Kurzcheck: Darum geht es in Seeders: Exodus
Der Autor Serge Macasdar hat um Seeders: Exodus eine komplett eigenständige Science-Fiction-Welt gesponnen. Es gibt ein optionales Heft, das der Anleitung in Sachen Seitenzahl den Rang abläuft, einzig für die Hintergrundstory. Im Spiel selbst merkt man davon allerdings wenig. Der Auftrag des Spiels und sein mechanischer Aufbau sind fast als trocken zu bezeichnen. Du übernimmst die Rolle eines Baumeisters, weil feindliche Aliens die Heimat aller bedrohen. Die Aufgabe ist es über Karten eine Arche zu bauen. Wer am Spielende nach vier Runden die mächtigste Arche besitzt, gewinnt das Spiel.
Seeders: Exodus hat einen kompakten Rundenablauf. Ihr draftet zuerst Karten für eure Hand. Danach werden 12 Räume auf einer ringförmigen Raumstation zufällig mit Karten gefüllt. Jetzt beginnt die heiße Phase! Ihr schickt von eurem Tableau reihum Unterhändler in die Gänge zwischen (!) die Räume mit Karten. Jeder Unterhändler übt nun Einfluss auf die angrenzenden Karten aus. Sind alle Unterhändler verteilt, schaut ihr, wer am meisten Einfluss auf jede der 12 Karten hat. Klassisches Area-Control! Die gewonnenen Karten kommen zu den gedrafteten Handkarten. Nun spielt ihr diese Karten aus und ergötzt euch an Symbiosen, Siegpunkte-Kaskaden und allerhand Spezialmanövern. Gehen wir nun auf die Kniffe ein, die es in sich haben!
Unterhändler und Farben
Die 12 Räume sind eigentlich ein offener Kartenmarkt wie in jedem anderen Deckbuilder. Durch die Farb- und Einflussmechanik ist es allerdings der interaktivste Markt aller Zeiten. Es gibt in Seeders: Exodus sechs Kasten, repräsentiert durch Farben. Jede Karten gehört zu einer Kaste und auch jeder deiner Unterhändler. Passt die Farbe des Unterhändlers zur Kartenfarbe, bekommst du einen Bonus auf den Einfluss. Das macht den Streit um die Karten ungleich interessanter! Welche Karten brauchst du? Wo liegen Karten mit gleichen Farben so in den Räumen, dass ein passender Unterhändler in den Zwischenräumen mehrfach den Bonus austeilt?
Die Kasten
Die Kasten haben noch eine zweite Funktion. Hier wird das Spiel jetzt unheimlich thematisch, aber auch spielerisch interessant. Jede Kaste steht für einen sehr individuellen Bereich der Gesellschaft und damit auch einer sich abgrenzenden Mechanik. Lilafarbende Karten sind die Theokraten. Sie heuern kostenlos Besatzung an, können diese konvertieren und bauen darüber eine Siegpunkte-Engine auf. Rot ist die Basis. Die Karten allein sind oft schwach, in der Masse multiplizieren sich ihre Fähigkeiten aber enorm. Zudem verbrauchen sie oft weniger Platz – dazu später mehr. Die Ursprünglichen (gelb) sind Politiker. Die Karten geben in der Regel mehr Siegpunkte und können andere Karten wegsperren.
Jede der sechs Farben hat so ihren einzigartigen Reiz! Sie besitzen innerhalb ihrer Farbe mächtige Symbiosen, lassen sich aber auch teilweise außerhalb ihrer Farbe kombinieren. So könnte man über die Basis (rot) schnell an billige Besatzungskarten kommen und sie mit den Priestern (lila) konvertieren. Die blauen Architex hingegen können Karten schützen. Durch die vielen unterschiedlichen Karten, Farben und Symbiosen entsteht so beim Drafting und beim Kampf mit den Unterhändlern um Karten Spannung. Herzklopfen, Hoffnung, Enttäuschungen und wilde Verwünschungen an die Mitspielenden sind an der Tagesordnung.
Wohnräume
Kommen wir zu einer logischen, aber teilweise abartigen Regel. Ich habe nun öfters von Besatzungskarten gesprochen. Wo sollen die in deiner Arche hin? Sicher nicht nackig in die Unendlichkeit des Alls. Darum gibt es Modulkarten. Auch diese haben Fähigkeiten und sind Kasten zugeordnet, können aber bis zu zwei Besatzungskarten jeglicher Kasten aufnehmen. Hast du keine freie Modulkarte, kannst du auch keine Besatzungskarten ausspielen. Bei der Zusammenstellung der Karten musst du also genau das beachten, sonst fliegt dir die Planung gehörig um die Ohren.
