Kurzcheck: Darum geht es in Targi und seinen Erweiterungen
Vorsichtig komme ich hinter den Stapeln an Brettspielen hervor und stammle ein auf der Zunge falsch abgebogenes „Tschuldigung“. Mein schamvoller Blick streift Targi und mustert seine Aufmachung. So richtig taufrisch sieht er nicht mehr aus, aber sein leicht ramponiertes Äußeres erzählt unsere gemeinsame Geschichte. Die nahm 2012 mit einem Blindkauf ihren Lauf. Es folgten unzählige Reisen. Targi sah den Strand, Campingplätze im Norden und Süden, diverse Hotelzimmer und meine beiden Kinder aufwachsen. Ja, seine Umkleidung mag Schrammen und Dellen haben, aber machen Falten nicht sexy? Und welche Konkurrenz riecht schon nach salzigem Rauschen des Meeres, ferner Sehnsucht und den besten Momenten im Leben?
Dabei blieb Targi immer bescheiden. Zwängte sich kompakt und ohne Klagen in jeden Koffer oder Rucksack. Targi war und ist ein fantastischer und treuer Begleiter. Nie verließ er das Gespann aus meiner Frau und mir, immer schenkte er uns interaktiven Spaß, ohne aufdringliches Regelnachschlagen oder komplizierter Starallüren. Loben möchte ich auch seinen bescheidenen Charakter in Bezug auf Spielzeit. Und wie dankte ich es diesem Spiel? Kurz und knapp: nie! Keine Rezension. Nicht über Targi, noch über seine Flamme Targi – Die Erweiterung. Sorry, Targi, jetzt gibt es die volle Packung Aufmerksamkeit!
Aufmerksamkeit
Targi setzt sich und seine Augen strahlen mich mit Aufmerksamkeit an. Wie soll ich beginnen? Sicher nicht mit Regelfeinheiten. Targi ist ein Klassiker, seinen inhaltlichen Lebenslauf kann man leicht nachschlagen. Seine spielerische Seele soll beschrieben werden. Targi ist perfekt komprimierte Spannung, weil jede Entscheidung Einfluss ausübt. Targi bietet mit seinem Eurogame-Charakter aus Aktions- und Ressourcenmangement eine klassische Bühne, das Schlaglicht aber fällt auf die hohe Interaktion. Es ist ein purer Wettstreit. Der Kniff dahinter ist so simpel wie genial.
Aus 16 Karten wird ein Rahmen gelegt. Innerhalb des Rahmens werden zufällig weitere Karten ausgelegt, die entweder mit Ressourcen- oder Stammeskarten gefüllt werden. Jetzt setzen abwechselnd die Spielenden drei Worker auf die Rahmenkarten. Karten, die von Workern belegt sind, sind tabu. Am Ende dieses Prozesses darf man nun seine Worker aktivieren und erhält alle Karten aus der Mitte, die zwischen den Kreuzungspunkten der Worker stehen und aktiviert belegte Rahmenkarten. Targi zieht die Augenbrauen zusammen und hebt die Hand. „Sorry, ich höre auf, über deine mechanischen Knochen zu schreiben!“ Trotzdem ein spannender Wettstreit, der sich dadurch potenziert, dass man eben um Stammeskarten kämpft, die Spezialaktionen ermöglichen und durch Set-Collection Extra-Punkte einbringen.
Mehr Tiefgang: Targi – Die Erweiterung
Nach vier Jahren war es Targi zu einsam und so trat Targi – Die Erweiterung in sein Leben. Beziehungsgegner würden sagen, es wurde komplizierter. Ich sage, die Targi-Familie wurde tiefgründiger und facettenreicher. Vielleicht sogar weniger fies, weil die neuen Optionen mehr dazu anregen, sich selbst zu optimieren, als den Mitspielenden eins auszuwischen. Mit dem Wasser kam eine weitere Ressource hinzu, die gute Tauschoptionen bot und für neue Stammeskarten gebraucht wurde. Als Paar liebten Targi und seine Erweiterung das Reisen. Ihr Lieblingsziel waren Wanderdünen. Als weiteres Feld für das Platzieren eines Worker, boten die Wanderdünen enorme Vorteile. Allerdings außerhalb des Rasters. Ergo verliert man durch die Aktivierung der Wanderdünen die Schnittpunkte bei der normalen Kartenauslage. Ich mag diese zusätzliche Option in besonderem Maße. Eine wandernde Targia-Figur lockte zudem mit Extra-Ressourcen, wenn man dort seinen Worker platzierte. Wenn ich Targi und seine Erweiterung so im Wohnzimmer stehend betrachte, sich innig anschmachtend, dann gehören sie einfach zusammen.
Mehr als ein Bonus: Die Bonus-Box
Wie in diesen Tagen so oft, geht der erste Blick aufs Äußere. Die Targi – Die Bonus Box zieht da seinen Blick auf die Ressourcen aus Holz. Die sind für den Preis in Ordnung, versprühen in heutiger Zeit aber weniger Deluxe-Gefühl. Vor allem deshalb, weil die bisherigen Pappplättchen sehr schick sind und kein Wassermarker aus Holz beiliegt. Doof für alle, die die Erweiterung besitzen, weil dann ein ungeliebter Materialmix entsteht. Das ist aber alles zu vernachlässigen, weil die Highlights anderer Natur sind. Es gibt nämlich 12 neue Aktionskarten für den Rand und drei neue Wanderdünen. Das sorgt mit dem Grundspiel und der ersten Erweiterung zusammen für viel Abwechslung. Gerade die neuen Karawanenkarten, wo man Randfelder oder Karten vom Ablagestapel benutzen kann, gefallen mir. Auch die alternativen Fata-Morgana-Karten sind spielerisch interessant, weil man hier seinen Worker aus dem Mittelteil auf eine unbesetzte Randkarte stellen kann. Neue Nuancen, die aber ganz andere Möglichkeiten bieten.
