Kurzcheck: Darum geht es in Star Wars: Shatterpoint
Das Tabletop Star Wars: Shatterpoint ist anders als Star Wars: Legion ein Skirmisher. Heißt, hier kommen wenige Figuren auf den Tisch, die dafür allerdings ordentlich Impact haben. Zwei kleine Teams pro Person, angeführt von den größten Held:innen und Schurk:innen des Star Wars-Universums, kämpfen hier strategisch um Missionsziele. Blasterfeuer zirpt von den Dächern und Jetpacks von Mandalorianern kreischen, während von vorrückenden Droiden und Klontruppen begleitend, die ikonischen Figuren wie Lord Maul oder Anakin Skywalker ihren eleganten wie brutalen Lichtschwerttanz aufführen. Star Wars: Shatterpoint ist in seinen besten Momenten pures Kopfkino! Es bildet keine großen Schlachten ab, sondern die typisch dynamischen Auseinandersetzungen, die man aus Serien und Filmen kennt.
Dabei gibt sich das mechanische Grundgerüst simpel. Abwechselnd aktiviert ihr Einheiten über ein Deck. In dem schlummert von jeder Figur eine Karte plus ein Joker, der alle Figuren aktivieren kann. Du ziehst also eine Karte, aktivierst die entsprechende Einheit und hast nun zwei mögliche Aktionsmöglichkeiten aus Bewegen, Angreifen, Fokus-Aktion, Ausruhen, Fähigkeit und Ducken. Das ist alles kein Hexenwerk, allerdings schlummert dann im Detail der Sith-Lord! Beginnen wir mit meiner Achterbahnfahrt …
Was soll das?
Die Überschrift zeigt die Richtung, in die es jetzt geht. Nach meiner ersten Partie und dem Schmökern im Regelheft nahm ich eine Sprachnachricht für Tabletop-Martin auf. Es waren 20 Minuten garniert mit Schimpfen, Wehklagen und Verwunderung. Viele Formulierungen im Regelheft sind verklausuliert geschrieben. Das betrifft auch die englische Version. Auf BoardGameGeek gibt es einige Threads, die sich mit verzweifelten Rückfragen zur Sichtlinienbestimmung beschäftigen. Es fehlt zudem ein Nachschlagewerk oder zumindest Glossar mit Schlagworten und Seitenzahlen. Ähnlich kompliziert geschrieben sind die vielen Fähigkeiten der Einheiten. Eigentliche feiere ich die vielen Sonderregeln der Figuren, die hier oft sehr thematisch angelegt sind, aber sie zu verstehen ist eine andere Sache.
Das Spielerlebnis hat dann gerade für erfahrene Tabletopspieler:innen auch seine negativen Überraschungen parat, die sich ungelenk, bisweilen unthematisch anfühlen und das Spiel somit anfänglich äußerst abstrakt erscheinen lassen. Wenn Einheiten alle Lebenspunkte verlieren, sind sie nicht tot, sondern erst einmal nur angeschlagen. In diesem Zustand kann man ihnen keine weiteren Lebenspunkte abziehen, sie selbst zählen nicht für die Einnahme von Missionszielen, können aber trotzdem durch Fähigkeiten anderer Einheiten stellenweise fiese Aktionen ausführen. Das fühlt sich einfach unlogisch an. Erst wenn die Einheit das nächste Mal aktiviert wird, heilt sie sich und ist dann wieder normal im Spiel. Kleine Anmerkungen, jede Einheit kann diesen Zyklus aus Angeschlagen sein und Heilung nur eine bestimmte Anzahl durchlaufen, bis sie dann wirklich komplett aus dem Spiel genommen wird. Gewöhnungsbedürftig ist das trotzdem.
Große Umstellung
Größte Umstellung ist allerdings das Messen mit Schablonen und die Bewegung allgemein. Das Spiel besitzt viel Gelände und durchaus eine angenehme Vertikalität. Gemessen wird aber stumpf in 2D, also plan auf dem Tisch. Steht eine Einheit im 4ten Stock eines Gebäudes und ich schieße am Boden stehend, zählt vereinfacht nur der horizontale Abstand zum Gebäude bzw. der Figur und nicht der tatsächliche Abstand in einer Diagonalen zur Figur. Bei der Bewegung nimmt dies auch skurrile Formen an. Steht eine Figur zu einem Gebäude in Reichweite der recht kurzen Bewegungsschablone (Spurten), dann kannst du ohne Leiter, Treppe oder ähnliche Aufgänge die Figur auf eine beliebige Höhenebene des Geländes stellen. Bei Machtnutzer:innen oder Figuren mit Jetpack kann ich das thematisch noch verstehen, bei allen anderen Figuren bekomme ich Kopfschmerzen.
Ah, jetzt ja!
