die Aktionsfelder der anderen Mitspielenden meiner eigenen Karten maßlos das Spiel. Was macht der angebliche Area-Control-Experte bloß falsch?
Timing, Leute! Timing!
In War of the 3 Sanchos dreht sich alles ums Timing. Eine 3-Aktionspunkte-Karte rausgeballert, ohne die Konsequenz der Aktionsfelder für die anderen zu beachten, ist glatter spielerischer Selbstmord. Ja, diese Aktionsfelder sind oft stark, aber eben immer nur so stark, wie es die Situation zulässt. Du hast dir gerade 3 Einheiten in deine Reserve hart erarbeitet und willst sie nächste Runde in deine Heimat bringen, um deine Burg zu schützen. Die will ich vielleicht angreifen. Ich bin dran. Durch meine Karte musst du nun aber zwei Einheiten zum König entsenden, der weit von der Heimat entfernt steht. Autsch! Karten zwingen dich vielleicht aber auch deine stärkste Armee, also das Gebiet, wo deine meisten Spielsteine drin stehen, in ein angrenzendes leeres Gebiet zu bewegen oder in ein Gebiet mit der schwächsten gegnerischen Armee. Vielleicht wolltest du mich mit dieser fetten Armee angreifen, nun musst du sie wegziehen und womöglich die dritte Person am Tisch sogar bedrohen. Und ein zurückbewegen wäre wie beschrieben ziemlich teuer. Schau in mein Grinsegesicht. So läuft das hier! Das Grinsen erfriert aber sicherlich nach deinem Zug. Genial: Alle sind irgendwie immer dran.
Unterschätzt
Das Müssen ist das Salz, welches die einfache spielerische Eingangssuppe herrlich aufwertet. Wer die richtigen Karten zum richtigen Zeitpunkt spielt, manövriert gegnerische Spielende in undankbare Positionen. Den richtigen Zeitpunkt finden, ist der Spielreiz. Machst du es falsch, so wie ich die ersten drei Partien, dann schneidest du dir in die eigene Zunge und schmierst dir nach Art Kommissar Schneider noch Senf drauf. Klar, Glück gehört auch etwas dazu. Du hast zwar immer drei Handkarten, aber manchmal willst du keine davon ausspielen, weil vom Timing alle ungünstig sind. Trotzdem ist das Gefühl für die Spielsituation wichtiger als Gebete zum Glücksgott.
Dazu gesellt sich zudem eine von mir anfänglich völlig unterschätzte Komponente. Die drei Fraktionen sind asymmetrisch angelegt. Nur viel subtiler als gewöhnlich, weil die Art und Häufigkeit der Aktionsfelder auf den Karten je nach Farbe anders gewichtet ist. Nach ein paar Partien merkt man, dass z.B. Sancho de Castilla (Rot) 6-mal angreifen kann, hingegen Sancho de Nájera (Gelb) 9-mal die Schwerter schwingt. Die zwingenden Aktionsmöglichkeiten sind als ungleich verteilt, entsprechend sollte man seine freien Aktionspunkte dahingehend optimieren. Wenn man es denn kann, ich tappe immer noch in gedankliche Fallen.
(K)eine Würfelorgie
Noch ein kleiner Abstecher zum Kampf, der zwar mit Würfeln ausgefochten wird, aber mit einem coolen Kniff ausgestattet ist. Pro im Kampf befindlicher Einheit aller Fraktionen wird ein Würfel geworfen. Diese werden nach Augenzahl sortiert. Jetzt wird mit der höchsten Augenzahl begonnen. Nur ein Würfel vorhanden? Dann darf diese Fraktionen den eigenen Würfel entfernen, plus einen generischen Würfel und eine entsprechende Einheit vom Spielfeld. Ist aber mehr als ein Würfel pro Augenzahl vorhanden, dann negieren sich diese und beide werden ohne Aktion entfernt. So durchläuft man alle Augenzahlen. Nur höher zu würfeln bringt also nichts! Zudem können die eingangs erwähnten verdeckt ausgespielten Karten aufgedeckt werden, um Würfel neu zu werfen und so die Auflösung der Würfel zu beeinflussen. Einfach, aber eine irgendwie coole Mechanik. Würfelglück gehört trotzdem etwas dazu.
3-2-1
Es ist keine Überraschung, aber ich empfinde War of the 3 Sanchos zu dritt am interessantesten. Drei Gesichtsentgleisungen zu beobachten ist einfach spannender. Wobei ich zugebe, dass aufgrund der Kartenmechanik es auch zu zweit funktioniert und die gelbe Fraktion automatisch gesteuert wird. Eine dritte Person ist definitiv nicht erforderlich. Entsprechend funktioniert es auch alleine. Da ich aber nicht alleine spiele und Vergleichsmöglichkeiten fehlen, ist meine Einschätzung hier eher wertlos.
Fazit
Kommen wir zu den angesprochenen gedanklichen Schnitzern der Einleitung. Ich war in War of the 3 Sanchos alles andere als ein Area-Control-Experte. Meine typischen Mechanismen wollten nicht greifen. Überrascht war ich und genau deshalb übte dieses Brettspiel seinen Spielreiz aus. Wohldosiertes Taktieren mit eigenen Spielsteinen und Aktionspunkten, denn beides ist rar, kitzelt Spielspaß hervor. Dazu gesellte sich ein charmanter Würfelkampf und ein omnipräsentes Kartenmanagement. Damit wären wir bei meinem zweiten Schnitzer. War of the 3 Sanchos ist alles andere als simpel. Es mag nicht kompliziert sein, aber die taktischen Knobeleien, vor allem durch das gedankliche Gerangel um die eigene Auslösung von gegnerischen Aktionen und dem versteckten asymmetrischen Kern, sorgen für einen angenehmen Anspruch. Es bleibt am Ende kompakt, fast noch ein Absacker und definitiv ein Reisespiel, aber es fühlt sich nach mehr an. Und genau deshalb lohnt sich ein Blick auf den Streit, wo drei genau zwei zu viel sind!
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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Ach Christian, direkt mit dem ersten Satz hattest Du mich und ich war am Grinsen. Letztes Jahr war ich noch auf der Abschlusstournee von Fettes Brot ganz vorne mit dabei und habe damit meine Jugend gedanklich abgeschlossen und jetzt beginnst Du Deine Rezension mit diesem Satz. Einfach traumhaft. 🙂
Zum Spiel selbst: Das hört sich interessant an. Da werde ich mal abwarten bis ich irgendwann irgendwo einen Schnapper mit dem Teil machen kann. Ausprobieren will ich das mal. Und außerdem passt das gut neben „Der König ist tot“ ins Regal.
Hallo Gordon,
ach ja, das Abschiedskonzert an der Trabrennbahn in Hamburg war gigantisch. Ich war da auch. Mein letztes Konzert mit den Broten und megafetten Gästen (z.B. Kraftklub oder Fatoni). Unvergesslich in den 90ern ihr Konzert in der Großen Freiheit, wo beim Pogen meine Hose gerissen ist. Das besondere beim Abschiedskonzert, es war das erste Konzert meines großen Sohnes. Und er hat es so derbst gefeiert. Das war doppelt emotional.
Zum Spiel: Ja, in die Gattung „Der König ist tot“ passt das, auch wenn ich nur den Vorgänger „König von Siam“ im Regal habe. „War of the 3 Sanchos“ ist noch ein Stück kompakter und besitzt vielleicht noch weniger Downtime, weil die Kartenmechanik das einfach hervorbringt.
Liebe Grüße
Christian