Lesezeit: 4 Minuten
Wie politisch oder moralisch sollen Brettspiele sein? Oder folgen sie einfach dem Beispiel: Let me entertain you.  Diese Frage beschäftigt uns diesen Monat bei #BG2GETHER. Das Format, das Christian von Spielstil initiiert hat, beleuchtet immer wieder neue Aspekte des Brettspielhobbys als Frage des Monats, die wir für euch beantworten und dabei alle TeilnehmerInnen verlinken. Was ich äußerst sympathisch finde: Der Content bleibt bei einem selbst und wird nicht, wie gerne auf YouTube gemacht, bei einem Kanal gesammelt, der dann hauptsächlich die Aufmerksamkeit abgreift. Klickt euch gerne durch die anderen Beiträge und bereichert unsere Statements durch eure Kommentare. Here we go!

Ich will doch einfach nur spielen!
#BG2GETHER September ’25

Gilt bei euch der Grundsatz: Ich will doch einfach nur spielen, oder sollten Brettspiele eine stärkere moralische oder politische Botschaft vermitteln? Oder liegt bei euch der Fokus rein auf Unterhaltung?

Markus

Diese Diskussion in der Bubble bemerke ich aus unterschiedlichen Richtungen, und ich frage mich wirklich: Was soll das? Muss ein Hobby eine Moral, eine Botschaft oder gar eine politische Positionierung haben? Für mich nicht! Ich spiele gerne – als Zeitvertreib, zur Unterhaltung, als soziale Interaktion. Das heißt nicht, dass mich ein Brettspiel nicht thematisch packen kann oder ich mich nicht für ein Weimar oder ein Hegemony begeistern könnte. In solchen Fällen suche ich mir dann mehr Informationen oder setze mich kritisch mit Mombasa auseinander. Dazu bin ich in der Lage.

Ich störe mich eher an diesem Aufgezwungenen, an dieser moralischen Instanz oder an der Überhöhung des Hobbys. [neu] Eine Legitimation brauche ich dafür nicht. Ich bin kein Journalist, sondern schreibe, weil es mir Spaß macht. Im Spiegel sehe ich mich als Blogger, als leidenschaftlichen Spieler, als Fan-Boy, der seine Emotionen transportiert. Dafür brauche ich keine Legitimation. Ich muss nicht zwingend Moral und Politik in Spielen suchen. Mir reicht es, wenn ein Spiel gut ist und das Thema passt.

Ja, Brettspiele sind Kultur. Aber diese ständige Diskussion darüber, was noch alles darin sein sollte … Ist denn ein gesellschaftliches Spiel nicht schon genug? Ganz ehrlich: Der Autor entscheidet im Zusammenspiel mit dem Verlag, was er anbietet. Der Kunde entscheidet, was er kauft.

Ich bin kein moralischer Mensch. Das heißt aber nicht, dass ich keine moralischen Werte habe – ich drücke sie nur nicht anderen auf. Ich bin auch kein politischer Mensch. Ich wähle, ich informiere mich, ich engagiere mich in meinem Bereich. Aber ich rede bei Themen, bei denen mir Hintergrundinformationen fehlen, nicht mit. Da halte ich meinen Mund. Und Brettspiele sind für mich ein Ausgleich. Meine Leidenschaft. Für mich müssen sie nicht politischer oder moralischer sein. Ich kann auch einfach eine Fernsehsendung zur Unterhaltung schauen oder einen Thriller lesen – ganz ohne höhere Botschaft.

