
Kurzcheck: Darum geht es in Operation Barclay
Das Thema habe ich schon umrissen. Spielerisch abgebildet bedeutet dies, dass eine Person in der Rolle der Alliierten fünf Angriffswege durch verdeckt platzierte Chips auf dem Spielbrett so vorbereitet, dass drei Wege „Nieten“ sind und zwei Wege die echten Angriffsrouten darstellen. Jeder Weg besteht dabei aus fünf Chips. Die vorgetäuschten Angriffswege bestehen aus drei Fake-Chips und zwei Angriffschips, wohingegen die Verteilung bei den echten Angriffswegen nur 1 bzw. 2 Fake-Chips besitzen. Das ist dahingehend relevant, weil im Laufe des Spiels diese Chips umgedreht werden und durch diese Verteilung das Aufdecken eines Fake-Chips nicht sofort eine Fake-Route entlarvt. Dies ist nämlich das Ziel der Achsenmächte: Innerhalb von 6 Runden die zwei Angriffsrouten aufzudecken.
Wie wird nun aufgedeckt? Nun, jede Angriffsroute besitzt eine Farbe. Zu jeder Farbe gibt es einen Token. Diese Token werden gemischt und am Anfang jeder Runde in drei Zielbereiche aufgeteilt. Diese Bereiche werden am Ende der Runde ausgewertet. Gewinnt die Achsenmacht Bereiche, darf sie auf der Route der gewonnenen Farbe Chips umdrehen. Gewinnen die Alliierten den Bereich, wird kein Chip umgedreht. Hauptmechanik, um sich jetzt zu rangeln, ist eine leicht veränderte Poker-Partie über 5 Runden. Abwechselnd spielt jede Person drei offene und zwei verdeckte Karten aus, wobei nach jedem Ausspielen eine neue Karte nachgezogen wird. Nach den fünf gespielten Karten werden die verdeckt ausliegenden umgedreht und es werden die Blätter verglichen. Ganz wie beim Pokern dreht es sich um Paare, Straßen, Full House und Co. Doch um welche Bereiche spreche ich und wie werden diese gewonnen?

Mehr als nur Pokern
Pokern als Hauptmechanismus für ein Deduktionsspiel ist ja an sich schon eher außergewöhnlich. Operation Barclay plustert sich hier aber weiter auf. Zunächst haben viele Karten Sondereffekte, die dich Nachziehstapel sortieren oder Karten tauschen lassen. Manche ermöglichen die Interaktion mit dem Ablagestapel oder Aktionen, die dem Gegenüber aktiv in die Parade fahren. Zwickmühle: Spielst du eine Karte für ihren Effekt? Oder baust du an einem guten Blatt? Vielleicht ja sogar beides. Wie bringst du das Spiel des anderen durcheinander oder bereitest dein eigenes vor? Wichtiger sind aber die im Kurzcheck angesprochenen Bereiche, um die gespielt wird.
Der erste Bereich, hier werden zwei „Farben“ gewonnen, wertet das bessere Blatt. Easy. Der zweite Bereich, mit drei zu gewinnenden Farben lukrativer, wertet die Wette aus. Wette heißt, nachdem die drei offenen Karten gespielt wurden, wettet ihr geheim, wer am Ende dieser Runde das bessere Blatt hat. Dieser Kniff ist gar nicht groß genug zu bewerten. Hast du schlechte Karten, kannst du diese zum Bluff vielleicht so ausspielen, dass es ein mächtiges Blatt suggeriert. Spiele ich eine 3, 4, und 5 in den gleichen Farben, dann sieht das nach Straight Flush aus. Eines der stärksten Blätter. Aber kann ich das auch wirklich mit den noch zwei verdeckt zu spielenden Karten umsetzen? Am Ende gewinnst du mit einem Paar, weil ich gar nichts habe. Operation Barclay ist mehr als klassisches Pokern, es ist auch eine Wette auf das bessere Blatt. Wie spielst du also ein starkes Blatt so aus, dass es schwach wirkt oder ein schwaches stark? Dieser Kniff ist reine Spielwürze.
Der dritte Bereich ist schnell abgefrühstückt. Hier geht es um Symbolmehrheiten auf den gespielten Karten: Flugzeuge oder Fahrzeuge. Wer mehr besitzt, gewinnt eine „Farbe“. Allerdings ist es auch hier nicht ganz so offensichtlich, wer gewinnt, weil eben die zwei letzten der fünf Karten verdeckt gespielt werden und es auch Karten gibt, die eine Fahrzeugart komplett negieren. Operation Barclay erzeugt so eine gelungene Mischung aus klassischen Pokern mit spannenden Bluffelementen und spielerischen Kniffen über Spezialeffekte der Karten.

