
Kurzcheck: Darum geht es in How to Save a World
Damit wären wir direkt beim thematischen Kern des Spiels, der für die spielerische Ebene aber absolut im Fokus steht. Es dreht sich nämlich darum, wie der Planet vor dem Einschlag gerettet werden soll. Da gibt es die Wissenschaftsteams, die sich für einen Super-Laser entscheiden. Volle Power druff! Andere Teams hingegen favorisieren den Bau eines Orbital-Schildes. Daran wird der Asteroid schon zerbrechen. Die dritte und letzte Fraktion sieht überhaupt keinen Ausweg gegen den Asteroiden und möchte eine perfekte Evakuierung durchführen, um möglichst viele Spezies zu retten. Arche Nova in Space!
Durch Deck- und Tableaubuildung, Ressourcenmanagement und Worker Placement kann sich jetzt jede Person unterschiedlich stark an den drei Lösungswegen beteiligen. Dargestellt wird dies durch ein gemeinsames Bag-Building, bei dem farbige Steine im Beutel die verschiedenen Lösungswege darstellen. Drei Leisten auf dem Spielbrett zeigen zudem die jeweilige Beteiligung. Die einzelnen mechanischen Ebenen befinden sich dabei auf seichteren Kennerspielniveau, sind aber trotzdem zu keiner Zeit banal. Die Verschränkung der Ebenen, die Ressourcenknappheit und allgemein die eher geringe Anzahl an Aktionen im gesamten Spiel machen die Zusammenstellung reizvoll. Der unangefochtene Star des Spiels ist allerdings besagtes Bag-Building und das Spielende. Entsprechend springen wir ungewöhnlicherweise direkt dorthin!

Die Spannung …
Die Steine sind gefallen. Das Spiel ist vorbei. Wo in anderen Brettspielen nun ein Sieger nach Siegpunkten geehrt wird, ist nach dem Spielende in How to Save a World die Spannung bis ins Unermessliche auf den Höhepunkt gepeitscht. Wer gewonnen hat, weiß noch niemand. Große Augen, Fingernägelknabberei, denn jetzt kommt er, der Beutel! In diesen Beutel wurden bis zu diesem Zeitpunkt aus schwitzigen Händen unzählige Steine gepackt. Schwarze Steine vom Spiel und seinen Ereignissen selbst. Diese stellen den Asteroiden dar und treiben das Spiel voran. Dazu später mehr. Dazu gesellen sich noch farbige Steine (rosa, blau, grün), entsprechend den drei verschiedenen Rettungsmöglichkeiten. Je nachdem, wie die Spielenden die drei verschiedenen wissenschaftlichen Lösungsmöglichkeiten unterstützt haben, ist die Verteilung im Beutel anders.

… explodiert!
Nun kommt der Moment. Ich greife in den Beutel und ziehe Steine. Ich erwische die ersten vier. Ganze 10 muss ich insgesamt ziehen. Schwarze und rosafarbende Steine für den Superlaser werden auf die Laser-Leiste gelegt. Ich habe viel in den Super-Laser investiert, darum liegen schon ein paar durch vergangene Spielrunden auf der Leiste. Bei 14 Steinen und damit komplett gefüllter Leiste aus schwarzen und rosa Steinen hätte es der Super-Laser geschafft. Heißt: Die Ausschüttung der Siegpunkte für diese Leiste ist massiv erhöht. Wer dann mitentwickelt hat, sahnt richtig ab. Ich kotze. Bei den ersten vier gezogenen Steine sind zwei grüne und ein blauer dabei. Die kommen nicht auf die Leiste, sondern nach der Ziehung wieder in den Beutel. Am Ende der ersten Ziehung liegen auf der Leiste 12 Steine. Verdammt, der Laser verpufft knapp! Mein älterer Sohn jauchzt vor Freude, er hat sich auf das Schild fokussiert. Jetzt „seine“ Ziehung! Meine Frau und unser Jüngster klatschen vor Freude ab. Was war passiert? Tja, die Schildleiste zählte 13 Steine. Mega knapp, mega spannend, aber einer zu wenig. Die Evakuierung hatte gewonnen!

