Kurzcheck: Darum geht es in Galactic Era
In Galactic Era versuchst du dein Volk über acht Runden zur größtmöglichen Bevölkerung zu führen und gleichzeitig die modulare galaktische Geschichte, eine Art Siegpunktebedingung pro Runde, am erfolgreichsten für dich zu nutzen. Verdeckte persönliche wie offene Ziele sorgen für weitere Schicksalspunkte, die am Ende den Spielsieger küren. Die gewählte galaktische Geschichte, wie auch die Ziele, sorgen je nach Auslage für ein friedlicheres oder aggressiveres Spielerlebnis.
Jede Runde bewegt man seine Flotten, um sie für die Aktionsphase in Position zu bringen. Nur anfänglich zwei mögliche Aktionen, verdeckt und vorab ausgewählt für die Runde, sorgen dann für die Entwicklung deiner Spezies. Willst du dich durch Forschung in fünf technologischen Bereichen verbessern oder lieber neue Raumschiffe produzieren? Du könntest vorher auch deine Bevölkerung anwachsen lassen, die Spielerreihenfolge ändern, neue Planeten erobern oder deine Gesinnung ändern. Glaub mir, als hungriges Sternenvolk willst du alles und kannst doch nur so wenig. Aus solch kniffligen Entscheidungen wachsen die besten Brettspiele und wir fangen bei Galactic Era gerade erst an!
Gesinnungswechsel
Theorie
Einer der markantesten und außergewöhnlichsten Mechaniken ist der Gesinnungswechsel. Jede Spezies hat eine dunkle und eine helle Seite. Etwas umständlich Dienst an Anderen (DAA) und Dienst am Selbst (DAS) genannt. Während ich beim Dienst an Anderen moralisch höchsten Ansprüchen unterworfen bin, kann ich beim Dienst am Selbst die Space-Sau rauslassen. Jedes Volk hat für jeder ihrer gewählten Seiten eigene Sonderregeln, die zwar interessante und einzigartige Möglichkeiten offenbaren, der Clou der Mechanik entsteht aber im miteinander. Ein paar Beispiele gefällig?
Praxis
Jeder Planet hat beim Spielbeginn einen verdeckten Status. Reist du zu einem Planeten, darfst du diesen prüfen. Lebt dort eine primitive Spezies und du bist auf der Licht-Seite unterwegs, darfst du hier nicht eingreifen. Willkommen bei der Föderation von Star Trek. Bist du aber als DAS-Spieler unterwegs, reicht ein Schiff um den Pöbel der Erdkruste zu erobern. Als Belohnung setzt du zwei Bevölkerungssteine auf den Planeten. Entdeckst du allerdings eine hochentwickelte Zivilisation, werden die sich deinem diabolischen Volk nicht unterwerfen. Hier brauchst du mindestens 4 Schiffe. Die Belohnung? Eine Bevölkerungsscheibe! Ein DAA-Spieler bräuchte hingegen nur ein Willkommens-Schiff und die hochentwickelte Zivilisation schließt sich dir von alleine an. Belohnung? Drei Bevölkerungsscheiben.
Das funktioniert ähnlich mit bevölkerten Systemen von Mitspielern. Greift ein DAS-Spieler ein DAA-System an, braucht er mehr Schiffe als Bevölkerungsscheiben. Im Eroberungskrieg vernichtet er aber alle Scheiben und platziert nur eine eigene. Ein DAA-Spieler greift nicht an, er befreit! Auch er bräuchte mehr Schiffe als Bevölkerungsscheiben, tauscht aber 1:1. Die unterjochte Bevölkerung heißt ihre Befreier eben willkommen!
Da Eroberungen in der Aktionsphase geschehen und auch dort ein Gesinnungswechsel ausgewählt werden kann, entsteht hier richtig Spannung. Denn wer als DAA-Spieler auf eine Befreien-Aktion hofft und sich in Position bringt, der DAS-Spieler dann aber einen Gesinnungswechsel durchführt, steht blöd da. Gleichzeitig bedeutet der Wechsel der Gesinnung ein Verzicht auf Wachstum. Man setzt hier gefühlt eine Aktion in den Sand. Das Taktieren um die richtige Gesinnung zur richtigen Zeit, ist einer der Spielspaß-Raketen in Galactic Era und sorgt definitiv für eine Abgrenzung zur Konkurrenz.
