
Dass sich Gaia Project auch im Jahr 2025 vor Krachern wie Andromedas Edge nicht verstecken muss, wurde ja bereits in der neuen Rubrik geklärt. Aber braucht es jetzt wirklich eine Erweiterung? Macht das spielerisch Sinn oder ist es einfach nur same, same, but different? Wir fliegen der verlorenen Flotte hinterher.
Kurzcheck: Darum geht es in Die verlorene Flotte
Seit Generationen sind die Völker der Galaxie auf der Suche nach den Schiffen der verlorenen Flotte, um der Herkunft der Q.I.C. auf die Spur zu kommen. Die vier Schiffe der verlorenen Flotte werden auf dem neu gebauten Weltraumplan zufällig platziert und können mit den neuen Erkundungsshuttlen besucht werden. Die Grundregeln für Reichweite bleiben dabei unberührt. Zum neuen Weltraumplan gesellen sich in der Erweiterung der Protoplanet und die Asteroiden. Zudem gibt es vier neue Völker, auf zwei neue Spielerfarben verteilt. Starten wir in der neuen Galaxie.

Unendliche Weiten
Das alte Spielbrett von Gaia Project löst bei mir ambivalente Gefühle aus. Ich liebe die Ansammlung der Planeten und die farbliche Vielfalt, gleichzeitig finde ich die Anordnung oft zu dicht. Klar, es ist alles der Mechanik geschuldet – allerdings könnte so ein Weltall auch lebhafter aussehen. Genau an diesem Punkt setzt Die verlorene Flotte schon beim Aufbau an. Um Raum für die Schiffe der verlorenen Flotte zu schaffen, gibt es Außensektoren und Zwischenräume. Auf diesen sind die neuen Spielelemente aufgedruckt: Protoplaneten, Asteroiden, unendliche Weiten und natürlich die Schiffe der verlorenen Flotte. An dieser Stelle habe ich beim Lesen der Anleitung die Autoren abgefeiert, denn die Schiffe sind herrliche Zitate aus der Welt der Brettspiele. Wer liebt es nicht, die neuen Schiffe Eclipse, Rebellion, Twilight oder T.F. Mars zu erkunden? Eine tolle Hommage.

Und dann?
Nach dem Spielaufbau bin ich echt beeindruckt. Gaia Project sieht nun aus wie eine fette Galaxie mit vielen tollen Elementen. Mein Kopf rattert vor der ersten Partie. Wäre hier nicht auch noch der Erkundungsaspekt möglich gewesen? Dass man neue Felder entdecken muss? Ich bremse mich und rufe mir ins Gedächtnis, was Gaia Project ist: ein Heavy Euro, kein 4X, und entsprechend sind die neuen Aktionen und die Veränderung des Spielbretts zu verstehen. Hier sticht thematisch sofort ins Auge, dass die mächtigen Q.I.C.-Aktionen auf dem Forschungstableau weggefallen und den Informationen zur Kolonialisierung der neuen Planeten gewichen sind. Ich bin entsetzt. Meine geliebten Q.I.C.-Aktionen weg? Mitnichten: Die verlorene Flotte erzählt die Geschichte zur Herkunft dieser Cubes – also werden wir dort auch die Antworten finden. Auf zur verlorenen Flotte!

Die Schiffe der verlorenen Flotte
In meiner ersten Partie habe ich die Schiffe der verlorenen Flotte etwas ignoriert. Oder nicht gut gespielt. Also teilweise. Ich habe mich auf ein Schiff fokussiert, hatte aber keine gute Position, weitere Schiffe zu erreichen. Zudem hatte ich die Fähigkeit meiner neuen Fraktion, der Tinkeroids, nicht prall genutzt. Marco und Uwe hingegen haben die zwei Schiffe und die dort platzierten neuen Technologien sehr gut in ihre Engine eingebunden. Ein Genuss. Was hier sehr gut zu beobachten war: Marc wollte Marco auf der Rebellion dazwischenfunken, hatte aber kein gutes Timing. Und das fliegt einem bei Gaia Project mächtig um die Ohren – auch oder erst recht bei der Erweiterung. Marco schnappte Marc eigentlich immer seinen Zug weg. Hammer.