Christian

Lorem ipsum dolor sit amet. Zu provokanter Fülltext für eine Frage, die ich hier gerade im letzten halben Jahr mehrfach thematisiert und insbesondere sogar einen Artikel gewidmet habe? Ich bin da etwas müde. Aber nun gut. Zunächst müssen Brettspiele erst einmal gar nichts. Und ich bin auch hier kein Freund von womöglichen Auf- oder Abwertungen, nur weil ein Spiel banal oder besondere Themen beleuchtet. Ein bewusst inszenierter Eskapismus über Brettspiele, die fröhliche, fast infantile Begeisterung für das Spielen an sich, ist absolut legitim. Nein, es ist geradezu großartig. Gibt es Besseres als erwachsene Menschen, die sich jauchzend, mit von Tränen der Freude geküsst und sprücheklopfend Karten bei Ich habe Fertig oder Krasse Kacke um die Ohren hauen? Eben! Lasst uns spielen. Das ist und bleibt elementar.

Allerdings wohnen da zwei Seelen in meiner Brust. Lustigerweise habe ich vor kurzer Zeit auf den Kommentar eines Lesers geantwortet, der Men-Nefer höher bewertet hätte, als ich es tat. Mir persönlich fehlte für eine höhere Bewertung Emotionalität. Vielleicht aber auch ein tieferes Thema. Vermutlich interessiere ich mich für Politik etwas mehr als beispielsweise Markus, was in diesen Tagen nicht immer das Gesündeste ist. Ich interessiere mich für moralische Dilemmata, für historische Kontexte oder gesellschaftliche Herausforderungen. Aktuelle, aber auch in der Vergangenheit liegend. In meinem Brettspielregal schlummern allein aufgrund solcher Themen eine Menge Brettspiele. Von Weimar: Kampf um die Demokratie, über Hochverrat!, Kyoto Protocol, e-Mission, Hannibal & Hamilcar, Friedrich Ebert, Hegemonie, Frostpunk, 13 Tage, Sparta! oder Wir sind das Volk.

Nur eine zufällige Auswahl von Brettspielen, die ich schätze, die mich emotional packen, weil sie mehr bieten als nur das spielerische Vergnügen. Sie sind mehr als ein tolles Thema. Das finde ich überall. Sie bieten mir Raum, mich spielerisch mit Elementen zu beschäftigen, die sonst so nicht aufbereitet werden. Gerade das Spielen ermöglicht einen ganz anderen Zugang. Ein anderes Erlebnis. Und damit nachrangig auch eine andere Diskussion. Darum bin ich absolut dafür, dass Brettspiele mutiger werden und all die vielen spannenden politischen, gesellschaftlichen und historischen möglichen Horizonte erreichen. Denn Brettspiele können mehr als einfach nur spielerischer Eskapismus sein. Und ganz ehrlich, von dieser Art der Brettspiele, die ich wirklich ebenso schätze, gibt es nun haufenweise. Jedes Jahr auf der SPIEL. Darum: Wagt mehr Mut, liebe Verlage!

Weitere Eindrücke aus der #BG2GETHER-Blase:

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23 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Schöne Sicht von euch beiden! Danke für euren Blickwinkel. Auf der einen Seite sehe ich es wie Markus auf der anderen Seite gefällt mir auch Christians Appell mit mehr Mut. Danke euch.

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  • Ich bin da eigentlich völlig schmerzfrei, denn es ist immer nur ein Spiel, Ich hab auch thematisch kein Problem, PUERTO RICO, MOMBASA oder auch SECRET HITLER zu spielen (letzteres hab ich für zartere Gemüter zwar auch gleich mit als Star-Wars- und Harry-Potter-Versionen gebastelt, da ich mich in den beiden Fantasy-Welten aber allenfalls rudimentär auskenne, kann ich bei mich deutlich mehr interessierender realer Geschichte am besten mitreden – und eben auch bluffen. Und was liegt da näher, als den wohl grössten Verbrecher der Geschichte als Bösewicht herzunehmen?).

    Allerdings gibt es wie eigentlich überall im Leben rote Linien: POGROMLY, das die NSU-Terroristen entworfen und an ihre Unterstützer verkauft haben sollen, würde mich nicht zum Mitspielen, sondern wohl zu einer Strafanzeige veranlassen, schlüge es jemand vor.

