Lesezeit: 6 Minuten
Ich habe Leichen im Keller Schrank. Brettspielleichen, die mit Begeisterung gekauft wurden. Nicht nur wegen erhoffter spannender Partien, sondern weil ich natürlich diese Spiele auf Brett & Pad verewigen wollte. Brettspiele mit besonderem Potenzial oder einfach bekannte und dicke Bretter. Kennt ihr das aber, wenn so ein Brettspiel, das viel versprach, am Ende irgendwie völlig belanglos wird? Es taugt nicht einmal zum Aufregen. Es ist nämlich nicht schlecht. Andererseits schlummert da manchmal etwas anderes unter der Oberfläche, welches dieses Spiel in Vergessenheit geraten lässt. Es kommt nicht mehr auf den Tisch. Als Blogger, der oft Brettspieltitel direkt im Blog als Entwurf anlegt, schieben sich diese Anlagen von Monat zu Monat. Von Jahr zu Jahr. Die Leichen im Schrank werden zu Leichen im Blog. Zeit auszumisten und euch mitzuteilen, was denn da nun herausgeflogen ist, obwohl ich felsenfest überzeugt war, darüber zu schreiben.

Vergessene Bretter

Clash of Cultures

Ich weiß noch, als wäre es gestern geschehen. Im Urlaub erreichte mich die Pressemitteilung, dass nun Clash of Cultures in einer famosen Neuauflage bei Frostes Games veröffentlicht werden sollte. Ich vergöttere Civ-Spiele. Ich sah die riesige Materialschlacht. Es dauerte keine 5 Sekunden und ich lag speichelnd am Boden, während mein Daumen unkontrolliert sich durch die Vorbestellung fräste. Die Realität sah dann anders aus. Erst hohe Begeisterung über das Material. Ich habe heute noch unzählige Fotos in der Cloud. Ebenso feierte ich den Kniff mit den dynamischen Barbaren. Nach drei Partien war das Feuer aber völlig erkaltet. Die vielen unzähligen Technologien waren irgendwie gefangen zwischen Pflicht und viel zu situativ. Sie wirkten auf mich im Vergleich zu anderen Spielen des Genres fast überkonstruiert. Dazu waren die Barbaren zwar dynamisch unterwegs, aber irgendwie auch zahnlos. Letzter Punkt: Das „Clash“ wird hundertmal größer als das „Cultures“ geschrieben. Selten hat mich ein Civ-Spiel so schnell emotional verlassen. Entsprechend verschimmelte auch die Rezension.

Fakten zum Spiel
Personen: 2 – 4
Dauer: 180 – 240 min
Alter: ab 14 Jahren
Mögliche Wertungsregion: 7 – 7.5

Gates of Mara

Ein wahrhaftes Corona-Opfer. Die Idee des Spiels mit der Mischung aus Area-Control, Asymmetrie, Worker-Placement und einer umfangreichen Entwicklung der Worker ist selbst heute noch vielversprechend. Es langte aber nur zu einer einzigen Partie. Danach stand das Spiel nur herum und wurde zu einem verstaubten, alten Teil aus einer Zeit, in der wir alle andere Sorgen hatten. Dazu gesellten sich viel englischer Text, nicht ganz so schickes Material aus eher grober Pappe, was insbesondere bei den Standees uncharmant war und eine etwas zu hohe Spielzeit. Aufgrund seiner Unbekanntheit und spielerischer Reize wollte ich es eigentlich immer vorstellen. Aber machen wir uns nichts vor, es sind 5 Jahre vergangen und ich habe nicht ein Wort in den Entwurf geschrieben. Zeit, dieses Spiel zu vergessen.

