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Teotihuacan: Die Stadt der Götter war von mir vor der Spiel 18 hoch gehandelt und das, obwohl es mich optisch eher abschreckte! Aber der Umstand, dass der Autor Daniele Tascini, der auch für Tzolk’in: Der Maya Kalender verantwortlich ist, hier seine Finger im Spiel hatte, machte mich mehr als neugierig. Der Schwerkraft Verlag nahm sich der deutschen Version an, mit der wunderbaren Warnung, dass wir es hier mit einem echten Expertenspiel zu tun haben. Ich dehne das auf den Namen weiter aus, trotz Sprachhilfe über Youtube, ich kriege diesen Namen nicht über die Zunge. Egal, ab nach Mexiko in das Jahr 100 n. Chr., die Masken aufgesetzt und als Adliger am Ruhm gefeilt!

Kurzcheck: Darum geht es in Teotihuacan: Die Stadt der Götter

Kurzcheck ist eine Herausforderung, aber ich will es wagen. Das Spiel ist nämlich weit weniger kompliziert, als es die Erklärung vermuten lässt. In Teotihuacan übernimmt jeder Spieler in der Rolle eines Adligen die Aufgabe Ruhm zu sammeln. Dafür läuft man mit seinen Würfeln (= Worker) im Kreis und löst Aktionen aus. So baut man eine Pyramide, sammelt Ruf auf den drei Götterpfaden, schaltet Boni frei, verziert die Pyramide, sammelt Rohstoffe oder baut die Straße der Toten aus. Kurzum, es gibt viel zu tun! Die Würfelzahl und die Anzahl der eigenen Würfel auf der jeweiligen Aktion bestimmen deren Stärke. Nach der Aktion darf man meistens noch einen Würfel hochstufen. Aus einer drei wird so z.B. eine vier, die mächtiger ist, wenn ich sie auf den Aktionfeldern aktiviere. Das Hochstufen zeigt, die Würfel bleiben ansonsten immer auf ihrer Seite liegen, gewürfelt wird in Teotihuacan nicht ein einziges Mal!

Nach drei Eclipsen hat der Spieler mit dem meisten Ruhm gewonnen, wobei jede Eclipse aus mehreren Runden besteht und Zwischenwertungen stattfinden. Dabei lässt Teotihuacan viele Wege zu, um an Ruhm zu kommen. Da viele Aktionen auch gut verzahnt sind – z. B. mit den Tempeleisten – darf man sein Hirn nicht an der Garderobe abgeben. Was machen meine Mitspieler und wie möchte ich spielen? Fragen, die einen ständig begleiten. Der Anspruch ist hoch, denn das Ziehen und richtige Hochstufen der Würfel ist schwieriger als man vermuten würde und erfordert sorgfältige Planung.

Auf dem Spielbrett ist ordentlich was los! Was auf den ersten Blick recht abstrakt aussieht, ist im Detail sehr liebevoll gestaltet.

Gold? Ich will Kakao!

Mit Würfeln im Kreis laufen, ist an sich schon gar nicht so einfach! Es ergeben sich zwei Herausforderungen. Ich möchte, um den größten Boni abzugreifen, eigentlich fast egal bei welcher Aktion, immer mit mehreren Würfeln dort stehen und zusätzlich noch mit hoher Augenzahl. Auf der anderen Seite macht die Konzentration von Würfeln auf einem Feld meine Züge unflexibler und ausrechenbarer für die Mitspieler. Verschärft wird das ganze nun durch den Kakao. Wertvoller als jede Währung, denn ohne Kakao, bist du nicht viel in Teotihuacan.
Jedes Mal, wenn du ein Aktionsfeld benutzen möchtest, muss du entsprechend der schon vorhandenen Würfelfarben (eigene wie fremde Würfel), Kakao abgeben. Je interessanter gerade eine Aktion gefragt ist, desto teurer wird das Auszulösen! Da man Kakao auch für Bonusplättchen braucht oder beim Eintritt einer Eclipse seine Würfel mit Kakao bezahlen muss, ist große Vorsicht geboten, wofür man seinen Kakao benutzt. Umgekehrt ist es aber so, dass Felder mit vielen Würfelfarben auch viel Kakao abwerfen. Denn Kakao erhält man, wenn man auf ein Aktionsfeld zieht, aber auf die Ausführung verzichtet. Entsprechend der Würfelfarbe minus eins, erhält man Kakao. 
Die Interaktion ist somit hoch! Gerade wenn der Kakaovorrat eines Spielers gering ist, kann man ihn ausbremsen. Schnell wird eine Aktion, die man geplant hat, durch das Setzen der gegnerischen Würfel plötzlich nicht bezahlbar. Umgekehrt wird man vielleicht dazu verleitet, eine geplante Aktion sausen zu lassen, weil der Kakaoertrag gerade so hoch ist.
Aus meiner Sicht sind die einzelnen Aktionen sehr selbsterklärend. Würfelanzahl, Höhe der kleinsten Zahl, ergibt den Ertrag. Links der Bereich zum Beten. Der Gelbe Spieler hat hier seinen 3er Würfel ins Feld gezogen. Nun erhält er entweder vier Kakao oder gibt zwei ab um 3 Kakao und drei Holz zu erhalten.