    Und was mich dann aber doch umtreibt sind Spiele-Blogger, die in der allgemeinen Kriegstüchtigkeitshysterie dann auch noch bei der Besprechung des Familienspiels SkyTeam nach einer Erweiterung bzw. Variante für Militärflugzeuge fragen…

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  • Gordon Shumway
    30. September 2025 18:31

    Ich bin Fraktion „Ich will doch nur spielen!“. Dabei will ich die andere Fraktion nicht ausschließen, denn diese gefällt mir ebenfalls sehr gut. This war of mine ist für mich so ein Spiel. Unglaublich thematisch und man sieht den Krieg von einer anderen Seite. Leider aktueller denn je. Ich bin aber kein Freund davon, wenn man das ganze Genre mit einer Moralblase überziehen möchte und meint, dass das der einzig richtige Weg ist. Bei Brettspielen möchte ich die Bandbreite haben, die auch bei Büchern und Filmen existiert. Und ehrlicherweise kann ich mich in manche historische oder gesellschaftliche Themen besser „eindenken“ als wenn es das X-te Weltraumthema ist. Obwohl…Weltraum geht eigentlich immer. 😉

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    • „This War of Mine“ ist auch so ein Fall, den ich nicht auf den Tisch bekomme; ich habs mir gerade wegen der darin aufkommenden moralischen Dilemmata, die im Spiel aufkommen können und diskutiert werden wollen, zugelegt – aber ich bin kein Solospieler, und irgendwie hab ich noch keinen gefunden, der sich dem Thema näehern wollte. Nun ja, vielleicht werden wir alle bald dazu gezwungen…

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      • Gordon Shumway
        30. September 2025 22:44

        Die moralischen Dilemmata sind schon krass immersiv. Man braucht dazu aber – wie Du auch sagst – den passenden Mitspieler. Dann bleiben die Partien auch noch lange im Gedächtnis. Ich kann mich noch gut an das einzige Mal erinnern, bei dem wir wirklich den Krieg überlebt haben. Da hatten wir Gänsehaut. Genauso gut kann ich mich aber auch an mehrere andere Abende erinnern, bei dem es nicht geklappt hat, und ich weiß auch noch, was jeweils genau passiert ist. Aber das spoiler ich hier nicht. Da hat das Spiel jeweils seine Botschaft abgeliefert und erleben möchte ich das live lieber nicht.

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  • Das Beispiel Mombasa ist ein sehr gutes dafür, was mich an der Übermoralisierung stört. Natürlich war das eine dunkle Zeit…aber das waren die Kriege das alten Rom inkl. Sklaven und griechischen Lehrern auch. Vergangenheit ist Vergangenheit, und besser sich spielerisch damit auseinandersetzen als nur noch generische Skymines-Themen, bei denen man die Ausbeutung in die Zukunft verlagert und somit jede spielerische Beschäftigung mit historischen Themen in politische Polarisierung drückt.

    Genau dasselbe bei einem Zoo-Spiel wie Arche Nova. Ich sehe echte Zoos auch kritisch, aber ich spiele ja ein Brettspiel und keinen echten Zoo.
    Da ist leider auf beiden Seiten dieselbe Ignoranz, und das spiegelt leider genau diese Links/Rechts, Republikaner/Demokraten, Fleischfresser/Veganer, arm/reich, … Polarisierung der heutigen Zeit wieder.
    Warum nicht einfach Fünfe grade sein lassen, gemeinsam auch kritische Themen in Brettspielen spielen, sich dabei miteinander unterhalten und vielleicht entspannt gemeinsam die unterschiedlichen Sichtweisen austauschen? Dann lernen vielleicht alle den anderen besser zu verstehen und die Welt wird ein kleines bisschen besser.

