
Kurzcheck: Darum geht es in Star Trek: Away Missions
Überraschung: Es geht nicht um die unendlichen Weiten. Vielleicht macht auch genau das Star Trek: Away Missions so besonders, weil es mit den Erwartungen bricht. Spielerisches Zentrum sind die Außeneinsätze auf den Fluren von Raumschiffen. In der Grundbox trifft ein Team der Föderation um Riker auf die Borg, angeführt von Locutus. Trekkies wissen, hier geht es thematisch um die Schlacht von Wolf 359. Star Trek: Away Mission funktioniert aber auch ohne dieses Hintergrundwissen. Der erste Blick suggeriert einen klassischen Skirmisher: Würfel, verschiedene Charaktere, zwei feindliche Fraktionen, individuelle Angriffs- und Bewegungswerte und ein modularer Spielplan in Form eines Föderationsschiffes oder Borg-Kubus. Ziel: Fratzengeballer.
Als grenzdebiler Klingone könnte das Spiel so auch gespielt werden. Gewonnen wird aber nicht über den Blutrausch, sondern über Siegpunkte durch Missionskarten aus dem persönlichen Fraktionsdeck. Auch werden nur drei Runden gespielt, was impliziert, dass jede Figur im Normalfall nur dreimal aktiviert. Das klingt nach Eurogame und harter Optimierung. Andererseits, sind da nicht ähnliche Konzepte auf dem Markt? Ich denke da beispielsweise an Warhammer Underworlds. Auflösung: Star Trek: Away Missions ist anders. Also machen wir es wie die beste Crew der Enterprise – für mich natürlich Kirk & Co – und erforschen diese Andersartigkeit!

Kurzer Mechanikrush
Ich überspringe nun großzügig mechanische Details, denn die Grundkomponenten sind bei Skirmishern ähnlich gelagert und finden sich entsprechend auch hier. Abwechselnd zieht man seine Figuren anhand der Bewegungsreichweite über das Spielfeld, es gibt Sichtlinien zu prüfen, natürlich kannst du kämpfen, Lebenspunkte verlieren oder Gegenstände aus deinem Kartendeck für etwaige Unterstützung bei Aktionen verwenden. Nettes Detail, stehen befreundete Figuren auf dem gleichen Feld, geben sie sich ganz im Sinne von Star Trek einen Bonus. Teamarbeit wird belohnt und fördert das taktische Vorgehen. Gekämpft wird über vergleichende Würfelproben. Ganz ehrlich, das ist alles grundsolide und fast simpel. Dich erwartet hier kein komplexes Grundgerüst. Mit Warpgeschwindigkeit kannst du also in die Welt der Skirmisher einsteigen.

Unendliche Andersartigkeit
Indessen ist der Clou ein verschränktes Zweierlei. Zuerst ist da der harte Eurogamer-Kern. Schnappe ich mir etwa die Föderation um Riker im Grundspiel, wähle ich vor Spielbeginn aus zwei Hauptzielen eines aus: Sektor 01 schützen oder das Schiff reparieren. Dies verändert von Anfang an mein Vorgehen massiv, weil ich wichtige Bonuspunkte für den Spielsieg anders erhalte. Will ich das Schiff reparieren, muss ich innerhalb der drei Runden mindestens 5 Reparieren-Missionen aus meinem Missionsdeck erfüllen. Dafür müsste ich z.B. den Hauptdeflektor reparieren, was nur mit einem Charakter mit Engeneering-Skill an einem Operation-Terminal funktioniert. Bei erfolgreichem Skill-Test dürfte ich dann die Mission aus meiner Hand ablegen. Mit wem also dorthin? Die Zeit ist knapp! Während der Partie kann ich zum Anfang jeder Runde auf 5 neue Missionskarten nachziehen und so über die Runden hinweg an meinen Zielen individuell arbeiten. Oder auch mein Vorgehen verändern. Vor dem Spiel betreibe ich sogar Deckbuilding über das, was überhaupt in meinem Missionsdeck schlummern soll. Auch andere Missionen abseits des gewählten Hauptziels sind lukrativ. Vielleicht auf der Brücke einen komplexen Skill-Test mit zwei Charakteren bestehen, um Antimaterie auszustoßen? 30 Siegpunkte! Und doch eine Kampf-Mission ins Deck bauen, selbst wenn das Hauptziel nicht Sektor 01 schützen ist?