Aktionen
Nach dem Aufbau sind die neuen Aktionen schnell erklärt. Es empfiehlt sich allerdings wirklich, Gaia Project vorher noch einmal pur zu spielen. Erstens sind dann die Aktionen und Grundregeln des Spiels bekannt, zweitens bekommt man ein sehr feines Händchen für die Leistung der Erweiterung. Die Erweiterung fügt sich wie ein perfektes Puzzleteil in Gaia Project ein. Ihr könnt auf den Schiffen für unterschiedlichen Ressourcen mächtige Aktionen machen – aber nur, wenn eure Engine und Strategie dazu passen. So erlangt Gaia Project noch mehr taktische und strategische Tiefe, zentriert aber auch den Wettlauf dieser Aktionen ein Stück. Herrlich. Hat man dann das Grundspiel nochmal vor Augen, sind die Änderungen bzw. neuen Aktionen selbsterklärend und gehen direkt in Fleisch und Blut über.

Auswahl
Die neuen Völker bzw. Rassen ergänzen diese taktische Tiefe. Die Moweyd starten analog zur Flavour-Geschichte am Anfang direkt an der T.F. Mars. Klar, die haben das Schiff entdeckt. Sind sie overpowered? Nein, definitiv nicht. Sie arbeiten sehr viel mit Allianzen, indem sie die Wertigkeiten ihrer Gebäude anpassen können. Die Darkanians starten auf den neuen Asteroiden und erhalten zusätzliche Ressourcen, sollten sie in einem neuen Sektor kolonisieren. Logisch, dass die über das Feld huschen wollen. Was mich wirklich beeindruckt hat: Die neuen Fraktionen fügen sich elegant zu der vorherigen Auswahl ein. Hier war feinstes Balancing am Werk. Mehr noch: Ich liebe einfach die Art und Weise, welche Auswirkungen unterschiedliche Fraktionen auf das Spiel haben – und das bei einem Heavy Euro. Respekt.

Anleitung
Beeindruckt hat mich zudem die Anleitung. Die war 2017 schon klonkig und steht dem auch heute in 2025 in nichts nach. Brutal textlastig und wenig übersichtlich. Herrlich, wie man so eine Chance vergeben kann. Gaia Project hat schon keine gute Anleitung, und jedes Mal, wenn ich etwas nachschlagen muss, ärgere ich mich immer wieder aufs Neue. Flavourtext ist neben Spielregeln abgedruckt, ohne es kenntlich zu machen. Allein die Auswahl der neuen Völker und die Änderungen für die Moweyd/Tinkeroids ist ein Krampf, der nur durch lautes Vorlesen und Mithilfe der Spieler gelöst wurde. Ätzend. Verschachtelte Sätze, lange Sätze und Informationen am Ende, die an den Anfang gehören. Warum steckt man nicht ein bisschen redaktionelle Arbeit in das Spiel als Gesamtpaket und entwirft etwas, um den Zugang auch 2025 neuen Spielern und Spielerinnen zu ermöglichen? Und weiter: 2,5 cm. Ich kotze im Strahl. So viel größer ist die Erweiterung, wenn ich sie in mein Kallax stelle. Warum in aller Herrgotts Namen kann man nicht wenigstens die Verpackungen gleich groß machen, damit sie nebeneinander auch optisch ansprechend aussehen? Ich verstehe so was einfach nicht.

Fazit
Die verlorene Flotte fügt sich wie ein samtweicher Überzug über Gaia Project und passt einfach wie das fehlende Puzzleteil. Gaia Project erhält durch die Erweiterung zusätzliche Tiefe und weitere strategische Möglichkeiten, ohne dabei am Grundspiel wahnsinnig viel zu ändern. Die neuen Regeln oder Anpassungen an der Mechanik sind – sofern man die beschissene Anleitung bearbeitet hat – nach der ersten Partie in Fleisch und Blut übergegangen. Die vier neuen Rassen erweitern das Spektrum, spielen sich herrlich anders und wirken sich auf die anderen Rassen elegant aus. Durch die vielschichtigere Karte der Galaxie fühlt sich Gaia Project einfach epischer an. Schweißnasse Hände sind hier garantiert – vor allem, weil das Timing im Zusammenspiel mit den Mitspielern und den Rundenzielen so filigran ist. Die verlorene Flotte ist sofort nach dem Spielen ein fester Bestandteil des Grundspiels. Das mag ich sehr, denn man muss nicht entscheiden, ob man mit oder ohne die Erweiterung spielt. Die verlorene Flotte macht das Spiel rundum besser und epischer. Gaia Project wird nicht mehr ohne gespielt.

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