Last Bastion bedient sich grob am Konzept der Tower Defense-Mechanik und ist ein taktisches wie kooperatives Kampfspiel. Damit hat es mich erstmal null gereizt. Meine Frau? Kein Kommentar. Ich dachte zuerst an meinen neunjährigen Sohn, dem die zugegeben opulente Aufmachung wohl gefallen würde. Angeblich ist das Spiel allerdings bockschwer und erst ab 14 Jahren. Challenge accepted! Was mit einer interessanten Herausforderung begann, wurde zu einer echten Überraschung.
Kurzcheck: Darum geht es in Last Bastion
Jeder Spieler wählt einen der acht Helden, die alle mit einzigartigen Fähigkeiten aufwarten und nimmt sich eine Spielertableaufarbe. Danach setzt man das innere der Burg zufällig zusammen. Jedes Feld in der Burg besitzt eine Aktionsmöglichkeit, die statt eines Angriffs benutzt werden kann. Aus den verschiedenen Helden und der immer anders zusammengebauten Burg ergibt sich ein angenehm modularer Charakter.
Die Spielzüge gestalten sich übersichtlich. Monsterkarte ziehen, platzieren und eventuell vorhandene Spezialfähigkeit auslösen. Dann die ausliegenden Monster an der eigenen Mauer checken und auch deren Fähigkeiten ausführen. Nun darf der eigene Held loslegen: eine Bewegung und eine Aktion (Kampf oder Burgplättchen). Gekämpft wird über Würfel, bei denen man mindestens so viele Symbole der entsprechenden Farbe des Monstertyps würfeln muss, wie das Monster Lebenspunkte besitzt. Easy peasy!
Dieses Spiel treibt man so lange, bis alle Helden gestorben sind, der Monsterstapel verbraucht ist oder drei böser Einfluss in der Burg platziert wurde. Dann hat das Spiel gewonnen. Aus der Meeple! Ach ich vergaß, die Helden können auch gewinnen. Dafür muss man alle Warlord-Karten besiegen. Klingt gar nicht so schwer oder? Last Bastion spielt sich dabei übrigens, anders als ich annahm, auch gut zu zweit oder dritt.
Fratzengeballer
Die erste Partie zeigte gleich, was in Last Bastion stecken kann. Schnell füllten sich die Tableaus mit Monstern, die dabei nicht zwangsläufig bei dem Spieler der sie zieht landen. Das erschwert die Planung. Vor Spielbeginn erhält nämlich jeder Spieler eine Farbe für seinen Abschnitt der Mauer. Die Farbe des Tableaus bestimmt dabei die Zuordnung der gezogenen Monsterart. Die Monster sind unterschiedliche stark und nicht vorsortiert. Manche sind eigentlich Kanonenfutter, aber verursachen spielerische Albträume beim Platzieren. Es gibt auch Monster, die werden erst richtig fies, wenn sie besiegt wurden. Manch abartiger Geselle ist auch alles gleichzeitig. Sonderfähigkeiten blockieren uns Würfel, es wird böser Einfluss ins Spiel gebracht, man verliert vielleicht Lebenspunkte oder seine Heldenfähigkeit. Doch damit noch nicht genug! Sollte ein Farbbereich der Mauer komplett von Monster besetzt sein, zieht dieser Spieler keine neue Monsterkarte, sondern muss stattdessen ein Malus ertragen. Das will man nie, weil man dabei zum Beispiel Lebenspunkte oder die Bewegung verliert und gleichzeitig das Spiel stagniert. Den Helden fliegt hier schnell alles um die Ohren!
Wichtige Absprachen
Wer geht also wohin und bekämpft welches Biest? Keine leichte Entscheidung! Stetig kommen neue Monster ins Spiel und alte Brandherde müssen zwingend gelöscht werden. Der Kampf über die drei Würfel ist nicht die einzige Lösung! Zum einen wären da die Marker, wieder entsprechend der Monsterfarben, die automatische Erfolge beim Kampf einbringen. Diese zu ergattern ist also nicht verkehrt, ja teilweise sogar zwingend notwendig, besitzen doch manche Monster mehr Lebenspunkte als man Würfel werfen kann. Taktisch wichtiger sind aber die Aktionen über die Burgplättchen. Hier werden Lebenspunkte regeneriert, Ausrüstung gesammelt oder Banner errichtet, welches einen Extra-Erfolg entsprechend der Farbe einbringt. Wie wäre es mit dem Netz, das eine Fähigkeit eines Monsters lahmlegt? Oder die Lore mit Bomben, die ein neu erscheinendes Monster direkt zu Hack verarbeitet?