Weiße Flagge
Trotz der Frische und der Möglichkeit verschiedener Strategien war meine Erstpartie eine Monsterschelle. Nicht für mich, sondern für Magier-Markus. Ich wollte ihm schon Taschentücher reichen. Meine Handkarten waren immer passend, super stark und ich gewann einfach jedes Blatt. Und ich ahnte das auch. Heißt, ich wettete immer auf mich. Also gewann ich auch hier bzw. Markus erreichte maximal einen Gleichstand, wenn er auch auf mich setzte. Da gibt es als Trost dann immerhin die Offenbarung eines Chips. Aber eben nicht von drei. Nach vier Runden hatte Markus von den unzähligen Chips ganze drei aufgedeckt. Rein rechnerisch konnte er nicht mehr gewinnen. Weiße Flagge. Gegen meine Frau das gleiche Spiel. Ich gab eine Runde komplett ab, hatte dadurch aber so gute Karten gesammelt, dass ich auch sie an die Wand spielte. Ich vermutete schon ein Ungleichgewicht zwischen den Fraktionen, weil ich immer die Alliierten spielte. Mittlerweile würde ich sagen, Alliierter ist etwas einfacher, aber beide Parteien können gewinnen. Neben dem präsenten Glück beim Kartenziehen ist Erfahrung und das Lesen des Mitspielenden aber ebenso wichtig.

Kartenkenntnis
Operation Barclay wird mit zunehmender Spielerfahrung nämlich nur besser. Das liegt an den Sondereffekten der Karten, dem Wissen um die Verteilung der Zahlen und dem Zusammenspiel der zwei Decks. Du hast nämlich die Option, beim Nachziehen von einem Fraktionsdeck oder vom allgemeinen Deck nachzuziehen. Die Decks unterscheiden sich massiv voneinander. Die heftigsten Spezialeffekte schlummern nur im Fraktionsdeck, aber die hohen Zahlen wiederum gibt es nur im allgemeinen Deck. Wie also Personen nachziehen, verrät auch etwas über mögliche Strategien. Zusätzlich entwickelt sich im Spielverlauf ein weiteres Deck, das sogenannte Double-Cross-Deck. Hierhin wandern durch Spezialeffekte verdeckt aussortierte Karten. Auch dieses Deck kann manipuliert und darf zum Nachziehen benutzt werden. Glück spielt wie erwähnt in Operation Barclay trotzdem eine Rolle, aber Kartenkenntnisse, eine gute Strategie und das richtige Spiel mit den verschiedenen Nachziehstapeln sind ebenso entscheidend. Es unterscheidet sich letztendlich enorm vom normalen Pokern, weil einmal gespielte Karten aus dem Spiel sind und nach jeder Aktion nachgezogen wird. Es ist also auch möglich, über verschiedene Runden sich sein Blatt zu „sammeln“.

Fazit
Operation Barclay mit anderem Thema hätte sich wesentlich tiefer in mein Herz gespielt. Und ganz ehrlich, das Thema ist definitiv austauschbar. Ein Kampf zwischen Alliierten und den Achsenmächten reizt mich leider nicht. Umso größer ist es von Bedeutung, dass ich durchaus Lust hatte, euch dieses Brettspiel vorzustellen. Operation Barclay gelingt es für zwei Personen in weit unter einer Stunde, ein spannendes Bluff-Deduktions-Pokerspiel zu präsentieren, das immer wieder für knifflige Entscheidungen sorgt. Alleine die Elemente, die hier zusammenkommen, sind in ihrer Zusammenstellung als denkbar frisch zu bezeichnen. Es wird sich in die Augen gestarrt, es wird Table-Talk gestartet und der größte Mist als goldene Hand verkauft, denn Bluffen und die richtige Antizipation der Gegenaktionen sind hier wichtiger als eine perfekte Pokerhand. Der Glücksfaktor ist trotzdem nicht ganz zu unterschätzen, denn läuft es dumm, siehst du nur das hämische Lachen des Gegenübers. Ja, so oft wie in Operation Barclay wurden selten Partien abgebrochen, weil eine Seite nicht mehr gewinnen konnte. Trotzdem lohnt sich der Blick, wenn die Lust auf andere Brettspielmechaniken überwiegt.

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3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Ein noch winzigerer Weltkrieg als „Blitzkrieg“?
„Operation Barclay mit anderem Thema…“
Vielleicht kommt auch bei diesem Spiel hier demnächst eine Variante aus dem Imperium Romanum – mit Hannibal in der Rolle der Alliierten mit drei Fake-Wegen – durch die Alpen bzw. daran vorbei.
Wäre ja nicht das erste Mal, mit einer solchen Variante auch zart besaitetere Gemüter abzuholen, wäre ja schade um deren Kohle… 😉
Historisch gesehen war es ja sogar eher Spionage. Aber auch das interessiert mich weniger. Ich hatte z.B. an Bankraub gedacht oder Fluchtroute, im Prinzip taugt jedes Szenario von Agenten / Spionage-Filmen. Oder historische Momente aus dem Kalten Krieg, die ja auch schon Vienna Connection genutzt hat wären möglich. Mit der Pokermechanik wäre ein Agenten-Casino oder Casino-Raub Thematik auch witzig gewesen.
Mit solch einem Thema hätte ich ganz sicher mehr Mitspielende gehabt.
War ja auch eine Anspielung auf „Winziger Weltkrieg“ bzw. im Original ja „Blitzkrieg“, dass in einer Variante als „Caesar! Erobere Rom in 20m MMinuten“/“Seize Rome in 20 Minutes“ ja auch dann noch die Kritiker der Thematik abholen sollte.
Von Secret X hab ich mir auch drei Versionen gebastelt – obwohl ich bei StarWars und HarryPotter spielerisch-argumentativ wohl deutlich schlechter aufgestellt bin als beim Original, da ich SW überhaupt nicht und HP nur rudimentär kenne, historisch aber fit… aber eine Spielmöglichkeit sollte nicht an Vorbehalten einiger Mitspieler scheitern.