Lesezeit: 6 Minuten
Beim Brettspiel Alone von Horribles Games ist der Name Programm! Zumindest für den Spieler, der den Helden übernimmt. Denn in diesem asymmetrischen Science-Fiction Dungeon Crawler sind die Mehrheiten anders verteilt. Nur ein Held und dafür bis zu drei Overlords. Viele haben sich im Vorfeld gefragt, ob das überhaupt Spaß machen kann, wenn drei Spieler hinter dem Sichtschirm hocken und zusammen das erledigen, was sonst ein Spieler macht. Ehrlich gesagt kann auch in Alone nur ein Overlord ohne Probleme das Spiel steuern. Entsprechend kritisiert wurde das Horror-Spiel von manchen Rezensenten. Für mich ist das der falsche Ansatz! Es geht nicht darum, was der Overlord zu tun hat, sondern was es psychologisch bewirkt, wenn da eben ein Held allein gegen eine Gruppe spielt. Denn neben den spielmechanisch frischen Ideen die Alone bietet, besteht seine Besonderheit in erster Linie durch die dichte Atmosphäre und den Psycho-Spielchen!

Kurzcheck: Darum geht es in Alone

In Alone übernimmt ein gestrandeter Spieler in einem Science-Fiction-Szenario die Rolle des Helden und bis zu drei weitere Spieler die böse Dunkelheit im Schatten der Raumstation. Sie versuchen den Helden am Gelingen der Mission zu hindern bzw. in der Kampagne die große Wahrheit zu verschleiern. Die bösen Spieler haben dabei den vollständigen Überblick über die Monster, Fallen, Raumaufteilungen und Missionsziele, dem Held hingegen bleibt nur die Hoffnung. Er will überleben und muss zwei von drei gezogenen Missionskarten erledigen. Dann ist er der dunklen Hölle entkommen!

Kommen wir zu den ersten Besonderheiten. Die Sichtweite ist, anders als in herkömmlichen Dungeon Crawlern, beschränkt. Was nicht eingesehen werden kann, wird am Ende der Runde wieder abgebaut. Das Licht, das eigene Gedächtnis und die wenigen Gegenstände, die sich viel zu schnell verbrauchen, sind die einzigen Verbündeten des Helden. Schnell wird die Dunkelheit, die nächste uneinsehbare Ecke, die Geräusche in der Ferne und die auftretende Orientierungslosigkeit für Panik sorgen. Während der Kampagne beeinflusst Erfolg wie Misserfolg des Helden den weiteren Fortgang – das verschärft den Druck noch weiter. Panik-Alarm!

Der Start in den Überlebenskampf.

Du alter Werbetexter!

Nun könnte man denken, dass ich hier einen schönen und atmosphärischen Werbetext geschrieben habe. Auch in Dark Souls ist es spannend, in Gloomhaven immer knapp und Panik in einem Brettspiel?! Maximal, wenn das Glas Cola umkippt. Tja, Alone tickt anders. Zu jedem der Schlagworte im obigen Text gibt es ein spielmechanisches Äquivalent. Alone umfasst neben dem Kampagnenheft drei weitere Hefte mit Spielregeln. Man braucht Einarbeitungszeit und Alone ist ganz sicher ein Expertenspiel! Daher an dieser Stelle der Hinweis, dass ich den Teufel tun werde und hier regeltechnisch ins Detail gehe. Alone braucht diese Regeln, aber es spielt sich am Ende weniger kompliziert und glänzt vor allem durch seine wahnsinnig dichte Atmosphäre.

Das mächtige Heldentableau.

Die Besonderheiten von Alone

Licht, Schatten und die Sichtlinie

Der Start in das Heldenleben ist düster: Ein Sektorteil und das auch noch in Dunkelheit. Das war’s! Als Held weißt du, dass feindliche Kreaturen in der Dunkelheit um einiges stärker sind und falls eine Kreatur aus eben dieser in deinen Sektor stürmt, du ein Stück weit geistige Gesundheit verlierst. Zumindest der Held, manchmal auch du! Wer unvorsichtig vorgeht, verliert also doppelt. Erst ein wenig Menschlichkeit und dann graben sich die Klauen in dein Fleisch. Das willst du natürlich verhindern! Also erstmal in Sektoren spähen und prüfen das dort nichts lauert. Noch besser wäre das Auffinden der Lichtkontrollsysteme, dann kann man das Licht für bestimmte Bereiche anschalten. Es ist nicht übertrieben, aber in solchen Momenten schnauft man erleichtert durch.

