Lesezeit: 5 Minuten

Torment: Tides of Numenera beginnt dramatisch! Man fällt aus atmosphärischer Höhe dem Erdboden entgegen ohne zu wissen wo man ist. Ja, und wer ist man überhaupt? Und einen Charakter habe ich auch noch nicht erschaffen. Dann liest man und entscheidet sich für eine Antwort. Dann liest man wieder. Und danach, ja, da liest man immer noch. Man fällt in der Zwischenzeit weiter dem Erdboden entgegen. Klar das man vor dem Aufschlag auf dem Erdboden noch ein paar Texte liest. Nach dem schmerzhaften Aufschlag erwacht man auf einer eigenartigen Platte, mit eckig, zylindrischen Säulen, die sich zum Teil bewegen. Ich bin verwirrt – ein Zustand der anhalten wird! Erstmal weiterlesen, das hilft!

Lesen lohnt sich

Ist das jetzt Zynismus? Mitnichten. Wenn Texte so brillant geschrieben sind, so voller bunter Metaphern und skurrilen Momenten, mit wilder Kreativität und wahrhaftigen Überraschungen, dann ist das zum niederknien. Es muss einem nur klar sein, dass man in Torment: Tides of Numenera viel liest. Und viel heißt, so richtig richtig viel! Das kann für den Feierabendzocker nach schwerem Arbeitstag manchmal mühsam sein, am Ende beschenkt Torment: Tides of Numenera einen aber mit den wohl besten Questexten überhaupt! Gut, das hätten wir geklärt.

Wo bin ich? Was ist das? Wer bin ich?

Überforderung?

Die nächste Hürde die man zu nehmen bereit sein muss, ist die anfängliche immer präsente Verwirrung! Die ersten zwei Stunden sind bizarr bis unbegreiflich. Andere Dimensionen, unbekannte Götter, besuchte Bewusstsein, immer währender Krieg –  äh was? Ferne Provinzen, nahe Dörfer, Materialien und technische Wunderdinge die so abstrakt heißen das ich ihre Namen wieder vergessen habe. Cypher kann man ausrüsten und gebundene Artefakte verstärken. Natürlich! Meine erste Waffe ist kein Dolch, sondern eine infundierte kristalline Scherbe, so ist das in der neunten Welt. Du weißt nicht was die neunte Welt ist? Weiterlesen. Irgendwann wird es klarer. Versprochen.
Der KUMMER schlägt zu
Torment: Tides of Numenera ist erst der Ort an dem man nur Bahnhof versteht und danach wird man ins kalte Wasser geworfen. Oder umgekehrt. Das muss man mögen, keine Frage! Aber es ist eben auch genau diese anfängliche Unerklärbarkeit und Andersartigkeit die einen in den Bann zieht. Das hier ist kein weiteres Fantasy Szenario mit Dorfdirnen, Fachwerkhäusern und ausgelutschten Elfen oder düstere Science-Fiction welche durch immer gleiche Muster, als angeranztes Sahnehäubchen mit Open World garniert, auf mickriger Sparflamme meine Begeisterung über 100 Stunden völlig erkalten lässt.

Meilenstein

In Torment: Tides of Numenera fackelt der Science-Fiction-Fantasy-Mix wie ein Brandeisen den Spaß ins Hirn. Das geht jetzt nicht ganz ohne Spoiler, aber es ist nur ein kleiner Ausblick für das was einen erwartet auf dem Beginn der Reise. Aber hast du mal mit einer Person gesprochen die ein O ist? Nein kein Tippfehler, ich rede vom Buchstaben. Kann ein Buchstabe überhaupt eine Person sein? Und meine Unterhaltung mit dem Genozid war wirklich gruselig. Die Hinrichtung ziemlich am Anfang des Spiels ist wohl die bizarrste seiner Art. Wie wäre es mit einer Geheimnishändlerin oder mentalen Kriegen? Dazwischen, viel zu lesen, aber noch mehr zu entscheiden! Nach ungefähr sieben Stunden hatte ich unzählige wirklich einzigartige Momente auf kleinsten Raum ohne einen einzigen Kampf! Ich schnupperte immer noch am Anfang der Geschichte, in der ersten Stadt und doch werde ich davon mehr im Kopf behalten als aus den meisten Spielen der letzten Jahre.

Viel zu lesen! Immer und überall.

