Biathlon Blast ist auf dem Boden liegend, den harten, kalten Schnee spüren, während einen der Seitenwind frösteln lässt und gleichzeitig das Herz auf maximalen Anschlag pumpt. Hey, ich bin wie ein Berserker den Rundkurs entlanggefetzt, um einen Vorsprung herauszufahren. Klar zeigt einem da der Puls den Mittelfinger. Jetzt trotzdem die Konzentration am Schießstand wahren. Tief einatmen. Die Luft anhalten. Und dann? Schießen? Weiter konzentrieren und den Puls etwas beruhigen? Nein, ich bin Ole Einar Bjørndalen-Fourcade oder so – ich ballere jetzt. BÄM. BÄM. BÄM. Fünf Schüsse. Fünf Treffer? Ich rufe laut „Scheiße“, stehe kurz vor dem Table-Flip und alle anderen jubeln. Was ist hier gerade passiert? Und habe ich den Vorsprung ins Ziel retten können?
Kurzcheck: Biathlon Blast
Biathlon Blast reiht sich ganz klar in eine Riege mit Flamme Rouge und Heat: Pedal to the Medal ein. Das alleine ist schon eine Ansage, gehören doch beide Titel zu dem Kreis der einfachen, thematisch dichten und hoch spannenden und damit besten Wettrennspiele. Auch Biathlon Blast bringt genau diese Attribute auf die Tischplatte und überholt in einigen Elementen sogar die Konkurrenz. Doch zunächst ein kurzer Überblick zu Mechanik und Ablauf. In Biathlon Blast wählt jede Person eine Biathletin oder einen Biathleten aus, der einer Nation entspricht und unterschiedliche Stärken in seinem Deck besitzt, welches du komplett auf die Hand bekommst. Dazu wählen alle ein Ski-Set-up, welches sich durch Sonderfähigkeiten das Wachs unterscheidet und damit unterschiedliche Boni auslösen kann. Hier wird also Asymmetrie direkt fett geschrieben! Ob beim Schießen, am Berg, in der Abfahrt oder vielleicht bei der Pulskontrolle: Du spürst absolut deine Auswahl auf der Piste.

Jetzt geht es genau auf diese Piste! Zeitgleich spielen alle eine Karte verdeckt aus. Herrlich, keine Downtime! Dabei scannen alle vorher mit schweißnasser Stirn die eigene Position, die Positionen anderer und die Streckenbeschaffenheit. Jede Karte besitzt nämlich für die verschiedenen Bereiche der Piste (Bergauf, Gerade, Abfahrt) unterschiedliche Geschwindigkeiten, aber eben auch Pulswerte. Logisch, wer seine Power-Bergauf-Karte spielt, um selbst am steilen Hang den inneren Usain Bolt zu spielen, der darf seinen Pulsmarker zum bitteren Tanz bitten. Ich sage es klar heraus: In Biathlon Blast solltest du das Ende dieser Leiste nicht überschreiten. Nenn es körperliche Aufgabe. Ich nenne es Herzinfarkt auf der Strecke. Da gibt es auch kein Zurück. Du kannst hier ausscheiden. Das sorgt immer für fiese Dilemmata und enorme Spannung. Nun decken alle ihre Karte auf und nach Initiative werden die Karten aka Schritte der Spielfigur, abgewickelt. Gespielte Karten sind weg! Autsch. Erst wenn du alle Karten gespielt hast, bekommst du sie im Normalfall wieder. Planung ist hier also angesagt! Pro Laufrunde, gespielt werden insgesamt zwei bis drei, geht es dann noch zum Schießen. Hier greife ich die Einleitung wieder auf …

Puls am Schießstand
… denn wie im echten Sport, kann sich beim Schießen das Spiel entscheiden. Ich hatte mich, wie in der Einleitung erwähnt, für das Schießen entschieden und nicht für das Ausharren. Denn pro Runde ohne Schießen beruhigt sich zwar der Puls und damit evtl. der Mindestwurfwert, aber in der Zeit hätten alle anderen aufgeholt. Beim Schießen kommen Würfel ins Spiel. Der eigene Puls und die Wahl der Spielfigur bestimmen den Mindestwurf für einen Treffer. Mein Puls war hoch. Das ist gelogen. Er war eher Marke Herzinfarkt. Pumpende Maikäfer waren gar nichts gegen meine Brust. Ich verbrannte sogar einige Karten für meinen erfahrenen Vorsprung. Kurzer Einschub: Jede Karte hat zwei verschiedene Geschwindigkeitskombinationen. Wählt man die oft bessere oder speziellere, wird die Karte komplett aus dem Spiel entfernt. Das ist also ein riskantes Spiel. Kurzum: Mein Puls winkte vom Mount Everest und mein Deck war so schmal, wie meine Bargeldreserven am Ende des Monats. Dafür hatte ich aber eine halbe Runde Vorsprung. Das ist irre viel! Nach diesem Schießen war es zudem nur noch ein Katzensprung bis zum Ziel. Ich roch den Sieg. Er war erwartbar. Oder?

