Kurzcheck: Worum geht es bei Gentes?
In Gentes versuchen die Spieler in sechs Runden, aufgeteilt in drei Epochen, ihr Volk aufzubauen. Dafür gründet man Städte, erhält Tempel und Orakel, man bildet Personen aus, häuft Reichtum an, baut über Zivilisationskarten allerhand Gebäude, um am Ende die meisten Siegpunkte zu ergattern. Wichtigstes Element von Gentes ist die Aktionsmechanik, denn fast jede Aktion kostet Zeit-Plättchen (dargestellt durch Sanduhren). Jedes Spielertableau stellt aber nur eine begrenzte Menge an Feldern für diese Plättchen zur Verfügung. Man streitet sich in Gentes also nicht nur klassisch um Aktionen, sondern hadert auch mit seiner wenigen Zeit.
Überschaubare Grundregeln
Gentes ist schnell erklärt, aber weniger schnell zu fassen. Das liegt an der Verzahnung der Spielmechanismen. Jede Spielrunde besteht aus einer Blütephase, wo Aktionen ausgewählt werden, und einer Niedergangsphase, in denen das Spieltableau aufgeräumt und passive Boni verteilt werden.
Im Prinzip hat jeder Spieler in der Blütephase pro Zug nur eine Aktion, die ich hier nur kurz anreiße. Wer mehr ins Detail gehen möchte, dem empfehle ich die kostenlosen Regeln.
- Stadtgründung: Man besetzt in einen von drei Provinzen ein Feld für Boni.
- Philosoph: Man bildet seine Bevölkerung aus (6 „Berufe“)
- Mit dem Schreiber nimmt man sich aus der Auslage eine neue Karte
- Man spielt mit dem Chronisten eine Karte aus seiner Hand aus
- Wer den Steuereintreiber wählt erhält Münzen
- Man wird Startspieler
Jede Aktion ist nur begrenzt verfügbar und ist an unterschiedliche Bedingungen gekoppelt. Die Unterschiede definieren sich über die Kosten durch Münzen, Aktionsplättchen und Zeit. Auch das ist schnell verstanden: Münzen und Zeit sind das begrenzende Element. Je nach Wahl meiner Mitspieler, meinem Münzvorrat oder den noch freien Feldern auf meinem Tableau, auf dem Zeit- wie Aktionsplättchen abgelegt werden, gibt es unterschiedlich starke Aktionen. Hier kann man mit Blick auf die Mitspieler deren Züge auch schon einmal durchkreuzen bzw. sollte bei der Wahl der eigenen Aktion immer beachtet werden, was meine Gegenspieler wohl machen. Was jetzt hier so lapidar in zwei, drei Sätzen steht, wird in der Praxis zu hammerharter und durchaus spannender Optimierungsarbeit. Dementsprechend viel Aufmerksamkeit fordert Gentes ein!
Die Praxis: Wer hat an der Uhr gedreht?
Gut, ich habe den Übungsplatz auf der Hand. Damit darf ich ein weiteres Zeitfeld auf meinem Tableau freischalten. Mehr Zeit, mehr Aktionen – läuft! Zum Ausspielen liegt auf dem Spielbrett noch die passende Chronisten-Aktion für 4 Münzen und nur einer Zeit. Es gibt bessere Aktionsplättchen die weniger Münzen kosten, aber die haben meine Mitspieler schon weggenommen. Das ist halt der Nachteil wenn man als letzter in der Runde dran ist. Aber es ist immerhin das letzte Plättchen mit nur einer Zeit. Ach, Mist, für den Übungsplatz brauche ich noch einen Soldaten mehr. Also erst mit dem Philosophen ausbilden. Verdammt, warum liegt denn der Soldat ganz hinten in der Reihe? Das macht ihn teuer. Damit sich der Zeitinvest lohnt, könnte ich noch einen Handwerker zusätzlich ausbilden, den ich für eine zweite Karte auf der Hand brauche. Das kostet aber nun schon 8 Münzen. Mit der Chronisten-Aktion sind dann fast alle Münzen aufgebraucht. Ohne Münzen wird die Zukunft schwierig. Bekomme ich den Steuereintreiber zeitlich noch unter? Oder Vielleicht sogar die Gründung einer Stadt mit Münzeinkommen? Stadtgründungen sind aber sehr zeitintensiv. Gut, dann werde ich jetzt erstmal Startspieler…oder…doch nicht?!
Die Räder greifen ineinander
Jetzt wisst ihr vielleicht warum das Spiel am Anfang nicht so gut zu greifen ist. Und wir sind bei der Verzahnung auch noch nicht am Ende angekommen. Die Zivilisations-Karten geben zum Beispiel als Belohnung zusätzliche ausgebildete Personen. Da spart man sich manch Philosoph-Aktion. Oder sie bringen in der Niedergangsphase passives Einkommen in Form von Münzen oder Siegpunkten. Sie können aber auch Aktionen vom Spieltableau dauerhaft verbessern oder sogar zusätzliche Aktionen bringen. Jede Karte gibt es dabei nur einmal und hat unterschiedliche Bedingungen für das Ausspielen. Da wäre einmal die Anzahl an Personen, die ich allerdings nicht abgeben muss, oder gewisse Städte. Damit noch nicht genug, bringen Sie auch Siegpunkte. Wir sind hier aber bei Gentes, selbst hier drehen sich jetzt die Zahnräder! Spiele ich Zivilisations-Karten mit gleicher Symbolik, bekomme ich für jedes Symbol das schon ausliegt noch einmal Extrapunkte. Wer zu viele Karten bunkert, wird am Ende jeder Runde übrigens mit Zeit bestraft. Ja, Gentes ist kein Leichtgewicht – da rattert es im Kopf.