Aufpassen ist angesagt

Einzige Aktion die Downtime verursacht. Wo und mit welchem Plättchen baue ich die Pyramide mit dem größten Bonus aus.

Diese Interaktion zieht sich durch viele andere Spielbereiche. Man schnappt sich Boni auf der Tempelleiste weg, kämpft um gerade passende Pyramiden- oder Treppenplättchen. Die setzbaren Häuser durch die Straße der Toten sind auch begrenzt und wer bei den Technologien später entwickelt, schenkt anderen Siegpunkte. Achte auch darauf welche Masken die Mitspieler sammeln, denn vollständige Sets bringen viele Siegpunkte ein. Dazu gesellt sich die oben beschriebene Kakao-Mechanik. Während einer Partie Teotihuacan ist der Zug der Mitspieler immer interessant, weil er Einfluss auf mein eigenes Vorgehen hat. Wir sind hier also weit entfernt von einem parallel gespielten solitären Optimierungsspiel.

Die Subline bezieht sich aber noch auf ein zweites Element, das gerade für Anfänger sehr präsent sein kann. Teotihuacan: Die Stadt der Götter hat viele Zusammenhänge. Dort etwas gebaut, hier der Marker geschoben, jetzt ein Plättchen gekauft, dadurch auf der Tempelleiste aufgestiegen, was gleichzeitig mit einem weiteren Bonus belohnt wird. Es gibt hier einige Marker zu schieben und all seine Boni im Kopf zu behalten. Wie oft in den ersten zwei Partien selbst vergessen wurde den Spielrundenmarker vorzubewegen! Der Spielablauf ist für Vielspieler sicher schnell in Fleisch und Blut übergegangen, die unzähligen Leisten und Boni im Blick zu haben, ist aber gerade am Anfang eine Herausforderung.

Der Aufstieg

Die Boni beim Aufstieg eines Würfels.

Ich hatte eingangs erwähnt, das man nach einer Aktion einen Würfel verstärkt. Dabei gibt es zwei Dinge zu beachten, welche die Handhabung dieser Mechanik interessant macht. Zum einen ist diese Aufwertung Pflicht, zum anderen stirbt der Würfel auf einer sechs. Das bedeutet, dass ich mit einer fünf zwar die meisten Boni abgreife, aber danach der Würfel auf die eins zurückgesetzt wird. Autsch! Einziger Vorteil, ein Würfel von eins bis drei ist bei einer Eclipse günstiger mit Kakao zu bezahlen. Da ist also Timing angesagt!

Wie immer ist das noch nicht alles. Jeder Würfel der stirbt, in Teotihuacan thematisch Aufstieg genannt, bringt dem Spieler einen wählbaren aber immer mächtigen Bonus ein. Gleichzeitig wird der Rundenmarker ein Feld weitergerückt! Herrlich fies, denn es verkürzt die Spielzüge meiner Gegner. Vielleicht ist sogar die Runde vorbei und es steht die Bezahlung an! Oh, du hast gar kein Kakao um deine Arbeiter zu bezahlen und wolltest noch an der Pyramide bauen? Schade, Schokolade. Wie gesagt, man sollte seine Mitspieler im Auge behalten.

Schließ mich ein!

Ich hatte ja schon von den Aktionsfeldern berichtet, bei denen man sich entscheiden muss, ob man Kakao erhält oder die Aktion benutzt. Es gibt aber noch eine dritte Möglichkeit. Man kann seinen Würfel dort beten lassen. Klingt komisch, der Ertrag ist aber nicht zu verachten. Je nach Aktion steigt man auf einer Tempelleiste auf und für die Abgabe von einem Kakao darf man optional noch ein ausliegendes Bonusplättchen nehmen. Je nach eigener Strategie kann dieser Bonus äußerst stark sein. Extra-Ressourcen, weitere Schritte auf den Tempelleisten, Würfelaufwertungen, Masken, im Prinzip gibt es zu jedem Spielelement einmalig einzulösende Boni. Teotihuacan wäre aber nicht Teotihuacan, wenn man nicht auch gleichzeitig ein Nachteil hätte. Wer sich für das Gebet entscheidet, schließt seinen Würfel ein und bringt sich so um einen Worker. Eigenes freikaufen nur mit Kakao-Kosten möglich!