Fakten zum Spiel
Verlag: WizKids (I)
Illustration: Nastya Lehn
Personen: 2 – 4
Dauer: 90 – 120 min
Alter: ab 14 Jahren
Mögliche Wertungsregion: 6 – 8

Brazil Imperial

Scythe in leicht anders. Das trifft es wohl. Kurz und knackig, spielerisch durchaus interessant. Vor allem aber war ich neugierig, weil dieses Spiel die brasilianische Geschichte aufgriff und selbst aus Brasilien kam. Also kein eurozentristischer Blick auf eine verklärte romantische Epoche in einem "exotischen" Land. Das waren meine Hoffnungen. Das war meine Neugierde. Nun kam eins zum anderen. Ich selbst wunderte mich, dass die Fraktion des indigenen brasilianischen Volks mechanisch ebenso auf Ausbeutung setzte, wie alle anderen Fraktionen. Hätten hier Ziele und Mechanik nicht anders implementiert sein müssen? Und dann ging das Feuerwerk bei BGG im Forum los, bei dem die politische Gesinnung des Autors beleuchtet wurde, weitere Problematiken des Spiels auch von Menschen aus Brasilien aufgezeigt wurden und der Autor des Spiels in Diskussionen keine gute Figur abgab. Ich hatte dann einfach keine Lust mehr auf dieses Spiel. Noch weniger wollte ich darüber schreiben.

Fakten zum Spiel
Autor: Zé Mendes
Verlag: Giant Roc
Illustration: Adalberto Junio et. al.
Personen: 1 – 4
Dauer: 100 min
Alter: ab 14 Jahren
Mögliche Wertungsregion: 5 – 7

Skymines

Wundervolles Brettspiel und aus meiner Sicht sogar besser als Mombasa. Damit meine ich nicht einmal die wichtige thematische Veränderung, sondern auch die spielerischen. Es mögen stellenweise nur Nuancen sein, ich mag sie aber sehr. Vor allem auch das zweite Spielbrett ist ein echter Gewinn. Mein Problem: Ich habe Mombasa rezensiert und es war sehr lange eines meiner absoluten Lieblings-Euros. Die Kartenmechanik im Spiel ist nach wie vor ein genialer Brainburner. Skymines ist damit ein absoluter Pflichttitel in jedem Regal. Hey, ich habe mir sogar Metallmünzen gegönnt! Nur verspürte ich wenig Lust, über spielerische Nuancen zu schreiben. Ich hatte mich emotional schon bei Mombasa ausgeschrieben. Ich brauche aber Emotionen, um eine Rezension zu schreiben, denn ansonsten wird es ein reiner Schreibauftrag. Eine Pflichtaufgabe. Entsprechend schläft der nicht veröffentlichte Blog-Eintrag seit dem 25.02.2023. Trotzdem an dieser Stelle eine absolute Kaufempfehlung!

Fakten zum Spiel
Personen: 1 – 4
Dauer: 75 – 150 min
Alter: ab 12 Jahren
Mögliche Wertungsregion: 9 – 9.5

Assassin’s Creed

Tragisch! Und es nervt mich ungemein. Assassin’s Creed wurde mir geschenkt und was war ich dankbar. Ich hatte zu zweit mit meiner Frau auch enormen Spaß. Für mich bis dato die beste Schleichmechanik in einem Spiel. Wir spielten uns mit hoher Intensität ein, entwickelten unsere Charaktere, und schalteten durch Briefumschläge neue Regeln frei. Lass mich raten, wir haben sicher 75 % der Kampagne durch. Dann kam ein kleiner Bruch in unserer Spielroutine. Andere Neuheiten, Brettspiele, die ich besprechen wollte. Meine Frau und ich schworen uns aber, Assassin’s Creed weiterzuspielen. Mit jeder Woche wuchs die Gewissheit, dass eine neue Einarbeitung erforderlich wäre, auch aufgrund der vielen dazugekommenen Regeln. Wir schwören noch heute, dass wir das weiterspielen. Nur schreiben kann ich darüber eben nicht mehr, weil die Erfahrung zu weit zurückliegt. Ätzend. Somit ist Assassin’s Creed ein Opfer der Neuheitenflut.