Nur leider weißt du auch, dass nach fünf gespielten Runden die Monster wütend und noch stärker werden! Du musst dich also beeilen und das passt nun gar nicht zum Spähen und Lichtschalter suchen. Am Rundenende wird zudem alles abgebaut, was nicht in Sichtlinie ist. Da man in der Raumstation über zwei Etagen durchaus hin- und herlaufen muss und Monster wieder im Nichts verschwinden, sollte man sich schon merken, wo die Treppe, der Lichtschalter oder spezielle Räume waren. Glaubt mir, das ist schwerer als gedacht! Ich kenne keinen Dungeon-Crawler der durch solche Mechaniken echte Orientierungslosigkeit hervorruft.

Jetzt wird es ungemütlich!
Hörst du das Grauen?

Großen Anteil am paranoiden Spielgefühl hat die Geräuschmechanik. Wenn die Overlords hinter ihrem Sichtschirm grinsend ihre Monster auf dem Spielplan platzieren oder sie bewegen, müssen diese Ansagen, von wo aus der Held ein Geräusch hört. Aber nicht was! Ein harmloser Wurm oder ein wahrer Albtraum? Und warum ausgerechnet aus dem Süden? Ist dort etwa die Krankenstation und damit mein erstes Missionsziel? Schließlich ist es das dritte Mal das von dort Geräusche kommen. Oder ist es eine Falle, weil ich genau das denken soll? Garniere dieses Gefühl mit einem Horrorsoundtrack und gedimmten Licht. Herrlich!

Ordentlich was zu lesen.
Aktionssystem

Ungewohnt ist das Fehlen einer Overlord-Phase! Es spielt ausschließlich der Held. Für jede Helden-Aktion, die pro Runde auf acht begrenzt sind, dürfen die Overlords aber eine zur Aktion passende Karte spielen. Wenn sich der Held bewegt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, das sich auch ein Monster bewegt. Allerdings können die Overlord-Spieler pro Runde und Aktion nur eine begrenzte Anzahl an Karten ausspielen. Je mehr sie ans Limit kommen, desto weniger Gefahren-Marker erhalten sie am Ende der Runde. Die Marker können in Räumen und Gängen abgelegt werden und verstärken hier ausgespielte Overlord-Karten ganz gewaltig. Als Overlordspieler ist man also in der Zwickmühle! Spiele ich viele Karten um aktiv dem Helden sein Spiel zu verderben oder lasse ich ihn gewähren, spare Karten und habe dann in folgenden Zügen verstärkte Aktionen.

Die Missionskarten verändern das Spiel oft stark.

Die Schattenseiten

Das Spiel aus Sicht der Overlords.

Die Overlordspieler sind zwar Architekten des Grauens, Erschaffer von Paranoia und bauen hinter dem Sichtschirm stetig am Dungeon, es bleibt aber ein eher reaktiver Part. Sei es bei der Wahl der Aktionskarte, die ja an die Heldenaktion gekoppelt ist, oder beim Kampf. Denn dieser wird erst ausgelöst, wenn nach einer Heldenaktion ein Monster auf dem Feld des Helden steht. Aktiv zum Angriff blasen ist nicht die Tagesordnung! Wir sind noch nicht am Ende der Passivität. Vor Spielbeginn stellen die Overlords ihre Aktionskarten aus vier Themendecks zusammen. Der Fokus liegt z.B. auf Kampf, Fallen oder Angst. Jedes Deck und jede Karte haben ihre Daseinsberechtigung, aber sind sehr situativ. So kann es sein, dass man in einer größeren Overlord-Runde mehrere Züge hintereinander rein gar nichts macht. Klar kann man sich beraten, denn Karten zeigen untereinander darf man nicht, was den Heldenspieler freut, aber die Aktivität ist weit entfernt vom typischen Flair des Overlords anderer Dungeon Crawler.