Bei den Stadtgründungen geht es nicht weniger verzwickt zu. Eine Stadt bietet mir bei der Gründung einen Bonus in Form von Siegpunkten, Münzen, Tempel- oder Orakelmarker. Tempelmarker können kurzfristig als Arbeiter benutzt werden, Orakel lassen einen ausgebildete Personen tauschen. Für jede schon gebaute Stadt in der gleichen Provinz erhalte ich den jeweiligen Bonus aber noch einmal. Es lohnt sich also in gleiche Provinzen zu bauen. Nicht ganz! Denn in der Untergangsphase bekomme ich nur aus jeweils einer Stadt pro Provinz einen Bonus. Ein weiteres Entscheidungsdilemma.
Die Zeit im Detail
Gentes hat sich mit der Zeitmechanik noch etwas Interessantes einfallen lassen. Manche Aktionen kosten nämlich zwei Zeitplättchen. Hier würde ich also noch wesentlich schneller meine Zeitleiste mit Sanduhren auffüllen und verliere weitere Aktionsmöglichkeiten. Auf der Rückseite des Zeitplättchens sind allerdings zwei Sanduhren abgebildet. Ich verbrauche also trotz zwei Zeiteinheiten nur ein Plättchen. Was sich hier wunderbar anhört, rächt sich dann eine Runde später. In der Niedergangsphase, wenn die Tableaus aufgeräumt werden, kommen alle Sanduhren zurück in den Vorrat, außer die Plättchen mit zwei Sanduhren. Die werden auf dem Tableau nur umgedreht und können erst in der Runde darauf abgeräumt werden. Wer also sein Zeitplättchen mit zwei Sanduhren spielt, erkauft sich auf Kosten der folgenden Generation einen Vorteil. Hier die richtige Balance zu finden, macht Spaß und ist einer der Schlüssel zum Sieg.
Die Freude an der Optimierung…
Spätestens jetzt sollte euch klar sein, was Gentes ist. Eine Zivilisation aufbauen ist nicht einmal wirklich Beiwerk, in Gentes geht es um die Optimierung der eigenen Züge auf mehreren Ebenen und um die strategische Ausrichtung. Wenn die Regeln und die Ikonografie sitzen, geht das sogar recht flott von der Hand. Trotzdem wird Gentes nicht jedem gefallen und damit kommen wir zur Damenbinde.
…wird manchem nicht reichen.
Wenn ihr mich fragen würdet, was es für Gebäude auf den Zivilisationskarten gibt, oder welche Städte man gründet, dann bekomme ich Probleme. Athen, Sparta…es gab einen Brunnen, eine Mine und ein Theater. Vielleicht eine Taverne? Und als meine Frau das erste Mal das Spiel sah und versuchte die Aktionen zu entziffern, da fragte sie mich was das Symbol der Damenbinde dort soll. In einer anderen Partie wurde das gleiche Symbol als Tablet entziffert. Beide Probleme haben die gleiche Wurzel: Gentes ist thematisch schwach!
Die Optik des Spiels ist schon sehr eigen, unterstützt vielleicht noch das Zivilisationthema um 1000 v. Chr, aber dann hört es auch auf. Ich sammle keine Rohstoffe und erarbeite mir keine Stadt, in Gentes ist eine Stadt das platzieren einer Holzfigur für Boni. Die Zivilisationskarten sind mit ihren Vorteilen ebenso abstrakt. Ich kann euch aus dem stehgreif nicht sagen was die Brunnenkarte bringt. Vielleicht Siegpunkte in der Untergangsphase? Vielleicht mehr Zeit oder einen Handwerker? Es bleibt alles abstrakt. So sehr Gentes durch die feine Spielmechanik begeistert, thematisch scheitert das Spiel. Wer ein Zivilisationsspiel wie Civilizations oder Through the Ages erwartet, der wird bitter enttäuscht.
Fazit
Gentes hat sich mit seinen cleveren Mechanismen schnell in mein Herz gespielt und da ist es nach vielen Partien auch geblieben. Die Zeit als zusätzlich begrenzendes Element fühlt sich absolut frisch an! Die Verzahnung von Aktionen, Zivilisationskarten und Städten bringt den Kopf ins Schwitzen und fördert unterschiedliche Strategien. Dabei ist es zwar leicht zu lernen, aber am Anfang aufgrund seiner Komplexität schwer zu greifen. Gentes erfordert eine hohe Aufmerksamkeit der Spieler, ist aber trotz des Optimierungscharakters zügig zu spielen. Leider schwächelt Gentes thematisch. Keiner meiner Mitspieler hatte je das Gefühl eine Zivilisation aufzubauen. Das liegt weniger an der ungewöhnlichen Optik, sondern vielmehr an den abstrakten Boni und Funktionen ohne thematischen Bezug. Wer als erfahrener Brettspieler darauf verzichten kann, der erlebt mit Gentes nichtsdestotrotz spielerisch starke Momente!
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[…] ist in meinen Top 5 aus 2017 gelandet und hat mich spielerisch voll überzeugt. Die frische Zeitmechanik ist grandios und die Punktekombos gerade am Ende machen auch Spaß. Das […]