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    • Gordon Shumway
      1. Oktober 2025 21:00

      Du sprichst mir aus der Seele. Gerade bei Mombasa finde ich das neue Thema irgendwie sehr künstlich aufgesetzt. Das liegt garantiert auch daran, dass ich weiß, dass es den Vorgänger dazu gibt. Ohne diesen hätte es mich vermutlich nicht gestört, aber so schon.

      Bei manchen Spielen wird ein Thema daraus gemacht und bei anderen nicht: Zoo-Spiele wie Arche-Nova oder Zooloretto sind ok, bei Star Wars Rebellion als Imperium die Rebellen vernichten und Planeten zerstören ist völlig in Ordnung, bei Anno 1800 Plantagen in der neuen Welt bauen und daraus Baumwolle zu importieren ebenso, Scarface und Der Pate auch, bei Catan die schöne Insel auszubeuten ist bestimmt sehr nachhaltig, die Bauern im Schach zu opfern ist ein Muss (ja, ich übertreibe bewusst), aber bei GWT oder Mombasa wird das Spiel geändert, weil es nicht mehr ok ist. Hm…warum genau?

      Grundsätzlich finde ich es ja gut, dass über bestimmte Themen diskutiert wird, aber künstlich die Historie nachträglich zu verändern, finde ich irgendwie too much.

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      • Ich finde eure Argumentation schwierig. Ich empfinde sie aber auch als verständlich. Und ich verurteile jetzt niemanden, der Mombasa spielt, weil das überhaupt nicht zielführend ist.

        Ich habe mich z.B. in meinem Studium tiefgreifend mit Pädagogik und Bildung im Kontext von Kolonialismus im deutschen Reich vom späten 19.Jahrhundert bis zum ersten Weltkrieg beschäftigt. Wenn man sich sowas antut, dann hat man einen anderen Blick auf solche Dinge, als wenn man aus dem Bauch und seiner Alltagslogik argumentiert. Das soll nicht arrogant klingen, aber ohne das Wissen und die wirkliche Beschäftigung mit dem Thema, hätte ich das auch anders gesehen.

        Zweitens fehlt in eurer Argumentation ein extrem wichtiger Punkt: Die Perspektive von Betroffenheit. Ohme diese sind solche Themen nicht diskutierbar bzw. der kritische Kern nicht wirklich erfahrbar. Ein Secret Hitler hat in Deutschland oder Isreal einen anderen impact als z.B. in den USA. Wir können ohne diese Perspektive der Betroffenheit zwar diskutieren, dass ist dann aber eher weird.

        Und es gibt dann Themen und Hintergründ, die sind so ernsthaft, da ist ein „künstlich die Historie verändern“ oder „eine Übermoralisierung“ aus meiner Sicht als Argument völlig fehl am Platze. Wenn etwas die Historie nicht richtig wieder gibt, dann Mombasa.

        Ich wünschte mir eher, die Menschen würden erst einmal verstehen, warum etwas in der Kritik ist oder Problematisch, bevor es direkt weggewischt wird.

        Übrigens geht es nicht darum, keine Brettspiele mit Ausbeutung anzubieten. Darum ist Skymines auch okay. Es geht um den Kontext, die Frage nach der Notwendigkeit, „exotische“ Themen zu wählen und der Frage nach Betroffenheit.

        Gerade Letzteres kennen wohl viele. Klar bin ich für mehr Parkanlagen, aber wehe vor meiner Tür, dann klage ich, weil mein Parkplatz wegfallen soll. Wer also nicht betroffen ist oder sich mit Themen weniger beschäftigt, der kann leichtfertig Dinge behaupten.