Gezeiten

Kommen wir zum spielerischen und werfen den Blick auf die Gezeiten. Diese stehen in direkten Zusammenhang mit den Antworten und Entscheidungen des Spielers. Im Prinzip ein psychologischen Profil, ist es umfangreicher und stärker ausgereizt als bekannte Karma oder Gesinnungssysteme aus anderen Spielen. Bin ich ein Entdecker, Lehrmeister und Forscher? Verschreibe ich mich eher den Emotionen oder bin ich eher an Ruhm interessiert? Die insgesamt fünf Gezeiten sind Farben zugeordnet und auch mischbar. Es hat Einfluss darauf wie die Umwelt auf meinen Charakter reagiert und verändert Gesprächsoptionen wie auch Elemente des Spiels.

 

Kampf

In Torment: Tides of Numenera wird in Runden gekämpft. Mag ich eigentlich. Ein Divinity Original Sins hat das großartig zelebriert. Hier in Torment ist es okay. Die Skills sind nicht ganz so vielfältig, die Masse an Gegnern macht immer ihren Zug, man selber guckt dann mehr als das man spielt. Die KI hat dann auch leicht Schluckauf. Wildes herumrennen macht anscheinend Spaß. Leicht sind die Kämpfe trotzdem nicht. Denn Torment: Tides of Numenera erschlägt die Defizite mit Masse. Das Schönste: man muss selten kämpfen, wenn man es geschickt anstellt. Von daher geht das alles so in Ordnung.

Ähm… interessantes Wesen.

Witziges Probensystem

Besser als das Kampfsystem haben mir die Proben gefallen. Diese basieren immer auf einer der drei Attributen der Charaktere. Es gibt aus Fertigkeiten, temporären Buffs und weiteren Dingen eine prozentuale Chance die Probe zu schaffen. Nun kann sich ein Charakter aber mächtig anstrengen um seine Chancen zu verbessern. Hierfür gibt er einen Teil seiner Attributspunkte aus. Man kann so seine Chance auf 100% steigern, was natürlich oft viele Punkte kostet. Die man natürlich nicht hat! Rasten oder Tränke setzen die ausgegeben Punkte zurück – beides kostet Kohle! Man muss sich also gut überlegen wann und wie viele Punkte man einsetzen will.

Die Schwächen

Um zum Ende noch leichte Kritik zu üben, ich finde es äußerst Schade das man zwar den Charakter seines Helden erstellt, nicht aber sein äußeres. Auch die Begleiter, mit guten eigenen Quests beschenkt, könnten abseits dieser etwas gesprächiger sein. Hier war Pillars of Eternity für mich stärker! Allerdings führt man so viele Gespräche in diesem Spiel, das man dies weniger vermisst als man vielleicht vermutet. Und wenn wir schon dabei sind, auch die Technik ist schlechter als gedacht. Das Artdesign ist großartig, keine Frage, aber berauschend ist die Optik nicht.

Treppe rauf, nein runter… was mache ich hier?

 

Fazit

Ich bin ein Fan isometrische Rollenspiele und bin froh über das Wiederaufleben des Genres, welches nach Baldurs Gate 2 so gut wie ausgestorben war. Torment: Tides of Numenera setzt dem Ganzen nun die Krone auf! Es mag viel einfordern, weil es selbst ein Pillars of Eternity zu jeder Zeit vom Textaufkommen und seinem Anspruch locker in die Tasche steckt und der Einstieg ist verwirrend bis überfordernd. Man nennt das Unzugänglich. Egal! Torment: Tides of Numenera will und wird nicht jedem gefallen und das ist gut so. Es ist voll wilder Kreativität, einem grandiosem Storrytelling, einer Welt so bizarr und Quests so einzigartig, das es Momente für die Ewigkeit erzeugt. Ein Attribut das in hochglanzpoliertem AAA Projekten kaum noch zu finden ist. Da verschmerzt man die nicht ganz taufrische Optik und das unspektakuläre Kampfsystem. Schert das Torment: Tides of Numenera? Nein, den Hochglanz-Krieger findet man in anderen Welten. Hab gehört da mag man auch Frauentausch und Dschungelcamp. Zum Ende noch ein kurioser Fakt, wer alles in Torment: Tides of Numenera lesen möchte, es warten 1.200.000 Wörter auf dich. Ich sagte ja, herrlich viel zu lesen.
Torment: Tides of Numenera
TECHNIK
76
GAMEPLAY
90
SPIELSPASS
96
Leserwertung0 Bewertungen
0
Kurzfakten
Wundervolles Storytelling
Sagenhaft fantastische Welt
Viele knifflige Entscheidungen
Innovatives Probensystem
Wirklich viel zu lesen
Spielinformationen
Genre: Isometrisches RPG
Spieler: 1
Alter: ab 12 Jahren
System: PC (gestestet)
86
Redakteur | Admin | Gründer von Brett & Pad | Website | + Letzte Artikel

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