Deckbuildung vor dem Spiel, das Spiel mit dem Missionsdeck während der Partie plus deren Umsetzung mit den eigenen Charakteren, bei gleichzeitiger möglicher Konfrontation mit gegnerischen Figuren, ihren Zielen und der allgemein knapp bemessenen Aktionsanzahl machen den Reiz aus. Je nach Spielenden, ihren Fraktionen und Entscheidungen wandelt sich so Star Trek: Away Missions immer wieder. Von sehr euroartigem, fast solitärem, nebeneinanderher absolvierter Missionsoptimierungen bis hin zu beinhart geführten Gemetzel in Korridoren ist alles möglich. Doch Obacht, Gemetzel lohnt sich oft nur dann, wenn der Gegner hart ausgebremst wird oder eine passende kriegerische Missionskarte auf der Hand ist. Es dreht sich am Ende um den Einklang aus Effektivität und persönlicher Agenda. Wer grundsätzlich dem anderen das Gesicht durchs Warpgitter drücken will, ist hier hart fehl am Platz!

Gerangel und Earl Grey
Björn spielt die Föderation, aber nicht Rikers Team, sondern Kirk, Spock & Pille. Übrigens, eine grandiose Erweiterung! Ich spiele die Romulaner und infiltriere schleichend die Enterprise. Das ist aber zweitrangig. Ich beömmel mich über die thematische Einbettung von Kirk. Der Typ hampelt als Captain nämlich wie in Film & Fernsehen ungern auf dem Schiff herum, sondern beamt sich ständig aus dem Spiel. Kein Witz! Die Figur wird für Missionen vom Spielfeld genommen und auf spezielle Außenmissionskarten gestellt, wo er eigene Skillchecks bestehen muss. Natürlich fehlt auch seine absolut legendäre Gerangel-Szene mit den Gorn nicht. Kirks besondere Fähigkeit? Natürlich Judo. Star Trek: Away Missions entwickelt sich aufgrund anderer Teams und Decks völlig anders, thematisch aber immer richtig und voller Liebe fürs Detail.

Ein paar Tage später überfallen meine Klingonen ein episches Föderationsraumschiff. Jetzt will ich ehrenhafte Tode sterben! So muss ich erst über Missionskarten im Kampf ganz bestimmte Erfolge erzielen, damit der Kampf und damit meine Krieger Ehre erhalten und danach müssen sie am besten auch noch sterben. Martin hingegen schlürft mit Picard über das Ausrüstungsdeck seinen Earl Grey und versucht meine Klingonen mit Phasern, natürlich auf Betäubung gestellt, aufzuhalten, während er selbst seine ganz eigenen Missionen erfüllt. Star Trek: Away Missions bannt nicht nur visuell bekannte Szenen aus den vielen Serien auf Karten und Spielmaterial, es schneidert thematisch damit die schönste Offiziersgarderobe.

Knapp ist mein Name
Trotz der verschiedenen Teams und ihrer strategischen Ausrichtungen waren die Partien nach Siegpunkten immer denkbar knapp. Die Spannung ist somit immer greifbar! Mein berserkendes Klingonen-Team, welches den Kampf suchte und Martins zarte Förderationsmitglieder zu Hack verarbeitete, verlor am Ende trotzdem knapp. Martin hatte in der Zeit seiner Abwehrschlacht einfach passgenau und mit letztem Willen genügend seiner eher friedlichen Missionen erfüllt. Ich empfinde das als beeindruckend, wenn in einem Skirmisher, die sonst oft nur über den Kampf kommen, so unterschiedliches Vorgehen am Ende doch gebalanced ist.