        Ich hatte z.B. eine Partie Mombasa mit Betroffenen und dazu eine weiße Person, die Nachfahren in Namibia besitzt mit großem Landbesitz aus der Kolonialzeit und er dort seine Kindheit verbracht hat. Ich kann euch sagen, Mombasa ist ganz sicher nicht harmlos. Das ist es vielleicht nur für Personen, die Skymines als All bunt und Mombasa als einfachen Afrika-Ableger in grau-braun-gelb sehen. Weil, ist ja nur ein Brettspiel. Brettspiele für die Koloniale Rechtfertigung gabs auch zu Kaisers Zeiten. Erschreckenderweise kann sich die Bildsprache von Mombasa da einfügen. Und wer hat sich mit der deutschen Kolonialzeit beschäftigt? Kennt die Genozide? Warum gab bei der „berühmten“ Schokolade bis vor kurzem noch den „exotischen Kopf“ eines PoCs? Es gibt so viele Beispiele, so viel Prägung, so viel Verwurzelung zu dunkler Vergangenheit, die bis heute unaufbereitet in die Gegenwart strahlen. Wenn ich das für mich aufbereite, wenn ich hier intensiv eintauche und mich damit beschäftige, gerade als Hamburger vielleicht noch mehr, aufgrund des Hafen und den ganzen Gesellschaften aus der Kolonialzeit, dann kann ich Mombasa, so wie es in der Optik etwas verkauft und wie kritiklos es etwas spielerisch verharmlosend zur Schau stellt, nicht gutheißen.

        Trotzdem verurteile ich niemanden, der es spielt. Was ich vorurteile, ist das wegwischen triftiger Argumente für eine Verharmlosung.

        Antworten
        • Gordon Shumway
          2. Oktober 2025 17:43

          Ehrlicherweise ist es nicht meine Intention gewesen, die Thematik zu verharmlosen geschweige denn eine Kolonialzeit zu glorifizieren. Absolut nicht. Mir ging es darum, ob diese dunklen Themen aus den Brettspielen verschwinden müssen und da mache ich ein Fragezeichen dran, ob das wirklich so sein muss. Ist das der richtige Weg, oder wäre es nicht sinnvoller, dass man das Spiel in dem Maße überarbeitet, dass in der Anleitung diese Themen angesprochen und in die Köpfe der Menschen gebracht werden, damit man sich mit diesen Themen bewusst auseinandersetzt. Ich persönlich habe mich nie (bis auf kurz mal in der Schule) mit der deutschen Kolonialzeit beschäftigt und habe ansonsten auch keine Berührungspunkte dazu. Ich hätte es daher begrüßt, wenn eine differenzierte Einordnung dazu bei dem Spiel vorgenommen worden wäre, anstatt „einfach“ das Thema komplett auf Weltraum umzumünzen. Letzteres ist sicherlich der deutlich einfachere Weg und damit eckt man als Autor oder Verlag gewiss nicht an. Ich habe mir ja auch Skymines gekauft als es herauskam und Pegasus wäre medial bestimmt auch nicht gut weggekommen, wenn es eine Neuauflage mit gleichem Thema gegeben hätte. Von daher: Alles richtig gemacht und mein „Schmerz“ aufgrund der Themaänderung ist auch sehr überschaubar. Passt halt einfach nicht mehr in die Zeit.

          Ob meine grundsätzliche Meinung jetzt leichtfertig ist, weil ich nicht betroffen bzw. genug im Thema bin und ich es dann anders sehen würde. Mag durchaus sein. Wissenschaftlich fundiert ist meine Meinung jedenfalls nicht. Da bist Du mir mit Deinem Hintergrundwissen meilenweit voraus. Würde ich ansonsten von dem Thema irgendetwas mitbekommen bzw. hier mitdiskutieren, wenn es Mombasa nicht gegeben hätte? Definitiv nicht. Und das ist es, was ich schade finden würde, wenn manche dunklen Themen für die breite Masse eher verschwinden und dadurch in kollektive Vergessenheit geraten.

          Antworten
          • Diese Themen zu verbannen, davon halte ich gar nicht! Da stimme ich dir absolut zu. Sie müssen aber gut aufbereitet sein und ernste Themen sollten nicht einfach nur ein thematischer Anstrich sein. Und das ist es bei Mombasa eben total.

