Lesezeit: 5 Minuten
Tavarua gelingt etwas, was keinem anderen Brettspiel bisher gelungen ist. In meinem Herzen prügeln sich zwei Hobbys um die Vorherrschaft: Brettspiele und Wassersport. Darunter fällt dann natürlich auch das Wellenreiten – auch wenn ich eigentlich Kitesurfer bin. Wenn sich zwei Hobbys nicht prügeln müssen, sondern sich vereinen, dann wird der Blick rosarot. Alleine das Cover der Brettspielschachtel und dann diese geilen Surfboards, auf denen die Meeple Wellen abreiten. Ich schmeckte sofort das salzige Wasser, hörte die Brandung und roch den herrlichen Geruch von Neopren. Begleitet natürlich von Donavon Frankenreiter! Also bin ich vielleicht nicht der beste Ratgeber? Zum Glück hatte ich für den Realitätscheck meine Frau und die Kinder neben mir. Wir haben uns zu zweit und zu viert in die Wellen gewagt. Also Freunde des Wassers, Hang Loose und schaut, ob ihr von Tavarua auch stoked werdet! Klingt jetzt bemüht stylish? Nun …

Kurzcheck: Darum geht es in Tavarua

… da hätten wir vielleicht das erste Problem, denn stoked zu sein ist Teil des Spielkonzeptes! Es ist der Ausdruck, wenn du einfach nur ein fettes Grinsen auf dem Wasser hast und die Welt gleichzeitig umarmst und doch vergisst. Entsprechend gibt es dafür Marker im Spiel. Du surfst in Barrels, machst Arieals oder Hang Tens. Nur Fragezeichen im Kopf? Dann kann dir Tavarua trotzdem Spaß machen, alleine aufgrund des frischen Spielprinzips, das auf eine überraschend einfache Art und Weise diesen Sport sehr authentisch abbildet. Aber die Zielgruppe sind Leute, die das Cover sehen und Salz schmecken.

Die schnappen sich ein Short- oder Longboard, paddeln mit ihrem Meeple raus und versuchen die perfekte Welle abzupassen. Dann immer schön das Gleichgewicht halten und Tricks über Karten abfeuern. Wellenkarten und ausgespielte Trick-Karten sorgen dabei nicht nur für Punkte, sondern definieren auch dein Gleichgewicht. Wer die Stärke der Welle schlecht abpasst und zu riskante Tricks ausführt, fliegt vom Brett. Das gibt fette Punktabzüge! Alle Phasen des Spiels werden übrigens mehr oder weniger gleichzeitig gespielt. Downtime gibt es hier sehr wenig. Wer am Ende gewinnt, ist Teil des erfrischenden Spielkonzepts. Dazu jetzt mehr.

Tavarua
Würfel bestimmen wann die Wellen brechen und damit surfbar werden.

No Risk, No Win!

Die Länge einer Partie wird über den Stapel der Wellenkarten definiert. Sind die Karten aufgebraucht, ist das Spiel vorbei. Innerhalb dieser Zeit solltest du mindestens zwei Tricks auf dem Shortboard und dem Longboard gestanden haben. Je mehr Punkte du mit Trick-Karten, eingesetzten Stoked-Tokens und anderen Spezialmanövern sammelst, desto höher die Bewertung. Am Ende werden die zwei besten Tricks pro Kategorie addiert und jeweils ein Short- und Longboard-Champion gekürt. Diese zwei Vergleichen nun die jeweils andere Kategorie, in der sie nicht gewonnen haben. Wer hier die höhere Bewertung hat, gewinnt das Spiel.

Der Clou daran ist, dass du eine Kategorie wirklich rocken musst! Dazu ist die Zeit echt knapp. Der Wellenstapel ist so aufgebaut, dass du nicht viele Wellen surfen kannst. Wer auf perfekte Wellen wartet, der hat am Ende richtig Druck. Du musst also ein Risiko eingehen, damit du gewinnst. Wer nur sicher surft, hat am Ende vielleicht mit vier mittelmäßigen Bewertungen insgesamt die meisten Punkte, verliert aber trotzdem. Du musst eben mindestens in einer Disziplin Champion werden! Das bildet den Gedanken eines Wettkampfes gut ab und zwingt dich in der Push-Your-Luck-Mechanik zum Risiko.

Insgesamt hat Gelb eigentlich viele Punkte erzielt, ist aber trotzdem Letzter.

Top Atmosphäre

Die Surf-Atmosphäre ist das große Ding bei Tavarua. Würfel ermitteln die Höhe der Welle und wann sie bricht. Starke Wellen, auf denen man irre lange Surfen kann, muss man weit draußen abfangen. Braucht aber auch Glück, dass sie kommen! Und je länger du surfst, desto größer die Gefahr, dass deine Handkarten für die richtige Balance nicht mehr passen. Wenn du dann surfst und sich plötzlich ein Barrel entwickelt und du weißt, das hier ist der epische Moment, der deine Punktzahl in die Höhe treibt, dann setzt mein Auf-dem-Wasser-Grinsen auch am Tisch ein.

Tavarua
Die rechte Welle ist die aktive (3 Balance nach unten). Die nächste Welle wird dich 2 nach oben oder unten bewegen. Jetzt gut planen!

