Kurzcheck: Darum geht es in Cantaloop
Du verkörperst in Cantaloop einen charismatischen Kleinkriminellen, der aus seinem Exil zurückkehrt und sich an dem Menschen rächen möchte, der ihm sein Leben versaut hat. Der fiese Typ sitzt nur leider ziemlich fest im Sattel der Stadt und so suchst du Verstärkung in Form von weiteren Mitstreitern, aber auch Hilfsmitteln. Also nimmst du die Beine und den Mund in die Hand und erkundest die Stadt mit ihren 20 Schauplätzen und wilden Charakteren. Dabei sprüht der Charme alter PC-Klassiker dir nur so entgegen. Das liegt zum einen an der passenden Optik, wie man von „Bild zu Bild“ geht, aber eben auch an den wirklich skurrilen Unterhaltungen und Rätseln, die ganz typisch durch das Kombinieren von Gegenständen gelöst werden. Cantaloop ist nur ein Buch und trotzdem näher an den alten Point & Click-Abenteuer als viele moderne Videospiele des Genres. Trotzdem befinden wir uns analog am Tisch, wie also wird das Spiel mechanisch umgesetzt?
Mein Problem
Da wären wir bei meinem ersten persönlichen Problem mit Cantaloop. Das Kombinieren von Gegenständen untereinander, mit Orten und Personen läuft über Codes. Jeder Bereich hat einen Codeschnipsel und zusammengenommen ergibt dies einen fertigen Code, den man im Buch nachschlägt. Damit man sich nicht spoilert, sind alle Einträge nur über einen Rotfilter zu lesen. Das funktioniert und simuliert eben die Abfragen, die am PC automatisch abgewickelt werden. Ich habe Cantaloop zu zweit gespielt. Meine Frau hat nachgeschlagen, ich habe die Codes durchgegeben. Arbeitsteilung!
Trotzdem war es mir oft zu viel Verwaltungsaufwand. Ist ein Code überhaupt da? Denn Katzenhaar und Sekundenkleber muss ja keinen Eintrag ausspucken. Also sind viele Codes für die Katz. Dazu wechselt man irgendwann ziemlich oft die Orte, weil die Rätsel teilweise ortsübergreifend aufgebaut sind. Man ist also am Blättern und Codes friemeln. Cantaloop haben wir über mehrere Abende gespielt, trotzdem waren es am Ende 8 Stunden mit einfach zu viel Verwaltungsaufwand.
Das gehört so?!
Bleiben wir bei den Schattenseiten. Das ist nun sehr persönlich, aber auch Cantaloop hat diese typischen Rätsel, bei denen man etwas unlogischer um die Ecke denken muss. Es ist selten richtig absurd und gehört irgendwie zum Charme dazu. Es mag da draußen viele SpielerInnen geben, die auf diesen Charme abfahren. Das muss eben so, wenn man so eine Hommage macht. Verstehe ich, mir war das dann aber doch zu nah an der klassischen Struktur der Vorlagen. Auf einige Lösungen sind wir auch nicht gekommen, aber da hilft ein recht gutes Hilfssystem weiter.
Ich bleib am Ball
Klingt nun ja irgendwie negativ, trotzdem hatte ich in meinen 8 Stunden durchaus Spaß. Das liegt einfach am Charme des Spiels. Das Umschlagen der Seiten mag genauso nerven wie das Hantieren mit den Codes, es ist aber einfach cool, die Stadt zu erkunden, die tollen Panoramen zu genießen und vor allem die abgefahrenen Unterhaltungen zu führen, die für mich das Highlight darstellen. Sie sind genauso dämlich, infantil und humorig wie bei den PC-Vorlagen. Besonders wenn zu zweit jeder eine Rolle übernimmt. Auch wird man stetig belohnt, weil sich durch das Lösen von Rätseln die Welt immer weiter öffnet. Das Spiel baut einfach gekonnt einen Sog auf, weil man einfach durch diese Tür will! Und wie geht bloß der Safe auf? Was will Person X haben, damit wir Information Y erhalten? Man will weiterspielen und springt wie ein Top-Athlet über jede negative Hürde.
Weiteres Highlight sind die besonderen Titel, die man nur für den Spaß an sich freischalten kann. Wer Codes kombiniert, die nicht zur Lösung beitragen, aber vielleicht doch logisch erscheinen, erhält eine kleine Karte mit einem besonderen Titel. Allerdings erhält man so etwas auch, wenn man besonders dämlich agiert. Das finde ich fast noch besser. Ich musste über diese Titel, die einem das Spiel durchaus gerne verleiht, öfters schmunzeln.
Fazit
Cantaloop löst bei mir sehr ambivalente Gefühle aus. Es ist nämlich so stark, weil es den einzigartigen Charme der klassischen PC-Adventures phänomenal einfängt. Die Unterhaltungen sind skurril, manch Rätsel herrlich absurd und man bewegt sich wie in einem typischen Point & Click-Adventures von Ort zu Ort und erkundet toll gezeichnete Panoramen. Auf der anderen Seite treten aber genau wegen dieser extremen Nähe zur digitalen Vorlage die Schattenseiten zutage. Mir sind die Rätsel zum Teil zu weit hergeholt und vor allem ist die Mechanik auf Codes gestützt, die eine enorme Verwaltungsarbeit gebären. Klar, was am PC im Hintergrund abläuft, muss hier von Hand erledigt werden. Es funktioniert als analoge Version, beeindruckt hier vielleicht sogar, aber unelegant ist es trotzdem. Von daher fesselt Cantaloop durch seine Geschichte, der Anziehungskraft einer gelungenen Hommage und dem motivierenden Durchbrechen von Schranken innerhalb des Fortschritts im Spiel. Wer aber schon damals mit den digitalen Varianten seine Probleme hatte, wird hier sicher nicht glücklich. Bleibe ich der Serie treu? Ich weiß es noch nicht …
Cantaloop
24,99 €Kurzfakten
- Wunderbarer Charme
- Für Fans klassischer Point & Click-Adventures
- 6 bis 8 Stunden Spielzeit
- Witzige Titel-Karten
- Maximal für zwei Personen
Spielinformationen
- Genre: Adventure
- Personen: 1+
- Alter: ab 16 Jahren
- Dauer: bis 720 Minuten
- Autor/in: Friedemann Findeisen
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