Obacht!
Zwei Absätze für eine Ziehung am Spielende. Auch noch nie geschafft. In allen Partien, egal welche Gruppe, der Thrill am Ende, der Höhepunkt der ganzen Arbeit, wird genossen. Genial. Es mag fast enttäuschen, dass noch andere Bereiche im Spiel Siegpunkte ausschütten und auch die Leisten, die den Planeten nicht vollständig schützen konnten, zwar stark abgespeckt, aber trotzdem Siegpunkte generieren. Wer geschickt spielt und sich gelegentlich an andere Leisten mit anzeckt, vielleicht gerade am Spielende, wenn das Bauchgefühl einem plötzlich eine andere Siegerleiste zuflüstert oder sich passende Karten kauft und vielleicht über das Tableaubildung weitere Siegpunktbedingungen freischaltet, der kann auch gewinnen, ohne auf die „richtige“ Rettungsmethode gesetzt zu haben. Ist aber schwieriger! Und Bauchgefühl und Glück gehören dazu. Auch wenn am Spielende Thema, Spannung und Spielsieg eine großartige Symbiose eingehen, der Weg dahin ist nicht minder reizvoll.

Eskalation
Entsprechend müssen weitere spannende Konzepte in How to Save a World vorgestellt werden. Der Beutel hat nämlich nicht nur am Spielende seinen dramatischen Auftritt, sondern am Ende jeder Runde. Auch hier werden Steine gezogen, je fortschreitender das Spiel, desto mehr. Jeder schwarze Stein lässt dabei den Asteroiden schneller zum Spielende schreiten, dabei schaltet er auf seiner Leiste weitere schwarze Steine für den Beutel frei und neue Einsatzfelder für Worker. Völlige Selbsteskalation! Superhart: Die gezogenen schwarzen Steine kommen danach zusätzlich wieder in den Beutel. Sorgen wir alle gemeinsam als Mitspielende nicht von Anfang an für farbige Steine im Beutel, ist das Spiel rasant vorbei! Hitzig, emotional aufgewühlt fleht mein Sohn mich so an, ich müsse unbedingt noch rosa Super-Laser-Steine in den Beutel schaufeln, er schafft diese Runde keine blauen für „seinen“ Schutzschirm. Ist das jetzt hier doch kooperativ?
Farbige gezogene Steine am Rundenende wandern hingegen schon auf die Leiste fürs Spielende. Auch hier kann das Spielende eingeleitet werden. Nämlich dann, wenn bei einem der Lösungsansätze eine gewisse Anzahl an Steinen zusammengekommen sind. Gleichzeitig sorgt dieses Herausnehmen der farbigen Steine für ein Ungleichgewicht zugunsten der schwarzen Steine im Beutel. Druck ist der zweite Vorname des Spiels! Das Ziel ist klar. Passend zum spannenden Bag-Building will euch How to Save a World im Unklaren darüber lassen, wie viele Runden ihr eigentlich genau spielt. Gleichzeitig habt ihr es als Gruppe ein Stück weit selbst in der Hand. Auch hier wird also Spannung über planerische Unsicherheit generiert!

Und der Rest so?
Der mechanische Rest des Spiels ist bekannterer Natur. Mehr als solide, mit kleinen eigenständigen Feinheiten, sodass How to Save a World seinen kompakten und spannenden Charakter beibehält. Nehmen wir das Worker Placement als Beispiel, welches mit drei Workern pro Person schlank und übersichtlich bleibt. Kniff: Es gibt zwei sehr unterschiedliche Einsatzbereiche. Auf dem Planeten warten Aktionen, die Ressourcen generieren, auf dem Mond aka Forschungsbasis eher die Forschungsprojekte, die das Tableaubuilding vorantreiben. Gewisse Aktionen sorgen nun dafür, dass du am Rundenende zwingend den Worker von dem jeweiligen Spielbereich in den anderen bewegen musst. Diese Zwangsbewegungen zu meistern, ist in der Praxis weitaus kniffliger als vermutet.

