Das VR Adventure Loading Human wurde von den Entwicklern Untold Games als einzigartige Virtual-Reality-Erfahrung angepriesen. Man verspricht eine große Geschichte, eine Art Space-Opera. Dazu gesellen sich moralische Entscheidungen und gar eine Romanze. Ich war gespannt wie sehr mich ein Adventure, ein Genre das mich nicht unbedingt anspricht, in VR begeistern kann?
Das Brechmittel-Tutorial
Bevor man in Loading Human in die Geschichte eintaucht ist das Tutorial Pflicht. Und das ist auch gut so, schließlich ist das Steuerungskonzept nicht selbsterklärend. Gleichzeitig steht das Tutorial sinnbildlich für das ganze Spiel, mit all seinen Stärken und Schwächen.
Die Stärke ist der Ansatz den Loading Human mit der VR verfolgt. Mit zwei Move-Controllern bewegt man völlig frei seine Arme und Hände. Man lernt zu greifen. Gegenstände aufzuheben, sie von allen Seiten zu betrachten und zu benutzen. Bei all den Aktionen ist mein Körper voll animiert. Sehe ich an mir herunter sehe ich „meinen“ Körper – die Immersion ist in diesem Bereich also recht groß!
Das ist dann aber gleichzeitig auch die große Schwäche. Schon im Tutorial kann einem furchtbar schlecht werden. In Hände und Arme taucht man virtuell ein, der Rest meines Körpers sitzt, während er sich im Spiel sichtbar bewegt. Das fühlt sich freakig an! Weiterer Immersionsbruch – zum nach vorne bewegen muss ich einen Knopf gedrückt halten. Zur Seite umdrehen: Move-Controller in die jeweilige Richtung halten plus Tastendruck. Umdrehen? Move-Controller über die Schulter halten plus Tastendruck. Hinhocken: Move-Controller nach unten richten plus Tastendruck. Konzept verstanden? Durch das Zielen mit dem Move-Controller in diverse Richtungen drehe und bewege ich also meinen Körper auf der Stelle. Das fühlt sich umständlich an und wirkt alles andere als immersiv.
Schlimmer noch, es kann auf den Spielspaß drücken. Wenn ich in eine virtuellen Umgebung eintauche, dann aber beim Gang zum nahelegenden Bürotisch aufgrund der umständlichen Steuerung dreimal dran vorbeilaufe, mich dann zweimal falsch drehe und für diese gefühlten drei Meter ein Move-Gefuchtel abfeuere als wäre ich auf einem LSD-Hardstyle-Trip, ist das VR-Experiment am scheitern.
Es hat mich gepackt
Die Stärken, aber vor allem die Schwächen bleiben. Man gewöhnt sich mit der Zeit etwas an die Steuerung und durch das aktive mitbewegen des Oberkörpers beim virtuellen gehen, habe ich zumindest meine Motion-Sickness abgelegt. Der Grund das Loading Human einen aber in seinen Bann zieht, ist neben dem neuen Gefühl der virtuellen Realität, eben auch die Geschichte die erzählt wird.
Die ersten Szene von Loading Human stehen dann genau dafür. Man sitzt in einem stylisch eingerichteten Wohnzimmer, mit Blick durch eine riesige Glasfront auf einen wunderschönen Sonnenuntergang. Neben sich ein feiner Drink und ein Buch. Wer man ist und was man auf dieser Forschungseinrichtung macht, noch ein Mysterium. Man wartet auf die Ankunft von etwas – so viel wird aus den hörbaren Gedanken des Hauptcharakters Prometheus klar. Was für eine wunderbare VR-Atmosphäre! Dann ein Zeitsprung in der Handlung. Das selbe Zimmer, völlig verwahrlost, leere alkoholische Flaschen säumen das Zimmer, Bücher wild verteilt – kurzum, das totale Chaos. Auch scheint man depressiv, ja hoffnungslos zu sein. Was ist passiert? Wieder Zeitsprung, diesmal erlebt man die Ankunft zu den Örtlichkeiten in denen die erste Szene spielte und lernt Alice kennen. Die erste virtuelle Frau die ich treffe. Ich schüttle ihr die Hand. Alles wirkt so plastisch, ein sonderbares VR-Gefühl. Am Ende geht es in Loading Human um Unsterblichkeitsprogramme, Familie und Liebe. Um Forschung und Entdeckung. Mehr will ich nicht verraten! Schade ist, dass die erste Episode mit über 4 Stunden zwar gut unterhält, aber von dem großen moralischen Drama noch nicht ganz so viel zu spüren ist. Die knapp 40 Euro sind für ein Episodenspiel dann auch recht hoch. Trotzdem freue ich mich auf die zweite Episode!
Verständlicher Rückschritt
Worüber man sich weniger freut ist der technische Aspekt. Das Spiel ist weit von aktueller Grafik entfernt. Zwar wird durch ein stimmungsvolles Design vieles kaschiert, aber das Spiel wirkt trotz leichtem Comictouch recht grob gezimmert. Die Figuren sehen etwas besser aus, aber es ist einfach ein grafischer Rückschritt den man hier für das VR-Erlebnis bezahlen muss.
Ein neues Erlebnis
Ich habe ihn gerne bezahlt. Räume aktiv zu erkunden, sich umzuschauen und Gegenstände von allen Seiten zu untersuchen, erschafft ein viel tieferes Adventure-Gefühl als am flachen Bildschirm. Viele kleine Spielereien wie zum Beispiel digitale Zeitungen, durch die man blättern kann, das greifen von Flaschen und dem anschließenden zerdeppern oder die anfängliche Rasur im Badezimmer, vermitteln das Gefühl im Spiel zu sein. Kleinere Rätsel wie Codes knacken, Schlüsselkarten sammeln und Schalterrätsel, oder das besuchen von dunklen Orten mit Taschenlampe, zeigen das VR-Elemente auch spielerisch Spaß machen und nicht nur alles atmosphärische Gadgets sind. Klar gibt es noch viele Stolpersteine und einiges wirkt unbeholfen, die gebotenen Rätseln sind oft zu seicht, aber Loading Human zeigt in vielen Ansetzen wohin die Reise gehen kann. Wird diese Reise weiter verfeinert, werde ich wohl ein großer VR-Adventure-Fan.
Fazit
Das VR-Adventure Loading Human ist abschließend sehr schwer zu beurteilen. Als Pionier in Sachen VR-Erfahrung zeigt das Spiel schon immenses Potential. In einer virtuellen Umgebung eine Geschichte zu erfahren, kleine Rätsel zu lösen und aktiv über die Move-Controller mit seinen Händen auf unterschiedlichste Weise mit der Umgebung zu interagieren, ist fantastisch. Für mich hebt es die typische Adventure-Erfahrung auf ein neues Level. Da will ich, genau wie von der Science-Fiction Geschichte, mehr von! Was ich nicht will ist eine suboptimale Steuerung, die einen immer wieder aus der virtuellen Realität wirft – oder noch schlimmer, Übelkeit hervorruft. Technisch muss man wissen worauf man sich einlässt. Es ist kein visuellen Feuerwerk, aber für ein VR-Starttitel in Ordnung. Der Preis für die erste Episode bei der gebotenen Spielzeit von 4 Stunden ist dann aber hart an der Grenze – im Vergleich zu manch anderen VR-Titel dann aber wieder fast ein Schnapper!
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