Die Surf-Etikette um den Start in eine Welle ist auch verankert. Das erzeugt Interaktion beim Take-Off in die Welle! Es ist sogar möglich, dass durch gegenseitige Behinderung beide ins Wasser klatschen. Wem das passiert, der wird mit der Welle und dem Weißwasser erst einmal wieder an Land gespült. Aussetzen nennt man das als Brettspieler. Passt! Beim Rauspaddeln wird der Meeple übrigens aufs Board gelegt, beim Surfen steht er, wer ins Wasser plumpst, packt sein Meeple neben das Board. Mir geht da das Herz auf! Und egal ob dein Meeple-Gesicht das Wasser küsst, du eine geile Welle nimmst oder bis zum Strand surfst, du erhältst immer Stoked-Tokens. Warum? Weil ein guter Tag am Meer mit vollem Einsatz einfach immer Spaß macht! Es ist sogar durch Spezialkarten, die man durch Stoked-Tokens kaufen kann, möglich sich von Jet-Skies ziehen zu lassen oder am Strand mit Energy-Drinks kurz zu chillen. Ja, dieses Zuckerwasser des Bullen gehört irgendwie zum Contest dazu. Ihr merkt, trotz wirklich einfacher Regeln, die mein 6-jähriger Sohn mit etwas Hilfe verstanden hat, wird hier richtiges Surffeeling verkauft!

Tavarua
Der Trick „Roundhouse“ bringt nur einen Punkt, aber verändert meine Balance auch nur 1 Schritt nach unten.

Nicht alles ist stoked!

Tavarua ist rein auf die Mechanik heruntergebrochen ein eher seichtes Spiel. Jede Runde spielt man eine Karte. Je nach Ablageort paddelt man, tauscht die Karte aus oder integriert sie in den Trick. Man passt seine Balance an, was nun auch kein Brainburner ist und startet nach einem Würfelwurf für die Wellenhöhe in die nächste Runde. Glück bei der Wellenhöhe und Push-Your-Luck beim Surfen gehören dazu, trotzdem hat ein Port Royal mehr Tiefgang, aber eben hundertmal weniger Style.

Auch lebt das Spiel vom Spirit des Contests und der damit einhergehenden besonderen Ermittlung des Siegers, sowie dem Effekt, dass egal, wie viele Personen am Tisch sitzen, die Spielzeit nicht explodiert. Entsprechend ergeben sich zu zweit weniger Vorteile. Aus meiner Sicht hat man zu viert oder fünft den größten Spaß. Bei sechs Mitspieler:innen ist es vielleicht etwas zu voll in der Welle.

Fazit

Tavarua spritzt dir die salzige Spielspaß-Gischt mitten ins Gesicht! Das hier ist Surfen am Wohnzimmertisch, mit all seinen passenden Ausprägungen. Du brauchst Glück und Geduld beim Erwischen der richtigen Wellen, das richtige Timing bei den Tricks und musst immer ein gewisses Risiko eingehen. Am Ende hast du, wenn Surfbretter in deinem Herzen wohnen, aber immer eine gute Zeit. Vor allem, wenn die Spielgruppe etwas größer ist. Wie beim Wassersport, mit Freunden abzuhängen, macht einen guten Tag noch besser. Ich finde es wirklich beachtlich, mit wie viel Liebe zum Detail Cody Miller das Surfen, gerade trotz wirklich simpler Mechanik, in ein Brettspiel gepresst hat. Das ist gleichzeitig die Crux, denn wer keine Liebe im Herzen für diese Sportart trägt, dem geht die Atmosphäre verloren und es bleibt ein zwar hübsches, aber eher einfaches Kartenspiel. Wem es also so geht wie meiner Frau, die nicht der größte Surf-Fan ist, der muss von der Wertung mindestens 1 Punkt abziehen, je nachdem wie du dich über das definitiv außergewöhnliche Thema erfreust. Für mich hat Tavarua als besonderes Nischenspiel seinen absolut festen Platz im Regal gesichert.

Information: Tavarua ist äußerst schwer zu bekommen. Ich habe es nur bei Toy Street aus den UK importieren können. Hier fallen dann noch Porto und Zollgebühren an.

Tavarua
Spielinformationen
Genre: Sport-Spiel | Personen: 1 - 6 | Alter: ab 13 (8) Jahren | Dauer: 30 - 60 Minuten | Autor: Cody Miller | Illustration: JJ Ariosa, Lina Cossette, David Forest
SPIELSPASS
8.5
AUSSTATTUNG
8.5
SPIELIDEE
9.5
Positive Aspekte
Surfthema mega umgesetzt
Liebevolles Material
Frische Siegbedingungen
Für größere Gruppen geeignet
Umfangreicher Solo-Modus
Negative Aspekte
Man sollte den Sport lieben
Ansonsten vielleicht zu seicht bzw. zu banal
8.5
Weitere Informationen
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5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Denny Crane
    5. März 2021 9:13

    Cooler Geheimtipp. Merci dafür. Die Verfügbarkeit ist dank Brexit gerade etwas zu risikobehaftet…. schade

    Antworten
  • Denny Crane
    14. März 2021 9:26

    Ist angekommen…Zoll hat es durchgewunken…das Auspöbbeln hat allein schon Mal viel Spaß gemacht

    Antworten
    • Cool! Wie schon in der Rezension geschrieben, es macht vor allem mit ein paar mehr Surfern Spaß 😉 Viel Spaß in der Welle!

      Antworten

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