Auch die mannigfaltige Tableauentwicklung ist motivierend. Viele spielerisch fühlbare Sonderlocken zum Freischalten, allerdings wirst du in einem Spieldurchgang nie alles gleichzeitig besitzen. Und auch das Deckbuilding besitzt interessante Nuancen. Die Karten kosten viel. Entsprechend will jeder Kauf überlegt sein. Allerdings sind die Karten, falls sie zu den eigenen spielerischen Überlegungen passen, auch enorm mächtig. Sie ermöglichen dabei weitere Aktionen neben den Workern, sie generieren am Spielende Siegpunkte, taugen als Ressourcen-Joker oder verstärken mit völlig neuen Effekten bekannte Aktionen als Upgrade. Da du sie jede Runde immer wieder alle auf die Hand bekommst, besitzen sie einen hohen impact. Trotz einiger Partien habe ich hier bislang nicht alles gesehen! Die vielen Karten sorgen somit auch für Wiederspielreiz.

Fazit
Burnt Island Games ist einfach mein Verlag! Visuell und von der Produktqualität wie immer stark, präsentieren sie damit allerdings auch immer ungewöhnliche spielerische Konzepte. Auch How to Save a World bestätigt dies nach In Too Deep oder In the Hall of the Mountain King. Dabei ist die Planetenrettung in seiner Grundmechanik durch das einfach gehaltene Worker Placement sicher nichts gänzlich Besonderes, aber zumindest zügig und einstiegsfreundlich zu spielen. Es begeistert eher das Konzept dahinter, denn mit simpler, aber sehr verschränkt kniffliger Mechanik erzeugt es eine ungeheure Spannung durch das omnipäsente Bag-Building, das von der Klimax her perfekt ihren Höhepunkt am Spielende einläutet. Nur wenige Brettspiele halten solche Spannung, obwohl das spielerische Ende eigentlich schon eingeläutet wurde. Entsprechend ist der Kampf um den Beutel, mit der angenehmen Spielzeit und dem bewusst klein, aber mächtig gehaltenen Deckbuilding der Star des Spiels. How to Save a World schlägt somit voll ein, egal ob wir uns auf dem Heimatplaneten der Familien oder Experten befinden.