Mittlerweile besitze ich nun aber schon zwei Erweiterungen. So schlecht kann es also nicht sein. Was ist passiert? Zuerst einmal habe ich das Messen lieben gelernt. Ja, es mag thematisch manchmal verwundern, aber es spielt sich wahnsinnig zügig und unkompliziert. Du rauscht mit deinen Figuren dynamisch über das Feld und das macht gelinde gesagt einfach Spaß. Wunderbar fügt sich hier auch das Aktions-Deck ein. Du sitzt nicht überfordert vor deinen Squads und im Oberstübchen zieht Analyse-Paralyse ein, weil du nicht weißt, welche Einheit du nun zuerst bewegen sollst und welche Symbiosen du auslösen solltest. Ich kenne das aus anderen Tabletops, wo man zum Mann mutiert, der auf Figuren starrt. Hier ziehst du eine Karte und aktivierst die Einheit. Mehr Glück im Spiel? Sicher! Aber zum einen hast du einen Slot, um eine gezogene Karte nicht zu aktivieren, um dann eine neue zu ziehen, was zumindest für ein kleines Plus an Strategie steht, zum anderen aber wird die Downtime von den Lichtschwertern des Spaßes in kleinste Einzelteile zerfetzt. Star Wars: Shatterpoint ist, wenn die Fähigkeiten der Einheiten verstanden sind, wahnsinnig gut wegzuspielen!
Ich liebe es!
Was ich aber am meisten liebe und da stimmt vor allem mein großer Sohn in die Jubelarie mit ein, ist der Kampf! Jede Figur besitzt einen Pool an Angriffs- und Verteidigungswürfel für Nah- und Fernkampf, sofern vorhanden. Soweit so bekannt. Erste Besonderheit, es gibt neben Treffern, kritischen Treffern und Patzern auf den Würfeln auch ein Symbol für die Aktivierung von Boni abhängig zum Charakter. Nach dem Wurf zählst du die Anzahl und vergleichst es auf dem Charakterbogen in einer Tabelle. So bekommst du Erfolge beim Angriff oder der Verteidigung, wandelst Würfel um, kannst dich bewegen oder erzeugst direkten Schaden. Das bockt!
Noch mehr aber begeistert dann die Auflösung eines Angriffs. Für jeden Treffer, den du über die gewürfelten Schilde des Verteidigers gewürfelt hast, darfst du auf einem individuellen Skill-Baum der entsprechenden Charakterkarte Effekte kaufen. Jede Figur besitzt hier andere Auswirkungen, passend zum Vorbild aus dem Star Wars-Universum. Es werden Zustände verteilt, Figuren bewegt und Schaden gemacht, teilweise gibt es bis zu zwei oder drei Pfade und damit ganz unterschiedliche Optionen. Ein Anakin kann früh Unmengen an Schaden rausprügeln, Droiden werfen durch ihr Blasterfeuer Gegner zurück. Spätestens jetzt surrt das Kopfkino ununterbrochen. Jede Einheit fühlt sich einzigartig an und das Würfeln von Erfolgen ist wesentlich spannender, als einfach nur Schaden zu verteilen.
Dynamik
Der Fokus auf Missionsziele und nicht das Wegballern von Einheiten wird von mir auch geschätzt. Am Ende deines Zugs schaust du, bei welchen Missionspunkten du die Mehrheit an Figuren besitzt. Für jeden so gehaltenen Punkt wanderst du auf der Konfliktleiste mit einem Marker in deine Richtung. Erreicht der Marker, der beim Spielstart in der Mitte startet, das Ende deiner Leiste, hast du eine Runde gewonnen. Der Witz ist, dass das Spiel eine Eskalationsmechanik besitzt.
Jedes Mal, wenn du einer gegnerischen Einheit alle Lebenspunkte abgezogen hast, verkürzt sich deine Leiste. Jedes Mal, wenn nach dem Ende einer Runde der Marker in der Mitte ist, verkürzen beide Parteien ihre Leiste. Und sollte dein Marker nach dem Einsacken der Missionspunkte in der Hälfte des Gegners liegen, verkürzt du auch deine Leiste. Du kannst also durch eine geschickte Leistenverkürzung am Ende auch mit wenigen Missionspunkten den Sieg erringen. Man spielt übrigens bis eine Person zwei Runden gewonnen hat, dazwischen wird nicht nur die Konfliktleiste resettet, sondern auch neue Missionsziele aktiv geschaltet. Dieses System macht Spaß und erzeugt auch hier wieder eine schöne Dynamik.
Material und Erweiterungen
Die Grundbox besitzt ordentlich Material und schickes Gelände, allerdings muss man auch sagen, dass sich nach einiger Zeit gewissen Abläufe mit den vorhandenen Einheiten einschleifen und man entsprechend schnell neue Einheiten auf dem Tisch haben möchte. Mit der Grundbox ist es nicht getan! Und da man sich so dynamisch um Missionsziele rangelt und das Spiel eben durchaus vertikal angelegt ist, willst du so viel Gelände wie möglich haben. Daher ist die Grundbox trotz der Fülle an Material wirklich nur ein Startschuss. Ich hoffe außerdem auf weitere Missionstypen in kommenden Erweiterungen, die einfach mehr Abwechslung auf die Platte bringen. Das Fundament ist wirklich grandios, aber es braucht mehr Fleisch!
