Lesezeit: 4 Minuten
Cartaventura hatte den ersten Lacher auf seiner Seite, da hatte ich die Schachtel noch nicht einmal geöffnet. In der vor kurzem verarbeiteten Pressemitteilung hatte ich einfach kein Gefühl für die Größe des Spiels. KOSMOS und quadratische Brettspielschachteln? Das ordne ich sofort ein. Dann reißt man voller Vorfreude das Paket auf und findet einen Schachtel-Zwerg. Irgendwie auch logisch, besteht das Spiel aus nur 70 Karten. Es passt so aber wirklich in fast jede Jackentasche. Also ein echter Scheinriese! Betrifft diese Täuschung auch den Spielspaß?

Kurzcheck: Darum geht es bei Cartaventura

Ich bespreche hier aus der Cartaventura-Reihe den Titel Vinland. Grundsätzlich ist das Spielprinzip bei allen Titeln gleich. Sie bestehen aus 70 Karten und erzählen eine Geschichte ohne Regelheft oder komplizierte Mechaniken. Auspacken und losspielen… wobei es eher loslesen heißen muss. Cartaventura ist ein klassisches Choose-Your-Own-Adventure mit viel Text, das sich als Unterbau historische Gegenebenheiten und Persönlichkeiten aussucht und mit Fiktion vermischt. Dafür liegt dem Spiel ein kleines Heftchen bei, das manch historischen Kontext erklärt. Wirkt wie eine nette Dreingabe, ist aus meiner Sicht aber mehr. Man taucht durchaus intensiver ein und besitzt Anhaltspunkte, sich bei Interesse stärker mit dem Thema auseinanderzusetzen.

In Cartaventura: Vinland dreht sich alles um den berühmten Wikinger Erik dem Roten. Die Reise beginnt im Jahre 1000 auf Island, bei dem man um die Unschuld des eigenen Vaters kämpft. Man trifft Entscheidungen, legt neue Karten aus, andere ab und langsam bildet sich aus den Karten nicht nur eine Geschichte, sondern auch eine Reiseroute. Die hübschen Illustrationen begleiten ein langsames Eintauchen in die spannende Geschichte. Es warten fünf verschiedene Enden auf die Erkundung, was zum erneuten Ausprobieren einladen soll. Doch will man das aber überhaupt?

Der Spielstart

Die Einordnung

Ich habe alle fünf Enden erspielt, weil ich einfach neugierig war, wo ich welche Abzweigung anders nehmen kann oder muss. Es ist durchaus so, dass man im ersten Durchlauf viele Karten gar nicht oder je nach Situation nur halb zu sehen bekommt. Mich hat die Geschichte unterhalten und die kleinen Diskussionen mit meiner Frau über das weitere Vorgehen habe ich genossen. Dabei ist das Spiel sehr seicht gehalten. Es bietet keine Rätsel und erfordert auch keine Kombinationen von Gegenständen wie bei den Adventure Games. Hier ist wirklich ausschließlich der Weg das Ziel, und auch wenn sich gewisse Gabelungen bei jedem Durchgang wiederholen, bietet es durchaus unterschiedliche Geschichten an. Anders als in den Adventure Games sieht man eben nicht so oder so alle Orte und Aktionen, sondern erlebt aufgrund der eigenen Entscheidungen eine individuelle Geschichte. Natürlich in Kleinformat und kompakter Spielzeit! Das sorgt aber eben dafür, dass ich hier wirklich mehrere Durchläufe angegangen bin.

Ein kleines Heft erklärt den Hintergrund.

Die Mechanik dahinter?

Die Mechanik ist simpel. Du legst Karten aus, auf denen stehen Aktionen, wenn du Personen oder Orte untersuchen kannst, oder aber die Karten zeigen Landschaften, an denen du in den jeweiligen Himmelsrichtungen weitere Karten anlegst. So könnte an einer Dorf-Karte im Westen eine Händler-Karte angelegt werden. Besuchst du den Händler, ziehst du eine weitere Karte aus dem Nachziehstapel, die auf der Händlerkarte vermerkt ist. Dann heißt es Text lesen und eine Entscheidung treffen. Manchmal brauchst du, um gewisse Pfade einzuschlagen, andere Karten in deinem Vorrat. So oder so ziehst du nun weitere Karten oder drehst ausgelegte Karten um, die wieder neue Aktionen ermöglichen. Die Reihenfolge der besuchten Orte, gefundene Gegenstände oder Segen von Göttern wie Loki ermöglichen dir dann einen Weg durch die Karten.

Mechanisch ist in Vinland ein kleiner Kniff eingestreut. Manch im Spielverlauf umgedrehte Karte wird am Spielende nicht zurückgedreht, andere werden bei Erhalt am Spielende aber genau dieser Drehung unterzogen. Bei einem neuen Durchgang hast du somit einen veränderten Kartenstapel, der dadurch neue Pfade freilegt. Das motiviert! Mechanisch wartet allerdings nicht mehr auf dich. Das muss man wissen, ansonsten könnte das Spiel enttäuschen.

Noch ne Runde?

Fazit

Ich weiß schon jetzt, ich werde dieser neuen Brettspiel-Reihe treu bleiben. Für mich ist Cartaventura gemeinsames Abtauchen in eine spannende Geschichte, auf die man Einfluss nimmt und auch für mehr als einen Durchgang taugt. Das liegt nicht nur an den unterschiedlichen Enden, sondern auch daran, dass sich der Kartenstapel nach Spieldurchgängen verändert. Der historische Bezug ist mehr als ein Deckmäntelchen und im Zusammenspiel mit dem kleinen, beigelegten Heft ein toller Punkt, um sich etwas mehr mit dem Hintergrund der Geschichte zu beschäftigen. Die Mechanik ist sehr simpel, die Anleitung ist ins Spiel integriert und dazu ist es äußerst kompakt. Somit mausert sich das Choose-Your-Own-Adventure zu einem tollen Reisespiel! Wer textlastige Brettspiele mit Fokus auf Story liebt, der kann sich die neue Reihe von KOSMOS auf jeden Fall anschauen. Erwartet mechanisch nur nichts.

Cartaventura
Spielinformationen
Genre: narratives Brettspiel | Personen: 1 - 6 | Alter: ab 12 Jahren | Dauer: 60 Minuten | Autor/in: T. Dupont, A. Ladagnous | Rezensionsexemplar erhalten
SPIELSPASS
7.5
AUSSTATTUNG
7.5
SPIELIDEE
7.5
Positive Aspekte
Historischer Kontext
Gut geschrieben
Viele kleine Entscheidungen
Mehrere Enden
Sehr kompakt
Negative Aspekte
Vor allem Solo oder für 2 Personen
Mechanisch schwach aufgestellt
7.5
Redakteur | Admin | Gründer von Brett & Pad | Website | + Letzte Artikel

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