Krieg und die galaktische Geschichte
Die Gesinnung hat aber noch weiteren Einfluss auf die Galaxie. Als Licht-Spieler darf ich ohne weiteres niemanden den Krieg erklären. Die einzige Möglichkeit besteht darin, einen DAS-Spieler dabei zu erwischen, wie er eine Zivilisation erobern möchte. Dafür muss man dann aber mit einer Flotte schon direkt vor Ort sein. Ein Spieler der dunklen Seite der Macht darf dir gefühlt für alles den Krieg erklären. Vielleicht liegt es einfach nur an deinem Gesicht. Die verschiedenen Seiten sind aber nicht automatisch miteinander im Krieg. Nur weil jemand auf der dunklen Seite steht, muss er nicht alles und jeden angreifen. Wer mit dir im Krieg steht, kann, anders als in vielen anderen 4X-Spielen, auch wesentlich mehr als nur Schlachten ausführen. Eroberungen, Schiffsproduktionen, ja selbst die Bevölkerung eines Systems kann man blockieren. Da dafür nur ein Schiff ausreicht, herrscht hier enormes Bedrohungspotential! Ein Konflikt in Galactic Era ist mehr als Kampfschiffe aufeinander loszulassen.
Auch die erwähnte galaktische Geschichte steht in Verbindung zur Gesinnung. Die Geschichte beginnt mit zwei Runden des Lichts, gefolgt von vier Runden der Dunkelheit und endet mit zwei Runden des Lichts. Je nach eigener Gesinnung und Aktionen, die den jeweiligen Seiten gutgeschrieben werden können, erhält man unterschiedlich Siegpunkte. Versteht dies aber nicht als Zwang oder feste Route, sondern eher als Bonus. Wer möchte, wechselt nie die Gesinnung, allerdings verzichtet er auf einige Punkte auf der Spaßskala. Galactic Era ist eben nicht Twilight Imperium oder Eclipse, wer es so spielen will, sollte bei diesen Spielen bleiben.
Bluffen mit Flotten!
Richtig frisch ist auch das Element der versteckten Flotten. Einzelne Schiffe werden durch Miniaturen dargestellt, allerdings kann man mehrere Schiffe zu Flotten zusammenführen und wandelt dann die Schiffe in Chips um. Diese Chips werden gestapelt und sind dann nicht mehr einsehbar. Treffen eigene Flotten zusammen, können Chips ausgetauscht werden. Da verliert der Gegner schnell den Überblick, vor allem weil es Chips in den Wertigkeiten von 0 bis 10 gibt. Eine Flotte aus vielen Chips kann schwach sein, eine Flotte aus wenigen Chips sehr stark.
Das ist aber nur ein Teil des Bluffens! Jeder besitzt verschiedene Flottentypen, dargestellt durch Plättchen, die ebenfalls verdeckt auf die Chips gelegt werden. So gibt es Angriffsflotten, die ihre Stärke im Kampf gegen andere Schiffe hat, Verteidigungsflotten, die diesen Bonus kontern, Flotten die Planeten besser einnehmen können oder sorglos fliehen können. Auch hier weiß keiner, wer wo was geparkt hat. Nicht Würfel entscheiden über Sieg und Niederlage, sondern erforschte Militärtechnologie und das geschickte Bluffen mit Schiffen.
Wachstumsgrenzen
Kommen wir zur letzten ungewöhnlichen und somit frischen Mechanik. Die Bevölkerung auf Planeten hat eine natürliche Obergrenze, die über den Abstand zum nächsten bevölkerten Planeten definiert wird. Beträgt ein Abstand also drei Felder, ist die Obergrenze drei. Sich einzuigeln und sein Reich kompakt zu halten, eine ansonsten übliche Strategie zur Verteidigung, funktioniert hier nicht. Über eine große Bevölkerung erzielt man aber die meisten Punkte! Also ist eine breit gefächerte und gut geplante Ausbreitung wichtig. Fies: Auch Systeme deiner Mitspieler zählen zur Bestimmung der Wachstumsgrenze! Fliege doch einfach zum Nachbarn und besiedel dort mittendrin einen Planeten. Konfliktpotential ganz ohne Krieg!
Stark besiedelte Planeten sind aber nicht nur für die Siegpunkte interessant, sondern lassen wichtige Schiffswerften oder Sprungportale entstehen. Das Ziel sollten immer fünf Bevölkerungsscheiben sein, denn nur so darf man eine Aktion mehr ausführen! Weil das zu einfach wäre, erhält man für jede zusätzlich gewählte Aktion drei Minuspunkte.