Das ist definitiv nichts für jede Spielgruppe. Wer hier ein Descent mit anderer Verteilung aus Held und Overlord erwartet, der kann hart enttäuscht werden. Wie eingangs erwähnt, ist die Rolle hier eine andere. Manchmal wird man nicht viel aktiv beitragen, aber alleine die Präsenz mehrerer fies grinsender Overlordspieler, mit einer Handvoll Karten, sind mehr Druck und Spannung für den Helden, als zig Monster. Man sitzt hier also eher für das eklige Spielgefühl deines Gegners und ergötzt sich an dessen Schweißperlen auf der Stirn. Gut das in der Kampagne Helden wie Oberlordplätze durchgetauscht werden.

Am Ende der Runde wird hier alles abgeräumt bis auf die zwei Sektoren ganz links.

Fazit

Alone ist so asymmetrisch aufgebaut, wie es nur sein kann. Nicht umsonst gibt es für Overlord und Helden eigene Regelhefte. Die Rolle des Helden ist durch die vielen drangsalierenden Mechaniken ein extrem immersives Abenteuer. Ich kenne nichts Vergleichbares! Man stolpert durch die Dunkelheit, ist stellenweise völlig orientierungslos, hamstert sich die wenigen Gegenstände und weiß, die Zeit sitzt einem auch noch im Nacken. Dunkelheit, Licht und die Angst vor dem nächsten Schritt wurde wohl nirgends besser umgesetzt wie in Alone. Wenn einem dann noch bis zu drei diabolische Overlords gegenübersitzen, die bei verpatzten Würfelwürfen hämisch lachen und sich diebisch freuen, wenn man wieder einmal im Kreis läuft, dann ist das eine absolute herrliche Zerreißprobe – für den Helden und den Spieler.

Aufseiten der Overlords sieht die Sache anders aus. Die Raumstation als große Falle präparieren, passt! Den Helden mit Geräuschen und Monstern in die Irre führen? Super! Nur muss man als Overlord aus dem Spiel des Helden mindestens genauso viel Spaß wie aus den eigenen Aktionen ziehen. Sich selbst nicht wichtig nehmen und wissen, dass es für den Spieler einen psychologischen Aspekt besitzt, das hier drei Bösewichte sitzen und nicht einer. Denn nur so fühlt sich der Held wirklich allein. Wer das umsetzen kann, erlebt den besten Dungeon Crawler auf dem Markt.

Info: Das Spiel ist nun bei HeidelBär Games verfügbar.

Alone

-
9.2

AUSSTATTUNG

8.5/10

SPIELIDEE

9.8/10

SPIELSPASS

9.3/10

Kurzfakten

  • Schönes Material
  • Sehr atmosphärisch
  • Frische Licht/Sicht-Mechanik
  • Für den Helden ein mega Spaß
  • Overlords reaktiv

Spielinformationen

  • Genre: Dungeon Crawler
  • Spieler: 2 - 4
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Dauer: 60 - 90 Minuten
Redakteur | Admin | Gründer von Brett & Pad | Website | + Letzte Artikel

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3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Der HeidelBÄR
    17. März 2020 16:43

    AUSSTATTUNG

    10

    SPIELIDEE

    9

    SPIELSPASS

    8

    Die deutsche Version von diesem HeidelBÄR mit Games wäre jetzt da – Alone ist im Handel verfügbar!

    Antworten
  • Ingo Wawrzyn
    19. April 2020 0:00

    AUSSTATTUNG

    9

    SPIELIDEE

    10

    SPIELSPASS

    9

    1. Tolle Seite hier! Habe über Nemesis diese Seite besucht und diverse Rezensionen gelesen. Auch Blood Rage und jetzt Alone. Besitze das Spiel auf deutsch aufgrund einer Kickstarter Aktion. Trotz der umfangreichen Regeln spielt es sich sehr gut und macht extrem viel Spaß. Ideal für 2 Spieler. Der Albtraum Modus beginnt übrigens schon ab der vierten ggf. fünften Runde! Sehr coole Spielidee!

    Antworten
    • Vielen Dank für deinen Kommentar! Schön das dir Alone ebenfalls gefällt. Ich habe aufgrund der Corona-Krise die deutsche Version noch nicht gespielt, bin aber gerade fleißig am Pinseln. Bin schon ziemlich gespannt auf die kleinen feinen Veränderungen.

      Antworten

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