Fakten zum Spiel
Verlag: Triton Noir
Illustration: ann&seb et. al.
Personen: 1 – 4
Dauer: 30 – 90 min
Alter: ab 12 Jahren
Mögliche Wertungsregion: 8 – 9

La Famiglia

Nein, hier liegt es nicht am kontroversen Thema, welches vor wenigen Monaten in Italien und der Presse für Aufsehen erregte. Ich hatte nämlich einen Heidenspaß an diesem Titel. Aufgrund dessen, dass La Famiglia ein 2 vs. 2 ist und höchst konfrontativ, wollte ich die Partien mit der gleichen Gruppe spielen. Das gelang auch. Intensive Partien, hochgradig emotional. Die Fallhöhe beim Pokern in der Kampfphase ist enorm, die strategischen Entscheidungen im Team abnormal wichtig. Dazu sind die Mechaniken frisch. Auch hier hat das Leben eines Bloggers für den Kill gesorgt. Es war enorm aufwendig, diese Gruppe zu organisieren. Hätte ich Zeit gehabt, direkt über die Erfahrung zu schreiben, wäre wohl eine tolle Rezension entstanden. Leider fiel dieses Spiel in eine Phase, in der andere, dringendere und nicht weniger coole Spiele besprochen werden wollten. Quintessenz: Als ich Zeit für La Famiglia hatte, war das Spielgefühl zu sehr vernebelt.

Fakten zum Spiel
Personen: 4
Dauer: 120 – 180 min
Alter: ab 16 Jahren
Mögliche Wertungsregion: 8 – 9

Virtù

Virtù ist ein gutes Brettspiel. Es ist vielleicht etwas sperrig. Es ist auch ein klein wenig brainburnig. Ich empfinde das als frisch. Es sieht so klein und unscheinbar aus, aber das Planungsgewitter mit den Karten war großartig. Wenn ihr mich jetzt aber fragen würdet, was mich an den Details erfreut hat, müsste ich passen. Ich habe dieses Spiel nur schleppend auf den Tisch bekommen. Aufforderungscharakter besitzt es für meine Spielgruppe bedauerlicherweise gar nicht. Die Ersterfahrungen haben nicht für eine Rezension gereicht. Die verblasste Ersterfahrung taugt nun nicht einmal mehr für einen gescheiten Absatz. Es wäre ein kompletter Neueinstieg nötig. Nur mit wem und wann? Adieu Rezension! Mir bleibt nur zu sagen, dass dieses Spiel enorm unterschätzt ist.

Fakten zum Spiel
Personen: 4
Dauer: 120 – 180 min
Alter: ab 16 Jahren
Mögliche Wertungsregion: 7.5 – 8.5

Und ihr so?

Diese Auflistung zeigt am Ende wunderbar, wie Spielgruppen und Ballung von Brettspielen durch Neuheitenfluten manchmal dafür sorgen, dass selbst beliebte Brettspiele irgendwie untergehen. Manchmal ist die Spielerfahrung aber so weit unter den Erwartungen und dabei gleichzeitig banal, dass die Lust am Schreiben nicht geweckt wird. Habt ihr eigentlich auch Leichen im Schrank?

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7 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Dieser kurze Abriss gefällt mir super.
    Skymines, grandios! Zweimal gespielt, seit dem unter „muss unbedingt wieder gespielt werden“. Auch ich besitze die Metallmünzen, ein Geschenk vom Verlagschef, was ich sehr schätze! Meine Partnerin sagt: zeig mir das Spiel, wenn du es sicher beherrscht. Ein Dilemma. Jetzt ist es so lange her, dass es immer unwahrscheinlicher wird. Aber der Text hier ist ein Anstoß. Bald, ganz bald …

    Gates of Mara, gesehen und gedacht: perfekt für den Freund mit dem ich aufgewachsen und die Liebe zum Spiel gemeinsam entdeckt habe. Seine Tochter heißt Mara. Dann gingen die Ratings runter bei BGG. Also doch nie gekauft. Irgendwann?

    Antworten
    • Mir gefällt der Abriss gar nicht, weil ich so gerne über diese Spiele geschrieben hätte. 😀 Es gibt einfach zu viele Brettspiele. Der große Witz ist ja eigentlich, dass ich mit der Intention vor 10 Jahren gestartet bin, alle meine Brettspiele im Regal zu rezensieren. Davon bin ich jetzt weiter entfernt als beim Start des Blogs

      Antworten
      • Es gibt von allem zu viel. Um uns zu orientieren brauchen wir Kuratoren, wie dich, und manchmal kuratiert eben das Leben 😉

        Antworten
  • La Famiglia hatte mich zuerst interessiert, weil ich dachte, es wäre mal was völlig anderes – bis sich herausstellte, dass es im Grunde auch nur ein weiteres Workerplacementspiel sein soll… und da war es mir für eine Anschaffung zu teuer. Mitspielen würde ich es ja mal (guter Erklärer vorausgesetzt), ich habs aber noch nirgends auf einem Tisch gesehen.