Symbole und Flottenhandling
Galactic Era ist komplex, bei einer Erstpartie dauert die Einführung sicher an die 60 Minuten. Das erwartet man, das will man! Allerdings ist die Symbolsprache, gerade auf den persönlichen Zielen, für Spieleinsteiger schwer verständlich. Ich begrüße die hohe Sprachneutralität des Materials, es ist aber erkauft mit wirklich vielen verschiedenen Symbolen, die erstmal verstanden werden müssen.
Ursprünglich war die Handhabung der Flotten fummelig. So großartig die verdeckten Flotten auch sind, die Stapel aus Chips, mit Flottentoken auf der Spitze drapiert, lassen sich nur umständlich bewegen. Mir fehlte hier eine kleine Halterung, die Chips vorm Verrutschen abhält. Beim Autor Channing Jones stieß dies nicht auf taube Ohren. Nur wenige Tage nach dem Austausch, präsentierte er mir ein weiteres Stretchgoal: Flottenhalterung! Da arbeitet einer mit echtem Herzblut an seinem Projekt.
Weitere Bausteine
Der Artikel durchbricht schon jetzt meine übliche Textlänge, dabei habe ich nur wenige Mechaniken im Detail angesprochen. Andere Themenfelder, wie die Forschung und dem Handel mit Wissen, sind ebenso interessant, aber sein Militär oder Antrieb zu verbessern ist in dem Genre eher die Normalität. Hervorzuheben ist in diesem Bereich der Umstand, dass man zwar viele Stufen in den Technologien ausbauen kann und alle auf ihre Art für starke Veränderung sorgen, aber man im Regelfall nur einmal pro Runde forschen kann! Das auch nur, wenn man eine andere Aktion dafür opfert. Auch hier muss man sich also gut überlegen, welchen Weg man einschlagen möchte. Das scheint eh das Motto des Spiels zu sein!
Fazit
Um die anfängliche Frage zu beantworten: Galactic Era ist kein weiterer typischer 4X-Klon der Marke Twilight Imperium! Mehr noch, wer Galactic Era so spielt, wie er es bei der Konkurrenz erlernt hat, erlebt nur den halben Spaß. Die wirklichen frischen Mechaniken, wie die Gesinnungen der Fraktionen, mit all ihren moralischen Ausprägungen, die verdeckten Flotten, wo herrlich geblufft wird und die innovative Wachstumsmechanik, schnüren ein galaktisches Spielspaß-Paket. Die Spieler müssen allerdings bereit sein, auf den unterschiedlichen Ebenen Konflikte auszutragen! Errichte Wachstumsblockaden, wechsel im richtigen Moment deine Gesinnung oder klaue deinen Mitspielern üppig besiedelte Planeten. Galactic Era will dynamisch gespielt werden, dann entwickelt sich ein herrlicher Tanz um viele kleine knifflige Entscheidungen. Ich bin auf den heutigen Start des Kickstarters mehr als gespannt und freue mich schon jetzt auf die schicken Verbesserungsziele, wie individuelle Raumschiffe oder die Flottenhalterungen!
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1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Hi Christian,
mit Deiner Beschreibung des Spiels hast du das Wesentliche auf den Punkt gebracht, und damit den Spielablauf zwar grob aber sehr gut erklärt.
Meine Entscheidung als „Backer“ dabei zu sein steht schon länger fest, denn:
Ich selbst hatte insgesamt 4 Mal das Vergnügen, am Testspielen mitzuwirken, 2 Mal am Brettspieltisch, und außerdem einmal über TTS und einmal über BGG jeweils an einem von Channing hosted game teilnehmen zu dürfen.
Mein Fazit:
Jedes Spiel hat seine eigene Dynamik, angesichts der vielfältigen Möglichkeiten (das beginnt bereits mit der Auswahl eines Volkes von mehr als 10 verschiedenen Völkern und hört mit Wahl der Seite des Lichts, DAA, oder der Seite der Dunkelheit, DAS, noch lange nicht auf…) das Spiel anzugehen und sich auszurichten bleibt es immer faszinierend und spannend – bis zum Schluss.
Mit wachsender Spielerfahrung und Kenntnis der Spielmechanismen und -Möglichkeiten wächst auch die Begeisterung für das Spiel,
Wer sich für das Weltraumthema als Schauplatz des Spiels interessiert und zugleich mehr erwartet als Taktieren, Kämpfen und Erobern, wird ebenso viel Freude daran haben wie ich.
Grüße, Michael P. aus St.