            Am Ende ist dein Punkt ja auch genau meine Aussage im Artikel. Die Verlage sollten mutig sein. Mutig für schwierige Themen, aber eben dann richtig umgesetzt, weil das ein absoluter Mehrwert wäre.

            Viele Brettspiele besitzen als Thema aber eben nur einen Anstrich. Und wenn das der Fall ist, ist das a) nicht schlimm, aber b) sollte dieser Anstrich eben aus meiner Sicht keine schwierigen Themen herausgreifen.

          • Das Problem ist doch, dass viele Spiele eben konfrontativ sind, und sobald ein Thema reale Konfrontationen aufgreift, können die eben auch für den ein oder anderen auf diese oder jene Art „schwierig“ sein.
            Jedwedes Thema mit Kriegsbezug ist das – jedenfalls für jemals in irgendeiner Form direkt oder indirekt in einen Krieg Involvierte.
            Hast Du während CORONA einen Angehörigen verloren ooder lagst selbst im Beatmungskoma, hast jetzt Long-Covid- oder Post-Vac-Syndrom? Spiel „Pandemie“!
            Oder frag zB mal einen Wohnungslosen, wie er auf „Monopoly“, den Beteiligten an einem bewaffneten Bankraub, womöglich mit Geiselnahme, auf „Der Unterhändler“ oder auch „Escape Plan“, oder das Opfer einer Kunstfälschung auf „Belratti“ blickt.
            Oder auch nur einen ganz geöhnlichen Kunden der Deutschen Bahn auf „Zug um Zug“, „Freie Fahrt“ oder ähnliche Eisenbahnspielchen – für die ist das oft realer alltäglicher bitterer Ernst 😉
            Kolonialismus ist eben ein historischer Fakt, nicht nur „Mombasa“ bedient sich dieses Hintergrunds, das machen auch „Puerto Rico“ oder auch das aktuelle „Kauri“, wenn man es ganz genau nimmt.
            Einfach alles im Weltraum, in Fantasy-Lummerland oder in einer Wiesen- und Waldfauna oder -flora anzusiedeln kann ja auch irgendwie nicht die Lösung sein 😉 Solange nichts problembehaftetes verherrlicht, sondern mit einem Minimum an Sensibilität behandelt wird, sollte das doch in Ordnung sein.

          • Mombasa bedient Kolonialismus? Das ist mir neu. Mombasa behandelt in dem Spiel rein gar nichts, außer sich eine Hülle zu greifen. Genau darum funktioniert es auch im All. Und eine deutsche Kolonialzeit, mit Genoziden wie den absolut grausamen Maji-Maji-Aufstand, der fast beispiellos ist und von Deutschen begangen wurde, mit der Deutschen Bahn und Zug um Zug gleichzusetzen ist für mich nicht aushaltbar.

            Das Problem von Mombasa ist NICHT der Kolonialismus. Es ist der Umgang damit! Alleine das Cover ist an Hohn kaum zu überbieten, weil es eine Idylle zaubert, eine Bildsprache anbietet, die im Vergleich sehr gut zur Propaganda des Deutsches Reichs passt, aber keine historische Realität anbietet.

            Die entscheidende Frage ist: Warum nehme ich so ein heftiges Thema nur für eine plakative Optik, ein Thema, dass viel grausames in die Welt gebracht hat? Dafür gibt es keine Rechtfertigung.

            Wenn ich das Thema darstellen möchte, dann richtig. Niemand verbietet Themen! Es geht um den richtigen Umgang damit.

          • Ich hab Mombasa noch nie gespielt und kenn es auch sonst nicht, es wird nur immer im Zusammenhang mit Kolonialismus im gleichen Atemzug wie Puerto Rico genannt und das hab ich gespielt (und zwar in der alten Auflage). Jenes Cover müsstest Du dann eigentlich auch kritisieren. Und soweit ich weiss gab es doch wegen der Thematik die unschuldige Neuauflage in Zukunft und Weltraum als Skymines.