In der Bonus-Box ist dann noch ein Solo-Modus. Wer meine obige Geschichte an sein Herz gelassen hat, der weiß, dass ich als nicht-Solo-Spieler gerade bei Targi keine Ausnahme machen kann. Grandios ist aber, dass man die Herausforderungskarten des Solo-Modus auch als Variante im Spiel zu zweit benutzen kann. Diese Karten sind der blanke Horror, geben sie zu erfüllende Vorgaben vor, bei deren Nichteinhaltung die Niederlage droht. Für echte Profis empfohlen!
Fazit
Targi nickt mir zu und zieht sich mit seiner Entourage wieder zurück. Durchatmen und hoffen, dass mir Targi und seine zwei wundervollen Begleiter die späte Besprechung verzeihen. Die Targi-Spielwelt ist für mich von Urlaubsstimmung durchtränkt und entsprechend Rosa färbt sich der Eindruck. Trotzdem, kein anderes Brettspiel begleitet uns so pflichtbewusst an jeden fernen Ort. Es ist die perfekte Mischung aus kompaktem und hoch interaktiven Spielvergnügen, bei relativ einfachen Regeln. Die Erweiterung verändert das Gerüst etwas, weil es durch seine neuen Wege etwas zahmer im Duell, aber anspruchsvoller in der eigenen Optimierung wird. Die neue Bonus-Box wird dann seinem Namen gerecht. Wer schon alles von Targi hat, bekommt hier vor allem tolle neue spielerische Optionen, einen Solo-Modus und optionale Holzressourcen. In meiner Wahrnehmung wird sich, ganz typisch des aktuellen Zeitgeistes, in der Brettspiel-Blase zu sehr auf letzteres konzentriert. Der spielerische Inhalt sollte der Fokus sein und der passt gerade im Zusammenhang mit dem Preis absolut bei der Bonus-Box!
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7 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Danke. Einer der schönsten Targi Rezensionen überhaupt. Freut mich sehr, dass Ihr über Jahre so viel Freude mit Targi hattet.
Wünsche Euch (und jetzt auch nur Dir) viele weitere spannende Partien.
Und ich hab für das tolle Spiel zu danken. Wir haben einfach immer wieder Spaß mit dem Teil und es war wirklich höchste Zeit für eine Rezension.
Schöner Artikel! Die Reisespiele meiner Freundin und mir sind Fantastische Reiche, Jeckyll vs Hyde und eventuell noch Splendor (wobei die Box eigentlich zu groß ist, das Spielmaterial wird dann in eine kleinere Tupper-Box gepackt… ;-)) Targi habe ich noch nicht gespielt, von deiner Beschreibung her hört es sich aber sehr interessant an!
Ich hab immer Cabo und Skull King in der Tasche – ggf. nehme ich auch noch ein EPIC Game mit.
Targi hatte ich einmal mit, da gab es zoff, weil es schon echt ein fieses Spiel ist 😀
Ich mag es auch, wenn ein Blog nicht immer nur den neusten heißen Sch… bespricht. Zeugt für mich von echtem Interesse am Hobby und nicht nur an Clicks. Das hat mir schon bei Flamme Rouge und Terraforming Mars gefallen.
Spät besprochen – und von mir noch später entdeckt, nämlich erst spät in 2023, als es nach Essen endlich wieder lieferbar war.
Ich mag ja Siegpunktsammelei eigentlich nicht besonders, und die immer komplexer werdenden Regelwerke dieses Genres schon gar nicht. Aber da meine regelmässige Mitspielerin ausgerechnet diese, aber ausgerechnet keine asymmetrischen Zweier-Spiele (wie zB Mr. Jack pocket, Fugitive oder Jekyll vs. Hyde) mag, ist die Schnittmenge Spiele, an denen wir uns beide erfreuen können, etwas eingeschränkt. Wegen der guten Rezensionen (und nicht zuletzt der immer noch begeisterten Langzeit-Rezi hier) hab ich es für kleines Geld einfach mal mitbestellt.
Aufgrund der recht kurzen Spielzeit, den leicht zu erfassenden Regeln (die man nicht jedesmal wieder in einzelnen Punkten nachschlagen muss wie zB bei 7 Wonders Duell) und dem doch arg konfrontativen Ablauf macht bei TARGI das Siegpunktsammeln auch mir Spass, und bei meiner Mitspielerin hat es sogar voll ins Schwarze getroffen: Genau ihr Ding. TARGI geht bei uns beiden immer. Hat das Zeug zu einem ewigen 2-Personen-Klassiker!
Hallo KK,
das freut mich doch sehr. Es ist bei meiner Frau und mir auch ein absoluter (Urlaubs-)Klassiker. Da hat man wirklich sehr lange viel Spaß dran. Es kommt jetzt zwar nicht ständig auf den Tisch, aber immer wieder phasenweise und dann liefert es ab!
Liebe Grüße
Christian