Na gut, schwer zu lesen, ich verstehe. Aber irgendwie musste ich den Charme ja rüberbringen. Und wenn ein Brettspiel bei mir im Regal Charme hat, dann Frutti di Mare! Das fängt bei dem riesigen Spielbrett als Teller mit Spaghetti an, geht über Spielübersichten in Menü-Form und hört bei dem beigelegten Kochbuch auf. Ganz großes Frutti! Das Beste, Frutti di Mare muss sich auf diesen Charme nicht verlassen, da steckt spielerische Power hinter der Krabbenschere!
Kurzcheck: Darum geht es in Frutti di Mare
In Frutti di Mare ist es das Ziel jeden Spielers seine Königskrabbe in die Mitte des Tellers mit Spaghetti zu bringen. Wer das schafft hat sofort gewonnen! Weiter hat man gewonnen wenn man alle anderen Königskrabben ausschaltet oder ein eigenes königliches Frutti eine Runde lang in der Spielmitte überlebt.
Jede Runde in Frutti die Mare besteht aus drei Phasen. Erst erhält man sein Einkommen, danach darf man Fruttis rekrutieren, um in der letzten Phase seine Fruttis zu bewegen und kämpfen zu lassen. Der Kampf besteht aus einem einfachen Angriff- gegen Verteidigunsgwurf mit sechsseitigen Würfeln. Was sich simpel anhört, und zugegeben leicht zu lernen ist, wird dann auf dem Nudelteller der Praxis um einiges kniffliger.
Das Problem mit dem Bezahlmodel
Das fängt schon alleine damit an, dass viele Fruttis ganz schön teuer sind. So ein listiger Lachs, der schnell ist und Power hat, kostet ganze fünf goldene Muscheln! Als königliches Frutti kostet der heftige Hummer, eines der stärksten Kampfeinheiten im Spiel, sogar ganze sieben Muscheln. Mit dem Grundeinkommen von einer goldenen Muschel, wird man den Spaghetti-Teller nicht erobern. Zum Glück erhöhen Muschel-Fruttis den Ertrag. Aber nur wenn sie auf Arbeiter-Feldern stehen. Die sind rar gesät und meistens arg umkämpfte Gebiete! Der erste Nudel-Gang für die Fruttis, solche Gebiete sichern und für stetigen goldenen Muschelnachschub sorgen.
Also schnell eine große Menge mächtige Miesmuscheln gebaut und die Arbeiterfelder besetzen? Mitnichten. Denn neue Fruttis können nur auf den eigenen Rekrutierungsfeldern am Rand des Tellers aufgestellt werden. Davon hat jeder zwei Felder! Also gut, nur zwei Miesmuscheln pro Runde. Kann man machen, nur haben Miesmuscheln keine Angriffswürfel und nur einen Verteidigungswürfel. Sie sind also fragil. Ohne Schutz, wird dein Einkommen also wieder zusammenschrumpfen. Als Verteidigung eignet sich die schnittige Schwertmuschel, die hat immer 3 Verteidigungswürfel und kann auch einigermaßen austeilen. Kostet aber zwei goldene Muscheln und ist leider sehr langsam. Und vor allem langsamer als die Miesmuschel. Ihr merkt anhand dieses einfachen Beispiels das Frutti di Mare durch ein fragiles Einkommenssystem, begrenzten Rekrutierungsfeldern und sehr unterschiedlichen Fruttis, ordentliche Entscheidungen serviert.
Der schwache König
Die kniffligste Spielmechanik ist aber für die Königskrabbe reserviert! Man könnte jetzt meinen, dass diese monströse Figur und Chef im Ring alles wegrockt, dabei ist sie das schwächste Glied. Die Königskrabbe kann nämlich weder angreifen, noch hat sie eine ernst zunehmende Verteidigung. Sie ist eher der Supporter und muss auf dem Weg zur Tischmitte beschützt werden. Einmal pro Zug darf die Königskrabbe eine Rede schwingen und dadurch ihre Aktion definieren. Manchmal erhält sie zusätzlich eine Perle, das sind gleichzeitig ihre Lebenspunkte, bis zu einem Maximum von fünf. Meist muss sie aber Perlen abgeben – Autsch!