            Du hast Glück, dass Du mit der Bloggerei recht spät angefangen hast, da konnten Dir einige richtig kritische Spiele erst gar nicht in Deine A-Z-Liste rutschen… aber mal sehen, vielleicht wird ja jetzt Panzerschlacht von MB neu aufgelegt, damit wir alle kriegstüchtig werden – die aktuelle Kriegstreiberei treibt mich ehrlich gesagt mehr um als eine hochstilisierte Moral über Dinge, die man nicht mehr ändern kann!

            Aber fragst Du Dich nicht, wenn Du zB BRASS BIrmimngham spielst (immerhin 9,5 bei Euch; ich habs nie gespielt und werds auch nie spielen), wie elend die damaligen Industriearbeiter leben mussten? Könnte man auch drüber diskutieren.

            BTW, das mit „Zug um Zug“ sollte einfach nur das eine Ende der Bandbreite möglicher „schwieriger Themen“ darstellen, weswegen manch einer bestimmte Titel nicht spielen möchte.

          • Grundsätzlich kann man sich immer in die Nesseln setzen. Das lässt sich nicht vermeiden, weil sich die Gesellschaft und damit gewisse Standpunkte weiterentwickeln. Ich finde es auch überhaupt nicht schlimm, wenn jemand Mombasa eine gute Bewertung gegeben hat. Ich war damals anders und die Gesellschaft ebenso. Die deutsche Kolonialgeschichte ist überhaupt nicht in der Breite der Gesellschaft aufgearbeitet und das beginnt ja jetzt erst. Ich habe noch gelernt, dass Kolumbus ein Entdecker war. Heute sage ich Eroberer. Der hat gar nichts entdeckt. Mein Beispiel dafür ist der Wohnungsbesuch. Wenn ich bei dir in die Wohnung eindringe, dann entdecke ich die auch und danach gehört sie mir. Da kann sich schon gefragt werden, wie man etwas entdecken kann, was jemanden schon gehört.

            Ich habe heute einen anderen Blick. Und mit Brass hast du auf der einen Seite Recht. Aus meiner Sicht würde das Spiel davon profitieren, wenn das Leid der Bevölkerung dargestellt werden würde. Auch hier ist das Thema des Brettspiels stark abstrahiert.

            Der Unterschied ist aber trotzdem zu Mombasa vorhanden. Die Auswirkungen auf marginaliserte Gruppen, auf offenem Rassismus, auf strukturgebenen Alltagsrassismus, der wirkt beim Kolonialismus bis heute nach. Unser Bild von Afrika ist bei vielen Menschen immer noch stark verzerrt. Das hat eine ganz andere Tiefe und Wirkung als z.B. das Elend weißer Arbeiter zur Zeit der Industrialisierung oder Verspätungen der deutschen Bahn.

            Letzter Punkt, mega stark verkürzt, wo sind Menschen, die sich beschweren, die sich betroffen (!) zeigen, von „deiner“ Ausbeutung des weißen Arbeiters in der Industrialisierung? Ich denke, die gibt es nicht. Umgekehrt gibt es aber eben bis heute aufgrund der ganzen Scheiße des Kolonialismus unzählige strukturelle und gesellschaftliche Probleme UND viele Menschen, die auch heute durch diese Auswirkungen noch davon betroffen sind.

          • @ Christian:
            „…wo sind Menschen, die sich beschweren, die sich betroffen (!) zeigen, von „deiner“ Ausbeutung des weißen Arbeiters in der Industrialisierung?“

            Ja, wo sind sie, die die Ausbeutung osteuropäischer Niedriglöhner in Westeuropa und vor allem auch Deutschland kritisieren – und die damit einhergehende Lohndrückerei im Westen?
            M .E. gehören diese Themen aber erst mal in die Gesellschaft und nicht auf den Spieltisch – eben weil sie auf letzterem immer nur „mega stark verkürzt“ werden könnten und Menschen ja eben idR deshalb spielen, um mal aus ihrem Alltag aussteigen zu können.