Fleischpöppel | Brettspieler | Videospieler | Rollenspieler | Miniaturenbemaler | Würfel-Lucker | Airbrush-Anfänger | Blogger | Schönspieler | Rum-Trinker | Brettspielsammler | Crowd-Funding-Süchtig | Trockner Grübler | Pöppel-Streichler | Magic-Verweigerer | 4X-Fanboy | Sickerflopp-Liebhaber
Im Fokus
Neueste Kommentare
- Christian bei Beeinflusse uns!
- Christian bei Cabo
- Moritz bei Cabo
- KK bei Beeinflusse uns!
- Christian bei Instinkt
5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Moin Christian,
die Frage ist doch eher, wer rettet die Welt vor dem homo sapiens? So ein Asteroid wäre doch nur eine gute Gelegenheit für die Evolution, es mit dem sogenannten intelligenten Leben noch einmal von vorn zu versuchen…
Kann es sein, dass deshalb diese Rezension im Verhältnis weniger überschwängliche Emotion und mehr nüchterne Darstellung der Mechaniken enthält, als ich es von Deinen bisher von mir gelesenen eigentlich gewohnt bin? 😉
Mmm … also erst einmal dreht es sich wie geschrieben, um einen fiktiven Planeten. Die Rettung der Menschheit ist zu keiner Zeit das Thema und das halte ich für gut. Entsprechend hatte ich deine Vibes eigentlich nicht.
Dazu habe ich eigentlich versucht, den emotionalen Fokus auf den Beutel zu legen, denn dieser sorgt eben für Spannung. Es ist eben spannend, wenn du 14 Steine brauchst und am Ende nicht weißt, ob du jetzt wahrscheinlich gewinnst, weil es an den nächsten zwei Steinen hängt. Darum habe ich ca. 2,5 Absätze mich um die Beutelmechanik „gekümmert“. Und das doch auch emotional (schwitzende Hande, Eindrücke der Familie, Jauchzen usw., omnipräsente Spannung)
Das restliche Spiel habe ich dann eigentlich mechanisch extrem ausgeklammert. Ich erkläre weder die Upgrade-, noch die Aktionskarten genauer, ich spare die Entwicklung der Ressourcenengine mit ihren Schranken aus, ich erkläre nicht eine Worker-Aktion, nicht die flexiblen Aktionsfeld A und B, die modularen Bomi auf den Leisten, die dortige Siegpunkteausschüttung oder die wirklich sehr unterschiedlichen erforschbaren Fähigkeiten auf dem Spielertableau. Ich erwähne nicht die Möglichkeit und Mechanik zur Workerbewegung außerhalb von Aktionen, wie der Startspieler weitergeht und die coole Emblemmechanik, die es ermöglicht, Workeraktionen zu verstärken.
Wie du also siehst, ist jede Rezension von Markus und mir der Versuch, die Quintessenz eines Spiels darzustellen, emotional wie mechanisch und dabei 75% der Details und weiteren mechanischen Dingen in einem Brettspieln für Lesefluss und Textlänge wegzulassen
Mich hat das Spiel emotional auf jeden Fall gepackt und ich liebe den Beutel.
War kein Vorwurf, fiel mir nur auf.
Und für UNSEREN Planeten ist ja auch so ein Klumpen in einigen Jahren angekündigt, von dem man noch nicht weiss, ob er vorbeifliegen wird oder die Erde treffen könnte. Vielleicht benimmt sich die Menschheits“elite“ ja deshalb gerade auffällig besonders wie Axt im Wald? Wer nix mehr zu verlieren hat kann ja noch mal eine finale Sause im Restaurant am Ende des Universums feiern…
Ich gebe aber als erst später dazugestossener Leser zu, nicht alle Eure Rezensionen gelesen zu haben, sondern überwiegend die der Spiele, die sich nicht vorrangig ums Punkteoptimieren drehen (wer hätts gedacht? ).
Ist ja bei diesem Spiel hier auch kein uninteressantes Konzept und das Material wirklich schön (die Farbgebung erinnert mich dabei etwas an The LOOP). Aber erst für mich näher zu betrachten, wenns mir einer auf den Tisch legt oder künftig mal eine Retail-Version erscheint.
Habe es jetzt auch erstmals nach Ankunft probieren können und bin zunächst einmal positiv überrascht: mit einfachen Mechanismen, die an sich nichts Neues bieten, schafft man ein sehr unterhaltsames Spielerlebnis, dass von Zug zu Zug interessante Entscheidungen fordert. Und Bagbuilding sollte als Mechanismus viel öfter zum Tragen kommen, das schaftt einfach spannende und witzige Momente (siehe Klong!).
Irgendwie sind die bei Burnt Island der „Weniger ist mehr“-Verlag, dass haben sie ja auch bei Endeavor hervorragend hinbekommen. Auch da bin ich immer wieder überrascht, mit welch schlankem Regelkorsett ein immer wieder spannendes Spielerlebnis geschaffen wird.
Genau das! Finde ich auch total spannend. Ein echtes Wohlfühlspiel. Einfach gut zu spielen, mit einigen Kniffen und dazu das wirklich spannende Bag-Building. Reduziert und gut.