Die Kosten sind…
… eine echt fiese Sache! Es gibt in Seeders: Exodus keine klassische Engine für Ressourcen. Jede Karte im Spiel hat stattdessen einen Ressourcen-Wert. Wirfst du die Karte ab, bekommst du die Ressourcen. Mächtige und geile Karten, die du unbedingt in deine Arche ausspielen willst, erwirtschaften dabei natürlich die meisten Ressourcen. Zudem sind viele Karten beim Ausspielen teuer. Autsch! Schätzungsweise wirfst du die Hälfte deiner hart erkämpften Karten für Ressourcen ab. Du bist einfach immer am Hadern. Vielleicht die Fingerkuppen abkleben, sonst hast du keine Fingernägel mehr.
Fiese Fratze
Seeders: Exodus hat eine fiese Fratze und sie trägt das Gesicht deiner Mitspielenden. Ich will unbedingt diese Karte in Raum 3! Meinen besten Unterhändler schicke ich. Überbieten kann mich keiner mehr! Aber einen Gleichstand bekommt meine Frau hin. Sie braucht die Karte aber nicht. Warum macht sie das? Weil bei Gleichstand Karten aus dem Markt entfernt werden. Blutdruck auf 180.
Aber der geht locker auf 255! Seeders: Exodus hat in seinem unfassbaren Symbiosen-Gewitter, wo sich zig Karten untereinander beeinflussen, so viele Elemente, wo andere fette Tränen vergießen. Guck mal Schatz, der Mecha-Optimierer. Beim Ausspielen kann ich damit jetzt eine Modulkarte zerstören. Huch, sind deine Priester jetzt ohne Modul und du kannst sie nicht mehr benutzen? Ich will Martin zudem seinen Verschwörer mit meinem Geheimdienst wegsperren. Mit dem Verschwörer kann der olle Martine nämlich jede Runde Einfluss in den Fluren verschieben. Da zeigt er mir seinen schönsten Mittelfinger. Sein Verschwörer ist im gleichen Modul wie der Senator und der schützt den kriminellen Verschwörer vor dem Gefängnis. Ich rieche Korruption und ein ekelhaftes Grinsen von Martin. Zig Karten geben zudem jede Runde Siegpunkte, auch hier über Symbiosen, aber auch durch Mehrheiten bei Kasten. Ziel ist es solche Mehrheiten bewusst zu zerstören. Friedlich ist Seeders: Exodus zu keiner Zeit!
Nicht ganz perfekt
Ein paar kleine Makel besitzt Seeders: Exodus. Es gibt zwar ein gut angepasstes Spielbrett für zwei Personen, der Spielspaß schwankt trotzdem. Wer Oberwasser hat, behält es oft. Zu viert hingegen kann die Downtime etwas ausufern. Gerade am Ende des Spiels, wenn man den Überblick über alle Karten im Spiel behalten muss und zugleich selbst in seinem aktiven Zug alle Karten hintereinander ausspielt. Eine etwas ungünstige Mischung. Und auch wenn es wirklich viele Karten gibt, können sich auf Dauer gewisse Symbiosen einspielen. Dann fehlt etwas die Frische.
Fazit
Scheidungsanwälte lieben Seeder: Exodus. Leute, dieses Spiel ist brutale Interaktion. Nach interaktivem Drafting, folgt eine Mehrheitenprügelei um Karten, die darin gipfelt, dass man sich möglichst unbeliebt beim Ausspielen dieser Karten macht. Entweder baut man so starke eigene Symbiosen auf, dass die Mitspielenden ihre Kotztüten rausholen oder man bastelt sich ein aggressives Effektgewitter, welches die anderen zur Weißglut treibt. Dazwischen gibt es nicht viele Nuancen. Und genau deshalb liebe ich dieses Spiel! Eine hohe Frusttoleranz gehört allerdings zu Seeder: Exodus wie das schicke Material. Dabei ist es simpel in seiner grundsätzlichen Mechanik und trotzdem vollgepackt mit Entscheidungen. Für mich ein echter Knaller!
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