Lesezeit: 5 Minuten
Wo ist das verdammte Inside Job? Da will man über das semi-kooperative Stichspiel eine Rezension schreiben und dann ist es weg. Schweißausbruch! Es ist doch ein Rezensionsexemplar. Wie sieht das jetzt vor KOSMOS aus? Ich wühle mich mit Bluthochdruck durch meine Brettspiel-Messi-Hölle. Wo ist dieses Kartenspiel? Da fallen mir die Karten von den Augen, heute ist ja Brettspiel-AG in der Schule. Heißt: Inside Job wird da wieder rauf und runtergespielt. Das dieses Stichspiel seit Wochen im Schulranzen meines Sohnes wohnt, ist aus meiner Sicht nicht verwunderlich. Gehen wir ins Detail!

Kurzcheck: Darum geht es bei Inside Job

Wer Die Crew bzw. Die Crew: Tiefsee kennt, der fühlt sich bei Inside Job schnell heimisch. Auch hier gibt es die klassischen Stichregeln wie Bedienzwang kombiniert mit Missionen für die Spielrunde. So müsst ihr beispielsweise in einer Runde Karten in aufsteigender Reihenfolge spielen oder die erste gespielte Karte muss die niedrigste Zahl sein. Wenn ihr für eure Personenanzahl entsprechend viele Missionen pro Partie schafft, habt ihr gewonnen. Easy! Der große Unterschied, mindestens eine Person am Tisch will das verhindern. Nicht mehr so easy!

Der Slogan von KOSMOS des fast kooperativen Stichspiels passt daher perfekt. Und so sitzt ihr am Tisch und wisst, dass ihr diese Runde von X Stichdurchgängen ganze Y nach der Missionsvorgabe schaffen müsst, bis plötzlich eine Person mit Hundeblick eine Karte ausspielt, die die aktuelle Mission scheitern lässt. Da werden die Zeigefinger gezückt, Urteile gesprochen und Entschuldigungen hochgefahren. Na ja, noch ist die Partie nicht verloren. Bis der nächste Hundeblick die nächste Katastrophe ankündigt! Der Clou: Du darfst nicht über deine Handkarten sprechen. Je nach Blatt kannst du Missionen vielleicht gar nicht erfüllen, obwohl du zu den Guten gehörst. Genau das erzeugt den Rechtfertigungs-Marathon und Spielspaß! Kommen wir zu den nicht unwichtigen Details.

Sieht eher unscheinbar aus.

Der mechanische Unterbau

Als zusätzliches Element fungieren im Spiel Koffer-Marker. Immer wenn du einen Stich gewinnst, bekommst du einen. Damit kannst du zwei Dinge anstellen. Erstens kannst du deine ausgespielte Karte in die Trumpf-Farbe verwandeln, zweitens musst du beim Erreichen einer gewissen Menge an Koffern deine Rollenkarte aufdecken. Bist du Verräter:in, hast du gewonnen! In der Gruppe schrillen also die Alarmglocken, wenn du zu viele Koffer sammelst. Allerdings kannst du eben auch argumentieren, dass du dich als Agent:in beweisen willst, weil du die Rollenkarte eben aufdecken willst. Da musst du aber schon verdammt gut spielen, damit andere dir das glauben. Der Vorteil für die kooperativen Gruppen mit offenen Agent:innen ist aber nicht zu vernachlässigen. Wenn nämlich am Ende weder Verräter:in durch Koffer, noch die Gruppe durch erfüllte Missionen gewinnt, kommt es zur Abstimmung. Offene Agent:innen machen es so leichter, den Verrat zu entlarven und dann doch noch zu gewinnen.