Fazit
Anfänglich mutierte ich bei Star Wars: Shatterpoint zum Sith! Das Regelheft und die verklausulierten Formulierungen auf den Einheitenkarten zogen mich auf die dunkle Seite der Gefühle. Das merkwürdige Messen von Abständen in 2D, in einem Spiel, welches dreidimensional aufgebaut ist und vertikales Spielen forciert, war so charmant wie die Gesichtsstruktur des Imperators. Dazu gesellte sich dann eine teilweise äußerst unthematische Bewegungsmechanik. Star Wars: Shatterpoint war kurz davor im Outer Rim zu verschwinden!
Mit etwas mehr Spielzeit allerdings offenbarten sich die ungeheuren Stärken des Spiels: Keine Downtime, extrem unkompliziertes und doch spannendes wie dynamischen Ringen um Missionspunkte mit einem extrem spaßigen Kampfsystem. So konnte sich das Kopfkino dann auch ausbreiten! Wer nur etwas Star Wars in seinen Venen hat, dem geht das Herz auf, wenn Klontruppler sich verschanzen, Droiden unaufhaltsam vorrücken und Machtnutzer:innen ihre Lichtschwerttänze hoch oben über dem Schlachtfeld austragen. Entsprechend wurde Star Wars: Shatterpoint zum Dauerbrenner und ich vermute, wenn die Erweiterungen so cool bleiben, wird dies auch noch so bleiben.
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6 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Wollte eigentlich die Finger von Tabletop System lassen, zu groß ist der Platzmangel und die Angst vor einem Taschengeldgrab. Als großer Star Wars Fan hat mich dein Bericht aber doch merklich angefixt und ich neige dazu mir mal das Starterpaket ranzuholen. Ist das Spiel Einsteigerfreundlich für Tabletop Neulinge?
Was heißt Einsteigerfreundlich? Ich würde sagen, wenn man von manchen Sachen keine Ahnung hat, dann fühlt sich manches wahrscheinlich sogar besser an (z. B. das Messen). Und die Anleitung ist kurz und das Grundgerüst schlank. Von daher ist es sicher einsteigerfreundlicher als viele andere Systeme. Mein großer Sohn (12 Jahre) spielt das sehr gut mit. Trotzdem ist das Spiel am Anfang durchaus gefüllt mit Sonderregeln von Einheiten und vielen kleinen Dingen, die in der Anleitung fragen offen lassen. Von daher würde ich sagen, dass der Einstieg komplizierter ist, dass Spiel aber nicht sehr komplex.
Ich würde mich über einen Test von Marvel Crisis Protocol freuen, auch im direkten Vergleich zu Star Wars: Shatterpoint.
Das würde mich auch freuen und ich habe voll Lust auf Marvel Crisis Protocol. Allerdings ist ein Ausprobieren nicht mal eben so gemacht. Kurzfristig also eher nicht.
Ich habe Zeit. Es sind ja beide Spiele von Atomic Mass Games und den Kontakt habt ihr. 😉
Mich interessiert, ob nur das Setting ausgetauscht wurde oder ob es zwei verschiedene Regelsysteme sind. Bei Marvel Crisis Protocol, kann man Gegenstände werfen, geht sowas auch bei Star Wars Shatterpoint?
@Jannis
ich würde Chistian voll zustimmen. Ich und mein Sohn sind auf der Essener Spiele-Messe angefixt worden. Es ist unser erstes Table Top-Spiel. Aus den gleichen Gründen wie Du, habe ich bisher nur fasziniert von Weitem zugeschaut. Wie Christian schreibt, hatten wir Unvoreingenommene einige seiner Gedanken nicht. Der Frust über die Spielanleitung ist bei aber mir enorm. Für Einsteiger wenig geeignet. Ich dachte, wahrscheinlich ist den Profis immer schon alles klar und für die ist es geschrieben. Wenn ich mir den Bericht hier durchlese, liegt es aber wohl doch an der Anleitung und nicht an uns. Letztlich muss man sich seine eigenen Regelergänzungen überlegen. So einfach ansonsten das Grundregelwerk ist, so unübersichtlich finde ich die Sonderfähigkeiten der Charaktere. Mal eben abwechselnd die Einheiten spielen geht nicht, sonst hat man die Fähigkeiten, die man am Anfang regelmäßig vergisst einzusetzen, nie drauf. Das ist umso mehr schade, weil das Spiel Spaß macht, auch als Einsteiger, wenn man regelmäßig Zeit dafür hat. Leider spielen wir zu wenig. Wie bei allen komplexen Spielen,sollten diese häufiger gespielt werden, damit man die Regeln irgendwann drauf hat. Dieses ständige Unterbrechen des Spiels zum Suchen nervt (und ja, weil vieles unintuitiv ist, sucht man häufig und manchmal sucht man echt lange in dieser Anleitung; mittlerweile habe ich mir ein Stichwortregister erstellt). Bisher haben wir es auch noch nicht geschafft, mal eine komplette Runde (2-3 Spiele) zu schaffen. Einmal haben wir ein Spiel gespielt, einmal haben wir nicht mal das geschafft. Wegen der großen Charakterkarten und Spielplan benötigt man auch viel Platz.