Kurzcheck: Darum geht es in Lost Lights
Der thematische Einstieg in der Anleitung verkauft mir, dass „etwas in der Luft liegt“. Es meint damit eine böse Präsenz, welches das Licht von Amanaar absaugt. Leute, ich finde es schön, dass sich hier um eine thematische Einbettung bemüht wurde. Hat dieses fast obszön schöne Spiel auch verdient. Aber das einzige, was in Lost Lights abgesaugt wird, ist der entspannte Gesichtsausdruck der Spielenden. Und in der Luft liegt auch keine böse Präsenz, sondern eine Mischung aus süßlichem Handschweiß und salzigen Tränen. Überraschende Erkenntnis: Ich wusste nicht, dass Handschweiß, Tränen und unentspannte Gesichter die Zutaten für ein spielerisches Fest sind.
Spielerisch ist Lost Lights schnell verstanden. An dieser Stelle Applaus für die schicke und sehr gute Anleitung, die mit Beispielen und Erklärungen zu allen Karten richtig glänzt. Lost Lights zelebriert Area-Control im Mini-Maßstab über ein Kartenduell für zwei Personen. Dabei gliedert sich der Kampf um Amanaar in zwei Phasen. In der ersten Phase stellt ihr euer Deck zusammen, in dem ihr jeweils zwei Karten zieht, eine behaltet und die andere dem Tiergesicht euch gegenüber gebt. Dass macht ihr so lange, bis ihr jeweils 10 Karten habt. Wichtig: Es bleiben immer Karten übrig und wandern ungesehen aus dem Spiel. Das fördert die Abwechslung. Am Ende dieser Phase platziert ihr zudem eure ersten Figuren auf dem Spielfeld. Die zweite Phase ist dann eine klassische Aktionsphase, wo pro Runde jeweils eine Karte gespielt wird. Ihr spielt Karten aus, um weitere Figuren ins Spiel zu bringen oder diese zu bewegen und natürlich um gegeneinander zu kämpfen. Der Kampf ist eine spannende Mischung aus Kampffertigkeiten und Kampfstärke einer (!) verdeckt gespielten Karte, Anzahl der Figuren und Würfeln. Gewonnen wird entweder über die Vernichtung aller gegnerischer Figuren oder nach Siegpunkten, wenn alle Karten gespielt wurden. Klein, kurz und knackig!
Die doppelte Zwickmühle
Was mahlt diese Zwickmühle in Lost Lights? Karten für Spielreiz! Dieser Moment, wenn du zwei Karten ziehst und beide unfassbar cool sind. Dieses beißen in die Tischkante. Welche Karte gebe ich jetzt weiter? Der Grund dieser Zwickmühle: Die Karten sind für verschiedene Dinge zu gebrauchen. Sie haben einen Kampfwert, der einen großen Teil im Kampf zum Sieg beitragen kann. Sie haben aber auch einen Wert für Aktionspunkte. Spiele ich die Karte nicht im Kampf, sondern als Aktion, bestimmt der Wert, wie viele Einheiten ich ins Spiel bringen kann und wie weit sie sich bewegen können. Als drittes kommt dann eine Spezialfähigkeit für den Kampf dazu, die bisweilen ultra-hammer-krass-stark sind. Bisweilen, weil es eben auf die richtige Spielsituation ankommt. Selbstverständlich sind die Karten so gestaltet, dass sich die Werte gegenseitig ausstechen. Hoher Kampfwert, hohe Aktionspunkte. Oder allgemein wenig Punkte, dafür eine stärkere Fähigkeit. Die Karten haben alle ihren Reiz, wichtig ist die richtige Zusammenstellung des Decks. Die erste Phase klingt wie eine Vorbereitungsphase, weil die Karten aber so cool sind, beginnt hier schon der Spielspaß! Schnell hat man auch seine Favoriten. Ich höre meine Kinder faseln, dass ich hoffentlich nicht den Papagei bekomme. Ich hasse Gnurxel in Kinderhänden.
Eine zweite Zwickmühle entsteht dann in der zweiten Phase. Man hat sich bei der Deckzusammenstellung in der ersten Phase natürlich etwas gedacht. Es ist aber etwas völlig anderes, die Spielsituation am Tisch zu analysieren und sich dann für eine Handkarte entscheiden zu müssen. Ich habe Lupinda eigentlich gewählt, weil sich ihre hohe Kampfstärke mit ihrer starken Kampffähigkeit für einen wichtigen Kampf empfiehlt. Nur, ich brauche Einheitennachschub und sie hat auch viele Aktionspunkte. Alle anderen Karten bieten mir das nicht mehr. Argh. Schwitzige Hände. Spiele ich sie jetzt wirklich für Aktionspunkte? Und die Zwickmühle mahlt wieder.
Das verfluchte Glück?
Der Kampf basiert auch auf Würfeln. Und ja, es gab Partien, da hatte ich ein glückliches ungewaschenes Händchen. Und auch beim Ziehen der Karten taugt ein glückliches Händchen. Allerdings ist Glück insgesamt weniger ausschlaggebend. Jede Karte ist nur so stark, wie es die gegnerische Karte zulässt und immerhin kenne ich die Hälfte der Karten des Gegners. Also ich nicht. Zombiehirn halt. Meine Kinder leider schon.