Enorm wichtig ist der größte Vorteil der verräterischen Seite: kein Bedienzwang! Das ist mächtig und unabdingbar für das Sabotieren der Missionen, aber gar nicht so einfach zu bewerkstelligen. Wer eine gelbe Karte nicht bedient und zwei Runden später eine gelbe Karte spielt, der braucht schon eine ziemlich besoffene Spielgruppe, damit man das Spiel dann noch als Verräter:in gewinnt. Als Hilfe fungiert der Umstand, dass man in einem Durchgang nicht seine ganze Hand spielt. Zwei Karten bleiben übrig. Wirkt wie eine große Hilfe fürs Schummeln, aber glaubt mir, in einem Stichspiel mit Bedienzwang und aufmerksamen Mitspielenden ist das alles andere als leicht. Auch das macht den Reiz aus!

Je nach Personenanzahl sind die Siegbedingungen andere.

Kniff bei den Missionen

Ein paar Wörter müssen auch noch zu den Missionen fallen, denn auch diese Mechanik wurde passend zu einem Deduktion- und Verräterspiel umgebaut. Anders als in Die Crew liegen die Missionen nicht offen aus. Wer den letzten Stich gewonnen hat, zieht zwei Missionskarten und schaut sich geheim die Karten an. Jetzt wird eine ausgewählt und die andere für die Gruppe ungesehen abgelegt. Ein mächtiges Werkzeug! Wer aufmerksam dem Kartengekloppe folgt, kann je nach Ziel und bisher gespielten Karten sehr gut einschätzen, wie schwer eine Mission sein könnte. Das nützt Verräter:innen, weil man natürlich fiese Missionen auswählt und die abgelegte als noch schwerer verkauft. Silberzunge incoming! Oder erkauft man sich durch eine gewählte Billo-Mission vielleicht das Vertrauen?

Unzählige Missionen.

Am Tisch

Ich lege die Mission, dass die erste ausgespielte Karte die Höchste sein muss, auf den Tisch. „Freunde, ich habe diese Mission gewählt, damit wir gewinnen.“ Glaubt mir natürlich keiner. Der Vorwurf: Ich hätte wieder einen Block reines Silber in heißem Wasser aufgelöst und mir damit die Zunge eingerieben. Zwar ist meine blaue 12 die höchste Karte und wir gewinnen die Mission, aber die gelbe Karte meiner Frau war Trumpf. Sie erhält den Koffer und sie darf die nächste Mission auswählen. Sie ist die Verräterin. Zumindest ist das meine Vermutung. Ich weiß aber, sie darf keine blaue Karte mehr auf der Hand haben. Ich spitze meinen Finger und zeige auf mein Herzblatt. „Seht ihr, sie hat schon wieder einen Koffer, gleich hat sie gewonnen!“ Enno stimmt mir zu. Wieso stimmt er mir zu? Eben hat er mir bei meiner Mission nicht geglaubt. Er hat auch noch keinen einzigen Koffer, will er hier Undercover am Ende als Verräter gewinnen? Was für eine Mission wird meine Frau wählen? Wie nutze ich den Vorteil durch das Wissen um Blau? Spannende Fragen, die einen stets begleiten.

Diese Gedankenspiele werden durch zwei Faktoren verstärkt: mehr Mitspielende und weitere Rollenkarten. Letzteres bedeutet, dass in der Schachtel noch diverse Rollenkarten mit Spezialeffekten lauern. Wer etwas Erfahrung besitzt, sollte diese unbedingt nutzen. Das erhöht ungemein die Spannung, genauso wie ein paar mehr Personen am Tisch. Man kann Inside Job auch gut zu dritt spielen, aber zu viert oder fünft ist der Thrill durchaus höher.

Viele Sonderrollen machen das Spiel interessant.

Fazit

Inside Job ist eine erfrischende und selten gesehene Mischung aus kooperativen Stichspiel und den klassischen Elementen der sozialen Deduktion. Was durch den simplen Unterbau anfänglich fast banal wirkt, steigert sich durch Erfahrung, weitere Rollenkarten und dem Verstehen von Kniffen bei der Koffer-Mechanik zu einem wirklich interessanten und kurzweiligen Spiel. Dies ist gleichzeitig auch etwas die Krux. Wer in Stichspielen eh schon unter die Räder kommt, sich Farben oder gespielte Karten nicht merken kann, geht in Inside Job durchaus schneller unter. Eine Silberzunge und gute Deduktionsfähigkeit reichen hier allein nicht. Wer allerdings eine größere Gruppe von spielwütigen Karten- und Stichfans in seinem Umfeld hat, der sollte sich Inside Job unbedingt anschauen.