Die Aktion „Lang lebe der König“ ermöglicht es der Königskrabbe sich ein Feld zu bewegen und hier erhält sie auch eine Perle. Ohne diese Aktion bleibt sie stehen! Falls sie z.B. mit „Für Ruhm und Ehre“ ein anderes Frutti zweimal aktivieren möchte, was ungemein mächtig sein kann, dann muss sie selber stehen bleiben und verliert eine Perle, ergo einen Lebenspunkt. Es ist ein spannender Balance-Akt zwischen Vorpreschen, Perlen ausgeben und ansparen, die Frutti di Mare schwer zu meistern macht.
Frutti-Schach
Die Kunst ist es, auf die Entscheidungen der Spieler angemessen zu reagieren. Welche Fruttis werden rekrutiert? Worauf wird gespart? Was setze ich dem entgegen? Es gibt schnelle Einheiten die gut ausweichen, diverse Fernkampfeinheiten, Fruttis die über andere hinwegspringen, äh halt, das ist ja wie das Pferd beim Schach! Und da wären wir beim besten Vergleich! Frutti die Mare ist aggressives Schach mit bis zu sechs Spielern und verrücktem Setting. Dementsprechend taktisch geht es bei recht niedriger Spielzeit zu.
Der Anspruch wird noch einmal dadurch erhöht das die Fruttis in ihrer Anzahl verschiedenen oft vorkommen und wenn sie ausgeschaltet werden, in die Spielschachtel kommen. Das macht die Auswahl noch schwieriger und jeden Verlust schmerzhafter! Verkürzt aber wunderbar die Spielzeit, die so niedrig ist, das sich Frutti di Mare auch als Absacker eignet. Ja, man kann mit einem Teller Nudeln richtig viel Spaß haben, aber nur wenn die Mitspieler auf einem ähnlichen Niveau spielen. Ansonsten nimmt der Spielspaß merklich ab!
Die Schattenseite des Tellers
Dieser Spielspaß kann noch weiter abnehmen wenn man mit mehr als vier Spielern spielt und das ganze etwas zu ernst nimmt. Denn ab vier Spielern wird es richtig voll, da müssen Allianzen herhalten, die oft gebrochen werden. Der Kampf um die wenigen Fruttis nimmt dramatisch zu, Würfelpech ist noch unverzeihlicher. Und wer raus fliegt, ist raus! Komplette Spielerelemenierung muss man mögen. Mit Pech kann das auch schon früh im Spiel geschehen, dann heißt es warten und den anderen Krabben zuschauen. Wie gesagt, das ist hier kein friedlich buntes Familienspiel mit nem bisschen würfeln – auch wenn man es dazu missbrauchen kann. Frutti di Mare ist ein Wargame!
Fazit
Frutti di Mare versprüht unglaublich viel Flair! Oder hast du schon einmal mit Meeresfrüchten auf einem riesigen Teller Spaghetti gekämpft? Wenn der cremige Kaviar zur Tat schreitet, der alliierte Aal seine Fernkampfattacke raushaut, der Kugelfisch alles von der Platte drängt und die Königskrabbe seine Kampfrede schwingt, dann vergisst man schnell das hinter der extrem liebevollen Aufmachung ein hochgradig taktisches wie schnelles kompetitives Brettspiel steckt. Der Kampf der Königskrabben um die Tischmitte ist regeltechnisch simpel gehalten, schnell erlernt und taugt oberflächlich zum Familienspiel. Aber der Spielspaß wächst ungemein durch gleichstarke, taktisch versierte Mitspieler, die knackige und kompromisslose Kämpfe mit gewissem Glücksfaktor mögen! Für diese Zielgruppe taugt Frutti di Mare als kurzweiliger Zeitvertreib. Eine Revanche muss aufgrund der kurzen Spielzeit dann aber eingeplant werden!
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