Ich nahm also die farbigen Würfel und veriss mehr oder weniger alles. Ich traf von den 5 Zielen nur 2 und der Seitenwind nahm mir noch einen Treffer. Anders als im echten Sport gibt es weder Zeitstrafen noch Strafrunden, allerdings simuliert ein Kniff diesen Wegfall. Für jeden Treffer darf die Spielfigur im Anschluss zwei Felder weit ziehen. Wer also alle fünf Treffer landet, läuft danach zehn Felder. Das spart Karten und Puls. Meine Story: Ich bewegte mich nur wenige Felder und stand damit vor dem letzten Berg zur Zieleinkunft. An diesem letzten Berg verzweifelte ich. Mein Puls zu hoch für wichtige Karten, andere Karten verbrannt, schnaufte ich mich im Schneckentempo diesen Berg hoch, immer kurz vor dem Herzinfarkt. Mein Ziel war plötzlich nicht mehr das Podium, sondern nicht zu sterben. Ich wurde am Ende Letzter! Brutal. Aber brutal thematisch, denn Biathlon ist eben die Balance zwischen Puls, Schießen und trotzdem zügigem Langlauf finden.
Der Sieger heißt …
Thema, Thema und Thema. Ich liebe es, wenn Brettspiele aufgrund der Begrenztheit Elemente reduziert anbieten, aber im Kern eben trotzdem einen Volltreffer bei der thematischen Umsetzung landen. Beispiele gibt es ohne Ende. Das Gerangel auf der Piste, bei dem Blockaden an der Tagesordnung sind. Die Verlangsamung des Feldes am Berg. Der Windschatten, der dich wieder zu atmen kommen lässt und deinen Puls senkt. Der Wind, der sich je nach gespielten Karten ändern kann und im Gegenwind deinen Puls steigen lässt, bei Seitenwind das Schießen erschwert oder im Rücken dir sogar wieder einen Puls-Boost gibt. Das Gefühl, durch die Asymmetrie, ein Monster am Schießstand zu spielen oder eine Berserkerin am Berg, und die dadurch vollkommen andere Planung des Rennrhythmus. Es ist eine Wucht, wie all diese feinen Nuancen implementiert sind, während die Hauptmechanik nur darin besteht, eine Karte pro Runde zu spielen und gespielte Zahlen abzulaufen. Irre. Biathlon Blast ist wieder eines dieser Brettspiele, die mit Einfachheit, aber passgenauen Elementen eine besondere Magie des Spielens auf den Tisch zaubern.

Interaktion vs. Spielzeit
Biathlon Blast lässt sich zu sechst spielen. Wie immer bei Rennspielen: Durch die Masse an Mitspielenden wird es interaktiver, taktischer, noch unvorhersehbarer und es bildet den Sport an sich auch besser ab. Vor allem die Initiative wird hier zum echt spannenden Faktor. Bin ich spät dran, kann die Strecke vor mir blockiert sein und ich verschwende Bewegungspunkte. Stehe ich aber hinten und der Pulk ackert sich einen Anstieg hoch, könnte zu früh dran sein, auch ein eklatanter Nachteil sein. Denn die Strecke vor mir ist vielleicht bisher nicht freigespielt und mit Pech bleibe ich dann sogar stehen, weil mein Speed am Anstieg nicht zum Überholen reicht.

Allerdings dauert es eben, wenn sechs Menschen am Tisch ihre Karten abwickeln. Wird dann noch von den vier möglichen Strecken eine längere und schwere gewählt, was dem Spiel eigentlich guttun könnte, erlebt vielleicht etwas zu wenig Spiel für die Spielzeit. In solch einem Szenario müssen schon alle sehr viel Lust auf das Spiel haben. Doch aufatmen: Auch zu viert ist das Spiel immer noch eine Wucht, wenn auch durch die nicht modularen Strecken anders als bei Flamme Rouge etwas die Abwechslung fehlt und im Hinblick auf Heat und deren Championsship-Modus der Tiefgang im Deckbuilding. Dafür ist die Asymmetrie von Anfang an höher, was aber ohne Erfahrung auch zu Problemen führen kann. Zumindest war es in unserer Familie öfter Streitpunkt, ob gut gespielt wurde oder das Deck und die gewählten Skier zur Strecke am besten passten. Größter möglicher Knackpunkt: Das Glück beim Schießen und die Veränderung der Werte auf den Würfeln. Denn manche Karten zielen auf diese Werte ab. Hier kann es zu Frust kommen, wenn mein Plan durch Zufall hart durchkreuzt wird.

Fazit
Biathlon Blast ist die Sorte Rennspiel, bei der man nach der Partie nicht weiß, ob man applaudieren, kollabieren oder sich direkt für die nächste Winter-EM anmelden soll. Die Mischung aus Tempohatz, Pulsmanagement und nervenaufreibendem Schießen erzeugt eine thematische Dichte, die man in dieser Leichtigkeit selten findet. Jede Karte kitzelt eine angenehme Entscheidung heraus, jeder Berg birgt das Risiko zurückzubleiben und jeder hektische Schuss kann das Renn-Schicksal beeinflussen. Glück gehört in diesem Spiel definitiv dazu! Das alles verpackt in einem absolut minimalistischen Kern, der mit seiner Balance aus Einfachheit und spielerischer Raffinesse einen dramaturgisch an den Spieltisch fesselt.
Besonders thematisch ist Biathlon Blast ein Volltreffer! Du spürst deinen Puls pochen, deine Ausdauer schwinden, der Wind bläst dir einflussreich um die Ohren, dazu gesellen sich die blockierten Pistenabschnitte im Gerangel der Meute und die asymmetrischen Athlet:innen sorgen für Strategie im Rennrhythmus. Letzteres ist einfach großartig. Nur weil du zwischenzeitlich Letzter bist, heißt das bei der richtigen Strategie gar nichts. Ja, mehr Strecken wären schön und zu sechst kann die Spielzeit etwas zu lang geraten, aber Interaktion, Spannung und Emotionalität am Spieltisch passen trotzdem immer. Am Ende ist Biathlon Blast nicht nur ein tolles Brettspiel, sondern auch ein kleiner Ausflug in die Hölle des Ausdauersports. Also quäle dich mit Spaß am eiskalten Berg!

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