          • Wir waren bei Brass …

            … und Mombasa. Ich verstehe irgendwie deine Verallgemeinerung nicht oder diese Schaffung von Vergleichbarkeit. Ich habe dazu jetzt auch genug gesagt. Wer sich ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen möchte, kann das an vielen Stellen tun. Alles andere ist nicht zielführend und ich bin hier Blogger und nicht Bildungsbeauftragter für koloniale Themen. Würde auch nichts nützen, weil das ernsthafte Interesse in einem selbst wachsen muss.

            Allerdings braucht niemand für seinen Eskapismus ein Brettspiel wie Mombasa.

          • Wer hat denn das Thema gestartet? Und wozu dann eigentlich?
            Danke fürs Gespräch!

          • Die Frage war, ob Brettspiele politischer werden sollten. Die Frage kam von Christian, Spielstil.

            Ich habe ja schon in meinem Teil des Artikel eine gewisse Unlust über das Thema dargestellt. Und sich uber das Thema der Frage unterhalten oder ganz explizit über Rassismus, Kolonialismus und problematische Bildsprache in Mombasa ist noch einmal eine andere Sache. Empfinde ich zumindest so.

    • Es gibt ja auch ein recht aktuelles Beispiel, wo ein Autor jahrelang einen Verlag gesucht und keinen gefunden habe, weil er als Thema den Handel mit Federn im Indianer-Kontext (ja, ich weiss, sagt man heute nicht mehr, aber es ging halt mW um die Region Nordamerika und „indigen“ umfasst soviel mehr als das) gewählt hatte. Erst als ein Verlag vorgeschlagen habe, die Thematik von der Erde ins Weltall zu verlegen und aus den Federn andere Handelswaren zu machen, fand OBSCURIANS wohl seinen Weg in die Öffentlichkeit.

      Die Autoren beendeten die Danksagung zum Abschluss der Anleitung mit den Worten „…auch wenn unser Spiel im wahrsten Sinne des Wortes Federn lassen musste“. Humor ist, wenn man trotzdem lacht 😉

      Antworten
  • Gordon Shumway
    1. Oktober 2025 21:12

    Einen überaus spannenden Artikel zu dem ganzen Thema findet Ihr übrigens hier unten. Da verpackt eine Künstlerin bewusst überaus kritische Themen in Brettspiele. Ehrlicherweise hätte ich bei diesen Spielen auch keinen „Spaß“ an sich. Zur bewussten Auseinandersetzung inklusive der Nachbearbeitung und Diskussion aber bestimmt geeignet. Das bleibt garantiert im Kopf hängen.

    https://kulturgutspiel.de/politik-und-gesellschaft/judenvernichtung-als-brettspiel/

    Antworten
  • Denny Crane
    3. Oktober 2025 12:59

    Ich positioniere mich ganz klar bei der Fraktion „unterhalten werden“. Gerade nach einem räudigen Tag tut es einfach gut Spiele zu spielen, die mich das echte Leben ausblenden lassen.
    Das geht bei uns in der Gruppe sogar soweit, das wir aufgrund der ganzen täglichen Meldungen zunehmend weniger direkt konfrontative spielen. Wir spielen schon um das Gewinnen, aber tatsächlich diese 90min in einer Brettspiel-Bubble sind die eigentlich wichtigen Ziele für uns.

    Antworten
    • Fühle ich total! Ich spiele zurzeit wahnsinnig gerne kooperative Brettspiele oder welche, die mir weniger harte Mechanik um die Nase ballern, sondern eher cineastische und immersive Momente, wo es auch kompetitiv oder semi-kooperativ zugehen darf. Hier kann ich besser abschalten und einen launigen Abend mit Menschen erleben.

      (Wobei ich, wie gesagt, eben auch ab und an andere Erfahrungen erfrischend finde).

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