So viele Optionen, doch bei nur einem Bewegungspunkt schwer zu erreichen. Geschicktes verteilen der Helden und Absprache, Absprache und noch einmal Absprache sind daher entscheidend. Genau deshalb macht Last Bastion als kooperatives Spiel solchen Spaß. Es gibt keine Downtime, man muss sich helfen und braucht alle Ideen am Tisch. Die Gemeinschaft tritt in den Vordergrund des Erlebnisses und weniger das Thema oder der Kampf. Plötzlich war meine Frau mit Freude dabei und mein Sohn spielte munter mit. Mit etwas Übung schafften wir zwei Siege in Folge! Das motiviert, vor allem hatte ich mit der bärtigen Expertenrunde davor richtig auf den Po bekommen. „Klingt“ komisch? Ich höre da etwas anderes klingen.
Wechselhaft
Es klingt das Glöckchen des Glücks! Schrieb ich Glöckchen? Die Verniedlichung ist fehl am Platz. Lasst uns von der Glocke sprechen, die im Big Ben hängen könnte. Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht wo ich anfangen soll, denn der Zufall tanzt hier so dominant wie ein spanischer Flamenco-Tänzer! Die Monster sind unterschiedlich stark, dazu variiert die Farbe. Hier kann es am Anfang schon ziemlich heiß hergehen. Je nach gewählten Helden, die nicht ganz so ausgeglichen sind, wird die Schwierigkeit ebenso schwanken. Großen Einfluss haben auch die zufällig ins Spiel gestreuten Warlord-Karten. Einige haben definitiv zu viel Lauch gefressen und zusätzlich passt vielleicht auch noch die Farbe der ausgerüsteten Markern oder Banner? Zack, stirbt er schneller als manch normales Monster. Andere Bosse ziehen einem die Lederhose über den Fischkopf. Der Kampf mit seinen Würfeln ist natürlich in seiner Mechanik auch zufällig.
Das Spiel bietet dadurch natürlich eine enorme Abwechslung, weil man nie weiß was passiert. Zusätzlich kann durch unterschiedliche Setups die Schwierigkeit angepasst werden. Klar hat man als Gruppe Werkzeuge in der Hand um ein Spiel zu drehen, trotzdem wurden Partien verloren, die mit einer anderen Reihenfolge von gezogenen Karte oder Würfelwürfen noch gewonnen worden wären. Es ist nämlich durchaus möglich, dass man in sehr kurzer Zeit aus einer komfortablen Situation in fast ausweglose Situationen schlittert. Wer sich da am Schopf wieder selber herauszieht, jubelt am Ende natürlich umso lauter, es kann aber auch gehörig frustrieren!
Fazit
Last Bastion erzeugte bei mir im Vorfeld eine ordentliche Portion Skepsis! Kann solch harte Fokussierung auf den Kampf wirklich begeistern? Die erste Partie nahm uns dann mit den vielen zufälligen Elementen in den Schwitzkasten und riss am Ende mit Leichtigkeit die Burg ein. Ja, Last Bastion kann bockschwer sein, obwohl die Grundregeln simpel sind und schon von Kindern im Grundschulalter verstanden werden. Es erinnert an ein auf Kampf fokussiertes Fireteam Zero, denn der Schlüssel zum Erfolg, neben einem guten Schluck aus der Glückspulle, ist unentwegte Absprache! Das killt die Downtime, denn irgendwie sind immer alle am Zug.
Die stärkste Fähigkeit ist daher weder bei den abwechslungsreichen Fähigkeiten der Helden, noch bei den taktisch wichtigen Aktionen in der Burg zu suchen, sondern bei den Spielern selbst. Kommunikation ist King! Für den absoluten kooperativen Top-Hit fehlt mir in letzter Instanz allerdings eine motivierende Charakterentwicklung und der Zufall steht mir doch ein Stück zu sehr im Vordergrund. Trotzdem ist Last Bastion als spannender Koop-Prügler, gerade auch mit der Familie, zu empfehlen.
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