Inside Job

14,99 €
7.6

AUSSTATTUNG

7.0/10

SPIELIDEE

8.0/10

SPIELSPASS

7.8/10

Kurzfakten

  • Erfrischende Mischung
  • Komplexität steuerbar
  • Koffer cooler Kniff
  • Optionale Rollen
  • Mehr Spaß ab 4 oder 5 Personen

Spielinformationen

  • Genre: Kartenspiel
  • Personen: (2) 3 - 5
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Dauer: 20 Minuten
  • Autor: T. Simmons, M. Bláha
  • Rezensionsexemplar erhalten
Redakteur | Admin | Gründer von Brett & Pad | Website

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8 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Hi Christian,
    klingt ziemlich cool.
    Wie siehst du Inside Job den im Vergleich zu Shamans? Ich bin großer Stichspiel und Deduktion-Fan, aber Shamans hat bei uns (noch) nicht so richtig gezündet 😬

    Antworten
    • Ich muss leider gestehen, dass ich Shamans noch nicht gespielt habe. Ein Freund von mir hat bei Inside Job nur mit den einfachsten Regeln gespielt und fand Shamans besser. Hilft jetzt auch nicht so weiter. Was hat dir denn an Shamans nicht gefallen? Dann kann ich eher klären, ob Inside Job etwas für euch ist.

      Antworten
      • Wir hatten in den Runden zu dritt bzw. zu viert oft das Gefühl, dass der Schatten/Verräter wenig Möglichkeiten hat zu taktieren und sich recht schnell offenbaren muss, um eine Chance zu haben.
        So war der Deduktionsanteil immer relativ gering.
        Möglich auch, dass es erst zu 5 richtig gut wird.

        Antworten
        • Eine frühe Offenbarung ist bei Inside Job keine gute Idee. Dann hast du eigentlich verloren. Es mag zwar sein, dass es so leichter ist, die Aufgaben der „guten“ Spieler zu sabotieren, dann geht es nur eben in die Endabstimmung und du wirst rausgewählt und hast verloren. Bei Inside Job ist es in der Regel elementar, dass du bis zum Ende verdeckt agierst. Die erweiterten Rollen verändern das Gefüge zwar je nach ausgewählter Rolle etwas, aber im Grunde will man hier unter dem Radar fliegen.

          Antworten
  • Danke für deine Einschätzung! Ich denke, du hast mich überzeugt 😉

    Antworten
    • Wichtiger ist eher, das erwähne ich ja auch in meiner Rezension, dass alle Personen sich mit Stichspielen auskennen. Wer in einem Skull King schon durcheinander kommt und kein Gefühl für die Runde hat, wird es schwer haben, das Spiel zu sabotieren. Umgekehrt können dämliche oder komische Aktionen aus wenig Erfahrung mit Stichspielen dazu führen, dass man verdächtigt wird.

      Antworten
  • Ich fands zu dritt auch nicht so gut wie zu viert oder fünft. Zu Dritt ist es imo für die Agenten dann doch zu leicht, den Insider zu entlarven. Zu viert oder fünft ist es aber wirklich klasse.

    Shamans fand ich übrigens dagegen mies – als Weisser wird man eigentlich durchweg vom Spiel gespielt und nicht umgekehrt. Einmal hat mir daher völlig gereicht.

    Antworten
    • Ich habe Shamans jetzt auch einmal zu fünft gespielt. Richtig mies war es jetzt nicht, es fühlte sich aber sehr komisch an. Ich habe es jetzt auf unsere wenige Erfahrung geschoben, aber bei uns haben jede Runde die „Bösen“ gewonnen.

      Antworten

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