Kurzcheck: Darum geht es in Terraforming Mars Digital
Da die Umsetzung eine komplette Übernahme der analogen Vorlage entspricht, empfehle ich euch an dieser Stelle für den spielerischen Aspekt des Spiels, meine ausführliche Rezension. Wer sich das sparen möchte, ein kurzer Überblick:
In Terraforming Mars übernimmt jeder Spieler einen Konzern der über mehrere Generationen (Spielrunden) den Mars in einen lebensfreundlichen Planeten umwandelt. Dabei wird der Sauerstoffgehalt angereichert, die Atmosphäre erwärmt und Ozeane ausgehoben. Sind alle drei Bereiche maximal ausgebaut, endet das Spiel. Die Spielmechanismen werden dabei über unzählige einzigartige Karten (Projekte) gesteuert, die extrem viele Möglichkeiten zulassen. Man sucht Synergien, ärgert auch mal die Mitspieler und versucht seine Ressourcenproduktion anzukurbeln. Die Siegpunkte am Ende stammen zudem aus unterschiedlichen Spielbereichen, sodass auch hier die strategischen Möglichkeiten groß sind. Bei Board Game Geek rangiert Terraforming Mars auf einem beeindruckenden vierten Platz. Absolut zu Recht, für mich ist es eines der besten Spiele auf dem Markt!
Oberflächliche Begeisterung
Die erste Frage direkt nach dem Starten, wo kann ich die analoge Version entsorgen? Der Blick wandert über ein wunderbares Design: klinisch, aufgeräumt und untermalt von großartiger Science-Fiction Musik. Es verspricht einem, dass nun gleich episches passiert. Dieser erste grandiose visuelle Eindruck bestätigt sich später. Terraforming Mars ist in seiner digitalen Form einen Mars-Sprung hübscher!
Egal ob es um die Besiedelung des Mars geht, den sehr guten und übersichtlichen Menüs, der kompakten Zusammenfassung von Aktionen oder Kartensymbolen, hier haben die Entwickler Luckyhammers richtig gute Arbeit abgeliefert. Auf jeden Fall ist diese Adaption vom reinen Wohlfühlfaktor eine Stufe besser als das digitale Scythe. Kleine Animationen werten die Optik weiter auf und das dynamische Zusammenzählen der Punkte am Ende ist mega spannend gemacht. Bis zu diesem Punkt sind die durchwachsenen Kritiken auf Steam für mich nicht nachvollziehbar.
Patzer im Detail
Allerdings fehlt dann manchmal die allumfassende Übersicht wie bei einem Brettspiel. Ob Bug, eigenes Unvermögen oder gewollt, es war mir manchmal nicht möglich, gerade beim Auswahlprozess neuer Karten am Anfang der Runde, die Spielsituation zu überblicken. Denn die neuen Karten werden mit einem aufpoppenden Fenster über die Spielfläche gelegt und sind nicht minimierbar – zumindest habe ich eine entsprechende Option nicht gefunden. Das ist vor allem dann ärgerlich, wenn eine Karte auf die Marsoberfläche oder auf schon ausgespielte Karten abzielt. Ohne die genaue Situation im Kopf erschließt sich nicht die Stärke mancher Karte. Auch beim Platzieren von Plättchen, ist es nicht möglich, andere Bereiche für Informationen zu aktivieren, wenn einmal die Aktion gestartet wurde. Hier rächt sich dann die aufgeräumte Übersicht, die viele Informationen, zwar gut strukturiert, aber zum Teil auch in Untermenüs versteckt.
Auch eine Funktion um eine Aktion zurückzunehmen fehlt mir. Das dies nicht erlaubt wird, wenn man neue Karten zieht, klar! Aber gerade durch die oben angesprochene Problematik, wäre es schön gewesen, eine einfach Aktion noch einmal rückgängig machen zu können. Dazu gesellen sich leichte Bugs bei Karten, die mit sich selber interagieren, wie Tiere oder Mikroben. Es kann dann leider passieren, dass einem der Bonus nicht gutgeschrieben wird. Letzter Mangel, den ich aber nur schwer nachprüfen kann: Es scheint keinen Ablagestapel zu geben. Zumindest habe ich eine Karte abgeworfen, die sehr schnell von einem anderen Spieler, ausgespielt wurde. Ich kann hier nicht abschätzen, ob der Stapel gerade neu gemischt wurde, oder die Karte so wieder ins Spiel gelangt ist.
Kein Drafting?
Egal ob online gegen menschliche Spieler oder gegen die gute KI, der äußerst beliebte Drafting-Modus ist nicht vorhanden. Aus meiner Sicht der Hauptgrund für schlechte Reviews. Ich spiele analog ausschließlich mit Drafting, mildert es für mich doch die Glückskomponente. Meine erste Partie in der digitalen Welt hat diese Entscheidung wieder untermauert. Ich hatte dermaßen Pech beim Ziehen von Karten, das meine drei KI-Mitspieler mir extrem davon gezogen sind. Keine Aufbaukarten, keine Ressourcen, fast alle Karten von den Bedingungen nur für sehr viel spätere Züge geeignet oder extrem teuer. Man fühlt sich dann einfach machtlos.
Wer den Catan Artikel über KI kennt, wird erkennen, dass hier ähnliche parallelen bestehen. Der Spieler fühlt sich gegen eine KI nur noch viel schneller betrogen. Mit einem Drafting-Modus wäre das Gefühl der Machtlosigkeit, hin zu eigener taktischer Entscheidung verschoben – was dem Spiel guttun würde. Ihr könnt aber aufatmen, auch ohne Drafting kann Terraforming Mars Spaß machen und vor allem wird der Modus schnellstmöglich nachgereicht.
Fazit
Damit ein so gutes Brettspiel wie Terraforming Mars von erfahrenen Entwicklern wie Luckyhammers in die Hose geht, muss schon viel passieren. Terraforming Mars hat für seinen digitalen Auftritt allerdings noch sein feines Jackett übergezogen und erstrahlt in einem grandiosen Glanz. Die Optik des analogen Brettspiels war immer mein persönlicher Fleck auf dem Kritikerhemd. Der ist hier rausgewaschen! Hose und Jackett passen also, nur leider ist die Weste nicht ganz weiß geblieben. Kleinere Bugs trüben den Spielspaß. Der fehlende Draftingmodus wird zum Glück nachgeliefert, weniger verschmerzbar ist die unnötige Sperrung mancher Bereiche, wenn gewisse Aktionen ausgelöst und mir so wichtige Informationen vorenthalten werden. Der spielerische Anspruch von Terraforming Mars ist zu hoch, als dass man auch nur zu irgendeiner Zeit, auf Informationen verzichten kann. Am Ende spreche ich hier trotzdem eine Empfehlung aus und halte die Kritik bei Steam für etwas hart. Denn auch digital übt Terraforming Mars einen enormen Sog aus.
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