    Antworten
    • Weiteres „Worker-Placement“ ist zwar objektiv richtig, aber ganz ehrlich, das Worker-Placement ist sehr einzigartig. Es erfordert nämlich immer ein Vordenken, weil die Position des Arbeiters (Scheibe) nicht nur die Aktion der Gegenwart bestimmt. Das ist schon sehr tricky und motivierend. Und dazu kommt dann der Kampf, die vielen Elemente des Bluffen und das allgemein ganz viel hinter Sichtschitmen hantiert wird. Also nein, mein Bauchgefühl schreit da hart auf, wenn La Famiglia als „weiteres Worker-Placement“ betitelt wird. Es gibt sicher viele Brettspiele, wo das zutrifft, aber hier ist einfach ein so spezielles Spielgefühl verpackt, eine so coole Vermengung von Mechanik, das ist wirklich cool.

      Das Problem liegt an anderer Stelle begraben. Eine Erstpartie reicht nicht! Dafür spielt es sich zu anders. Du brauchst also mehrere Partien. Dazu spielt es sich eben im Team. Das heißt: Du brauchst vier Leute, die sich in einem kurzen Zeitfenster in dieses Spiel einarbeiten. Das ist halt meine Problem gewesen.

      Antworten
      • „Das heißt: Du brauchst vier Leute, die sich in einem kurzen Zeitfenster in dieses Spiel einarbeiten. Das ist halt meine Problem gewesen.“

        Das wird auch mein Problem sein… aber danke für die Einordnung.
        Ich stecke nämlich gerade hinsichtlich Einarbeitung an dieser Stelle bei ESCAPE PLAN fest, wobei wir uns das erst mal zu zweit (und mit Dummy Sandra) erschliessen wollten 😉

        Antworten
  • Gordon Shumway
    30. September 2025 12:20

    Mal wieder eine super Kategorie, die man nicht alltäglich sieht. Gefällt mir. Mit einem etwas mulmigen Gefühl habe ich auf den Artikel geklickt. Wohlwissend, dass in meinem Schrank auch ein paar vergessene Schätze liegen, die teilweise seit mehreren Jahren um meine Gunst der Zuneigung kämpfen……jedenfalls hoffe ich das. Vielleicht haben manche von denen den Kampf auch schon aufgegeben und vegetieren nur noch so vor sich hin. Asche über mein Haupt.

    Bei Clash of Cultures ergeht es mir ähnlich. Ich war auf der Suche nach einem richtig guten Civ-Spiel, welches die 90er PC Zeit so richtig schön einfängt. Dabei kam kurz nach Erscheinen dann CoC in mein Regal. Ebenso wie das 2010er Civilization inkl. der beiden Erweiterungen, welches ich günstig im Netz ergattern konnte. Und Through the ages liegt hier auch noch herum. Etwas später hatte ich dann Era of Tribes auf dem Tisch und seitdem bin ich echt skeptisch, ob die drei meinem EoT das Wasser reichen können. Für mich persönlich vermutlich nicht. Dafür ist EoT einfach zu gut. Aber ausprobieren „muss“ ich das ja schon nochmal. Sonst weiß ich ja gar nicht, dass es wirklich so ist. Aber soll ich dafür kostbare Spielzeit für hergeben, nur um etwas zu spielen, von dem ich die Vermutung habe, dass es eh nicht so gut sein wird wie EoT? Nur damit ich Gewissheit habe? Hm….ich hadere nach wie vor und der All-In von EoT mit der Erweiterung wird die Sache gewiss nicht leichter machen…

    La Famiglia und Skymines liegen übrigens ebenso noch ungespielt bei mir im Schrank. Ach menno…

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