Kurzcheck: Darum geht es in Remember our Trip
Thematisch geht es um die gemeinsame Erinnerung an den letzten Urlaub. Wer sich am besten die örtlichen Gegebenheiten ins Gedächtnis ruft, punktet und gewinnt das Spiel. Allerdings ist dieser Urlaub fiktiv und die beiden Städte Kyoto und Singapur werden auch in ihrer Fantasie jedes Mal neu erschaffen. Für mich war der Einstieg aufgrund dieser Tatsachen eher schwierig, weil das Spiel mechanisch etwas ganz anderes bietet und erst am Ende, wenn das Verständnis sitzt, daraus eine fiktive Erinnerung werden kann. Klingt kompliziert, ist aber schnell erklärt.
Remember our Trip ist ein Puzzle-Spiel. Jede Runde nimmst du aus einer Auswahl Gebäudeplättchen, die in einer vorgegebenen Anordnung auf deinen vor dir ausliegenden Stadtplan platziert werden müssen. Die Anordnung und die Auswahl an Gebäudeplättchen ist zufällig und variiert jede Runde. Die verschiedenen Gebäudearten haben als Vorgabe zum Punkten eine gewisse Größe und Form. Ein Hotel besteht z.B. aus drei Plättchen in L-Form oder als Gerade. Hat man eine Form vervollständigt, schreibt man sich die Punkte gut und löst den großen Kniff des Spiels aus.
Der große Kniff
In der Mitte des Tisches liegt nämlich ein weitere allgemeiner Spielplan der Stadt aus. Dort platzierst du nun ebenfalls dein fertig gestelltes Hotel. Fette Extra-Punkte incoming! Diese Erinnerung ist nun für alle SpielerInnen bindend. Wird ein Gebäude fertig gepuzzelt und der Platz ist schon auf dem zentralen Stadttableau besetzt, muss man auf Punkte verzichten, da die Erinnerung eben nicht richtig war. Wer also schnell und geschickt puzzelt, definiert die richtige Erinnerung für alle am Tisch. Das sorgt für richtig viel Interaktion! Eher eine Ausnahme bei Puzzle-Spielen.
Plötzlich ist das Thema da
Und so erhält auch das Thema Einzug ins Spiel. Wenn du im Norden anfängst ein Hotel zu puzzeln und dein Gegenüber dort ein Restaurant anfängt, geht es darum, wer zuerst fertig wird und damit dem anderen seine Erinnerung zerstört. Schnell fallen beim Table-Talk Sätze wie, „ups, sorry mein Freund, da war doch das Hotel.“ Was dem einem seine Schadenfreunde ist, ist dem anderen der Bluthochdruck. Dabei muss es so nicht enden! Noch besser wäre es, wenn du an der einen Stelle deinem Gegenüber nachpuzzelst und an andere Stelle selbst etwas erschaffst. Denn wenn du am Ende genau das puzzelst, was beim mittigen Stadtplan von anderen hinzugefügt wurde, erhältst du ebenfalls die maximalen Punkte. Da ist der Vorteil deiner MitspielerInnen dann hinüber. Das taktische wie strategische Wettrennen um die richtige Erinnerung über das Puzzeln von Plättchen entwickelt so schnell Suchtpotential! Eine Partie ist schnell gespielt und nach der Erinnerung ist oft vor der Erinnerung. Für mich bei dieser Art der Spiele eine Premiere.
Optik und Tiefgang
Durch die verschiedene Gewichtung der Punkte bei den Gebäuden, den zusätzlichen Siegpunkte durch offene Aufträge und den Vorgaben auf den Stadttableaus hat man auch etwas mehr zu knobeln, als anfänglich vermutet. Der grundsätzliche Spielablauf ist nämlich extrem simpel. Was man über den Anspruch nicht sagen kann. Die Plättchen der Gebäude sind begrenzt und die Karten, die die Auslegungsform bestimmen, sind auch festgeschrieben. Jede Karte gibt es nur zweimal. Das gilt es bei der Planung zu beachten. Ansonsten hat man viele Lücken, die nicht mehr gefüllt werden können. Für mich ist das Teil des Erfolgskonzeptes: einfache Regeln, viel Tiefgang beim Puzzeln inklusive hoher Interaktion.
Was mir gar nicht gefällt ist die Optik. Gut, es setzt sich definitiv ab und die Übersicht ist immer gegeben, aber mir ist der Stil zu schlicht und sachlich. Es fördert nicht gerade mein Kopfkino und Urlaubsstimmung kommt schon gar nicht auf. Meine Frau sah entsetzt das Cover der Schachtel und wunderte sich, was ich da wieder anschleppe. Also lasst euch davon nicht abschrecken – also von der Optik, nicht von den Gedanken meiner Frau! Auch würde ich mir ein paar mehr Städte wünschen. Kyoto und Singapur sind zwar nett, aber jetzt nicht in der Nähe meines Herzens. Wie wäre es mit Hamburg? Elbe und Alster ergeben sicher einen fiesen Spielplan. Oder Essen, als Epizentrum der Brettspiel-Szene?! Remember our Trip spielt sich zu zweit übrigens ganz wunderbar, wobei es auch zu dritt sehr viel Spaß macht. Zu viert habe ich es aufgrund von Corona nicht gespielt. Stelle ich mir allerdings chaotisch vor.
Fazit
Remember our Trip hat sich durch seinen unkomplizierten und schnellen Spielablauf, ohne dabei auf Tiefgang zu verzichten, direkt in mein Herz gespielt. Dabei schätze ich die hohe Interaktion, denn durch den Kampf um die richtige Erinnerung, ist vom ersten Plättchen an der Blick zu den MitspielerInnen unabdingbar. Sich über das Auslegen von Plättchen darüber zu streiten, wo jetzt das Restaurant oder der Stadtpark war, ist thematisch nicht nur unheimlich frisch, sondern fördert fiesen Table-Talk! Viele Puzzle-Spiele sind sehr solitär angelegt, bei dem maximal beim Auswahlmechanismus Konkurrenz forciert wird. Remember our Trip grenzt sich in dem Bereich extrem erfrischend ab. Durch diverse Aufträge, den zwei verschiedenen Stadtplänen und dem modularen Aufbau der Spielzüge bleibt das Spiel lange interessant und fordert auch die Schaltzentrale oberhalb des Halses. Und falls es euch so wie mir ergeht, springt über die gewöhnungsbedürftige Optik und wagt einen Versuch. Für mich ist Remember our Trip eines der besten Puzzle-Brettspieler dieser Tage.
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