Bleiben wir doch exemplarisch bei Lupinda. Ihre Fähigkeit, im Kampf den Wert der Figuren zu verdoppeln, kann bei einer großen Armee sehr stark sein. Dazu eine gute Kampstärke. Tja, Arburi der Baum besitzt die Fähigkeit, dass im Kampf nur der Würfelwurf zählt. Hier mag nun das Glück entscheiden, trotzdem ist mein vielleicht sicher geglaubter Sieg erst einmal gekontert. Gnurxel hat eine Kampfstärke von 11. Meine Kinder würden ihn als übertrieben krass bezeichnen! Arus, der Papagei, hat nur eine lächerliche 1. Tauscht als Fähigkeit aber die Kampfwerte. Ich sage, dass ist übertrieben doppelkrass. Wenn alles krass ist, dann scheint es wohl eine Balance zu geben.
Von Tränen, Revanchen und dem Spielreiz
Ich spreche hier jetzt schon wieder von Tränen. Das hat einen tränenhaften Grund. Kinder hat man im Wald von Lost Lights schon weinen gesehen. Auch wenn meistens der Papa weint. Meine Frau saß auch schon mit Schaum vorm Mund am Tisch. Was könnte ich mich in diesem Spiel ärgern. Was würde ich schon aus diesem Wald geprügelt. Falsch antizipiert, vergessen was meine Kinder auf der Hand hatten und die falschen Karten zum richtigen Zeitpunkt gespielt. Oder waren es die richtigen Karten zum falschen Zeitpunkt? Egal. Man stolpert in diesem Spiel. Diese emotionalen Ausbrüche zeigen aber, hier liegt Spannung im Wald. Eine Partie dauert zudem nur zwischen 15 und 20 Minuten. Es ist Area-Control in süß, für den Campingtisch oder die eine schnelle Runde, wo eine Revanche immer passt. Entsprechend gut verkraftbar ist eine herbe Niederlage.
Verlaufen im Wald
Einen Kritikpunkt habe ich allerdings an Lost Lights. Vielleicht liegt es an unserer Meta, aber die Punktevergabe über Regionen erscheint schwachbrüstig. Es ist am Spielende fast egal, wo die Figuren stehen. Halte ich eine Region mit der Mehrheit der Gebiete, dann ist das genauso effektiv wie das Halten von zwei Regionen mit Mehrheit. Oft entwickeln sich so eher Scharmützel um gleiche Gebiete und andere Teile des Spielbretts sind fast ausgestorben. Oft besitzt man auch gar nicht die Aktionspower noch die Spielzeit, um sich strategisch groß auszubreiten. Das Spielbrett verkommt fast zum Beiwerk. Es bleibt so zwar kompromisslos einfach und für das Spiel entsprechend, aber für meinen Geschmack hätte man mehr aus der Gebietskontrolle machen können.
Fazit
Lost Lights hat eine lange Reise hinter sich. Die hat sich aber gelohnt! Was einen zuckersüß aus der Schachtel entgegenstrahlt, ist nichts anderes als die geballte Faust! Unkompliziert und schnell gelernt, können hier auch schnell Kinder erste Erfahrungen im Bereich Area-Control sammeln. Doch Obacht, im Wald werden salzige Tränen vergossen. Ebenso schnell schallt aber auch eine Revanche durchs Blätterdach. Spannendes Drafting trifft auf doppelte Zwickmühlen beim Ausbreiten im Wald und Spielen von Karten. Spielreiz erfährt man so jede Runde, auch wenn natürlich Multi-Use-Karten kein neue Mechanik mehr sind. Vor allem beim Kampf, wo es ums richtige Antizipieren geht, schließlich ist die Hälfte des gegnerischen Decks bekannt, kommt richtig Spannung auf. Garniert mit etwas Glück und fertig ist das, was ich erwartet habe. Ein tolles, wunderbar liebevoll gestaltetes kleines, aber fieses Spiel für zwischendurch, welches mich aufgrund seiner Kompaktheit sicher auch auf so manche Reise begleitet wird.
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5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Bestellt! Sieht richtig gut aus.
Es sieht gut aus und spielt sich zügig, fies und spannend. Viel Spaß mit den Teil! Einzig beim Spielbrett hätte ich mir mehr Tiefgang gewünscht, aber dann wäre es auch nicht mehr der kleine Absacker.
Irgendwie beißt sich für mich das Spiel optisch…die schönen Karten treffen für mich irgendwie auf komische Meeples. Keine Ahnung warum mich das Detail so abschreckt,aber irgendwie war das der Grund warum das Spiel von meiner Wunschliste verschwunden ist… Ich finde es schön, das man nicht wieder mit aller Gewalt Figuren auf das Spiel aufgedrückt hat. Es geht mir eher um das Design der Meeples selbst.
Deine Rezension hat genau meinen Nerv getroffen – im positiven Sinn.
Ich mag niedliche Tiere mit gutem Tiefgang(Everdell) und ich mag Area Control Spiele total gerne.
Außerdem kann man es immer gut mitnehmen – gerade jetzt bei zunehmend sonnigeren Tagen.
Vielen lieben Dank daher für Deinen Artikel, das Spiel wird bestellt.
Hallo Nicole,
vielen Dank für deinen Kommentar und dein positives Feedback. Das freut mich sehr. Ich hoffe, du hast genauso viel Spaß mit dieser kleinen Perle wie meine Familie und ich.
Liebe Grüße
Christian