Schwarzes Loch
Scottie kann die Gesetze der Physik nicht ändern und ich nicht die der Erweiterungspolitik. Das Grundspiel ist cool, keine Frage! Die Borg sind sehr interessant zu spielen, weil deren Figuren als eins gelten. Es ist eben ein Kollektiv, auch hier wieder wunderbar thematisch. Dazu kann durch das Deckbuilding jede Fraktion verschiedenen gespielt werden. Am Ende willst du aber eben auch Picard, Kirk & Co mit ihren Teams für die Abwechslung und das Bad in der Thematik besitzen. Da wird das Geld ohne Wiederkehr schnell weggebeamt. Das Grundspiel alleine schneidet entsprechend schlechter ab. Weiter würde ich es begrüßen, wenn der Verlag Gale Force Nine weitere Fraktionen und alternative Spielpläne entwickeln würde, damit die Abwechslung weiter steigt. Melkt mich, verdammt noch einmal! Größtes Manko für Fans, die verkauften Teams sind kaum mischbar, selbst wenn sie der gleichen Fraktion angehören. Das ist schade, denn so können die ikonischen Teams aus den Serien nicht gänzlich gespielt werden, weil deren Zugpferde auf verschiedene Boxen ergo Teams aufgeteilt wurden.

Fazit
Wer in Star Trek: Away Missions einen Skirmisher klassischer Machart erwartet, wird hart enttäuscht. Das „Eurogame“ hat hier nämlich seine Pranken in die spielerische Struktur geschlagen. Jede Aktion steht immer unter dem Fokus, ob ich damit Missionskarten von meiner Hand erfüllen kann, weil ich nur so Siegpunkte erhalte. Klar, es werden Phaser und Bat’leths gekreuzt, der harte, spannende wie taktische Kampf steckt auch in Star Trek: Away Missions, aber er ist nie zwingend. Er ist nur ein optionales Mittel für höhere Ziele. Das muss gemocht werden, ebenso wie Partien, wo fast nebeneinanderher gespielt wird, weil vielleicht eine Fraktion die Mission zur Sabotage an Tech-Terminals aufruft und die andere nur das Schiff reparieren möchte. Doch egal, wie ihr spielt, Star Trek: Away Missions glänzt mit thematischem Überzug! Ob Earl Grey, Judo, Spezialfähigkeiten von bekannten Charakteren und individuellen Deckbaumöglichkeiten der Fraktionen, Star Trek: Away Missions lässt das Wohnzimmer unter Thematik-Photonentorpedos gekonnt erzittern. Trekkie sein erhöht definitiv den Mehrwert des Spiels, aber auch ohne Spock im Herzen kann hier Spaß gefunden werden!

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3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Super Spiel für mal eben schnell 2-3 Runden zocken da es echt schneller vorbei ist als einem lieb ist.
Ich fand ein paar Sachen im Regelbuch schwammig und hätte mir ein paar Beispiele mehr gewünscht.
Auch war ich anfangs überhaupt kein Fan der Minis, aber sobald man Farbe drauf hat sind sie doch recht schick und man erkennt sofort wer wer ist. Alternativ sollen die Star Trek Adventure Minis auch super sein dafür.
Ich hätte mir mehr Abwechlung bei den Missionen / Tiles gewünscht. Hier kann man für den ST Ascendancy Pledge die Elemente für Romulaner und Klingonenschiffe dazupledgen. (was ein Wort…)
Ich hoffe noch auf neue Teams: Breen, Ferengi, Bajoraner, Cardassianer….los gibś mir!!
Ich finds etwas schade das so tolle Star Trek Spiele immer irgendwie unterm Radar im Tarnmodus an einem vorbeifliegen. Habs auch nur per Zufall gesehen.
Ich warte noch auf ST: Into the Unknown was ja auch einen komischen release hatte, mal schauen wann es bei mir eintrudelt.
rausgebeamt!
E.
Hi E.,
rate mal, was ich morgen spiele und hier seit einer Woche auf meinem Schreibtisch liegt? Star Trek: Into the Unknown. Ich werde also auch über dieses Brettspiel berichten. Morgen spielen wur zwei Tutorial Missionen und starten dann hoffentlich zeitnah in die Kampagne.
Zum Material bei Away Missions hast du nen guten Tipp gegeben. Danke!
Moin Christian,
da bin ich mal gespannt was du berichtest!
Also rein vom Regelbuch habe ich null Bock drauf, super komplex und 8mio Tokens plus fummeliges Manövrieren.
Aber es soll halt quasi eine gespielte Episode TNG/DS9 sein, daher schaun mer mal.
Ich bin im August im Heimaturlaub und hoffe ich kann es dann mitbringen.
Grüße aus Rabat.
E.