Die Aktionsfelder können völlig frei platziert werden, das immer gleiche und optimierte Würfelzüge aufbricht.

Fazit

Teotihuacan: Die Stadt der Götter lässt einen erst ein wenig straucheln. Die Anleitung ist etwas sperrig, die ersten Spiele durchzogen von vergessenen Kleinigkeiten. Kein Wunder, wenn man bedenkt, was hier, wo überall Boni gibt. Aber das legt sich und dann entfaltet sich in Teotihuacan der Spaß: Würfel richtig bewegen und aufwerten, die Gegner im Blick haben und sich strategische Symbiosen überlegen, um extra viel Ruhm zu sammeln. Was erst wirkt wie solitäre Optimierung, ist an vielen Stellen durchzogen von Interaktion. Wer seine Kakaoreserven nicht im Blick hat und nicht erahnt, was Mitspieler wohl vorhaben könnten, steht dann manchmal dumm da. Überall herrscht der Konkurrenzkampf.

Die vielen verschiedenen Möglichkeiten, Würfel einzusetzen und zu punkten, begeistern ebenso wie die Variabilität. Denn die Anordnung der Aktionen können für Kenner des Spiels zufällig angeordnet und die Startbedingungen gedraftet werden. Richtig überrascht hat mich das wertige und optisch doch schicke Material! Vor allem strotzt das Spielfeld nur so von kleinen, liebevollen Details. So bleibt festzuhalten, wäre der Spielspaß eine Stimme, wäre Teotihuacan: Die Stadt der Götter vor Freundengeschrei stetig heiser.

Teotihuacan: Stadt der Götter
Spielinformationen
Genre: Expertenspiel | Personen: 1 - 4 | Alter: ab 12 Jahren | Dauer: 90 - 120 Minuten | Autor: Daniele Tascini | Illustration: Odysseas Stamoglou
SPIELSPASS
8.5
AUSSTATTUNG
8
SPIELIDEE
8.5
Positive Aspekte
Wertiges Spielmaterial
Viele Wege für Siegpunkte
Tolle Würfel-Worker-Mechanik
Modulares Spielfeld
Negative Aspekte
Einstieg nicht einfach
8.5
Redakteur | Admin | Gründer von Brett & Pad | Website | + Letzte Artikel

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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • BBBayForceBB
    16. Mai 2019 11:03

    Dieses Spiel ist völlig gnadenlos. Fehler werden langfristig erheblich bestraft. Kleine Fehler können sich gravierend auswirken. Dieses Spiel kommt mir vor wie eine Fahrt in einem Formel-1-Boliden. Es ist ständig höchste Konzentration und Optimierung angezeigt. Teotihuacan fehlt völlig ein Mechanismus, der Chancen ausgleicht. Spieler, denen es gelingt, sich anfangs gut zu platzieren, haben es im weiteren Verlauf immer leichter. Wer das Glück hat, auf einen Entwicklungspfad zu setzen, den kein anderer verfolgt, gewinnt, wer in Konkurrenz zu Mitspielern unterwegs ist, wird auf keinen grünen Zweig kommen. Strategiewechsel im laufenden Spiel sind aber nicht mehr möglich, bzw. kosten zu viele nicht erlangte Siegpunkte. Damit ist das Spiel für mich ein Glücksspiel ohne Würfel, das freilich zum Verwirklichen des Glücks weiterhin viel Konzentration erfordert, denn auch für Spieler, deren Strategie aufgeht, ist ständige Aufmerksamkeit nötig. Auch deren Fehler werden (siehe oben) gnadenlos bestraft.

    Antworten
    • Christian
      16. Mai 2019 12:01

      Hi,

      Vielen Dank für deinen Kommentar. Schade das dir das Spiel nicht gefällt. Vielleicht erhält es noch einmal eine Chance? Man muss schon aufpassen was andere Spieler vorhaben. Ich hatte in meinen Spielrunden eigentlich immer sehr spannende Partien und auch 60 Punkte Vorsprung sind schon geschmolzen. Auch der Sieger sammelte immer mehr. Am Anfang waren 110 Punkte ordentlich, nun eher 160 bis 180, ich hab auch schon von 240 Punkten gehört. Da ist also noch Luft nach oben.

      Manchmal passt es halt nicht. Was sind denn deine Favoriten?

      Viele Grüße

      Christian

      Antworten

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