Lesezeit: 4 Minuten
Playball ist futuristisches Football, bei dem Bilder von akrobatischen Gladiatoren in Space-Rüstungen der Marke Aristeia! in meinem Geist herumspuken. Leider bin ich wohl veranlagt, LSD-ähnliche Zustände in mir hervorzurufen, selbst wenn ich nur einen guten Schuss Mandelmilch trinke. Playball ist nämlich ein abstraktes Ballspiel in kompakten Ausmaßen. Das Hexfeld-Spielbrett kleiner als ein Frühstücksbrettchen und dazu sechs farbige Holzscheiben und ein schwarzer Holztoken als Ball. Fertig. Ich spüre trotzdem Future-Football!

Kurzcheck: Darum geht es in Playball

Playball ist ein abstraktes Ballspiel, bei dem zwei Personen mit ihrem Team aus drei Holzscheiben durch geschickte Bewegungen und Passen eines Balles diesen in einer von drei Endzonen unterbringen müssen. Die Regeln sind extrem simpel: Drei Bewegungsaktionen pro Aktionsphase, unendlich viele Pässe, gegnerische und eigene Scheiben können wie beim Klassiker Dame bei der Bewegung übersprungen werden und der Ball muss in die Endzone getragen, nicht“gepasst“ werden. Ein Pass funktioniert zudem nur entlang einer komplett geraden Linie von Hexagonen, die nicht von einem gegnerischen Spielstein unterbrochen werden darf. Hast du deine drei Bewegungsaktionen erledigt, wäre danach ich mit meinen drei Aktionen dran. Ein Ball kann geklaut werden, wenn ich mit meiner Scheibe über deine ballführende Scheibe springe. Gespielt wird, bis eine Person drei „Tore“ erzielt hat. Es kann als Alternative aber ähnlich wie beispielsweise beim Schach auch nach Zeit gespielt werden. Je nach Veranlagung und Erfahrung der Spielenden kann das Erzielen von drei Toren nämlich wesentlich länger als die veranschlagten 20 Minuten dauern.

Die Arena in all ihrer Pracht

Erste Verwirrung

Es gibt noch ein, zwei Sonderregeln bezüglich spezieller Spielsituationen, aber grundsätzlich passen die Regeln fast auf eine Briefmarke. Zumindest bei Schriftgröße 5. In Natura umfasst die großzügig gestaltete Anleitung in A6 auch nur 4 Seiten. Wäre das Spielbrett aus robuster und dicker Pappe nicht so „groß“, das Spielmaterial würde in eine große Streichholzschachtel passen. Ich war zwar wegen der knalligen Farben aus Pink und Petrol begeistert, aber auch irritiert. Kann so ein enorm abgespecktes, abstraktes Spiel wirklich Spaß machen? Denn im Prinzip ist es ein eingedampftes Dame auf einem Hexfeld mit einem Ball-Marker.

Aus der Defensive sein Spiel aufbauen?

Dann der Spaß?

Allerdings hat schon die erste Partie gegen meinen großen Sohn eines gezeigt: Durch das kleine Spielfeld ist die eigene Bewegung mit oder ohne Ball echt knifflig. Und trotz der Möglichkeit, den Ball weit zu passen, sind drei Bewegungen viel zu wenig, um schnell in die Endzone zu kommen. Ich saß da vor meinem Sohn und wir grinsten uns schnell mit rauchenden Köpfen an. Und bei mir sprang das Thema dann eben auch wie in der Einleitung an. Ob Tiki-Taka oder Sicherheitspässe nach hinten, um Zangenangriffe vorzubereiten, hier entstand plötzlich ein Sportspiel vor unseren Augen. Passwege wurden zugestellt, zur Absicherung wurden hintere Scheiben mit Ball zum Libero oder Quarterback fantasiert und jeder von uns versuchte durch akrobatische Sprungketten und vom Gegner nicht gesehene Kombo-Bewegungen, Boden gutzumachen. Irgendwie cool. Nur ein Tor wollte nicht fallen. Wie gesagt, gar nicht so einfach. Der Spaß war aber greifbar!

Rot am Zug? Dann gibt es jetzt ein Tor!

Das Naturell des Abstrakten

Ein paar Partien später kann festgestellt werden, dass Playball für mich ein ziemlich cooles Reisespiel ist. Kompakt, schnell gespielt und … zügig gewonnen. Verdammt, doch nicht so perfekt. In der Familie bin ich mittlerweile so ungeschlagen, dass niemand mehr gegen mich wirklich spielen will. Für die Kinder ist es gegeneinander dann am Ende zu abstrakt, auch wenn es für ein paar Partien manchmal beim Camping reicht. Abstrakte Brettspiele und so auch Playball belohnen Erfahrung und gewisse Spielernaturen. Wer hier auf gleichgesinnte trifft, am besten mit meinem überdimensionierten Kopfkino, erlebt hier einen coolen Snack. Ansonsten wird es eine einseitige Sache. Als Sportfan und Besitzer von UND1C1 hätte ich mir trotzdem etwas mehr langfristige Abwechslung gewünscht, wie beispielsweise durch verschiedene Fähigkeiten von Scheiben. Vielleicht wird damit der bewusst schlichte Charakter und die Absackerfähigkeit aufgehoben, aber der Wiederspielwert wäre sicher höher und vor allem könnten Erfahrungsunterschiede so vielleicht ausgeglichen werden.

Blau scheint kurz vor einem Tor zu sein, allerdings kann es schneller kippen als man denkt

Fazit

Playball ist ein kompaktes und abstraktes Reisespiel für zwei Personen, das trotz seiner wirklich stark abgespeckten Regelkatalogs und Materialumfangs durchaus Sportflair auf den Tisch zaubert. Das muss man mit 6 Scheiben auch erst einmal schaffen! Die wenigen Regeln ermöglichen einen schnellen Einstieg. Dabei sind Kinder wie wenig erfahrene Personen gleichermaßen für einen Ritt um den Ball eingeladen. Fasziniert war ich von den strategischen Möglichkeiten, durch die Vorausplanung von Spielzügen und den dynamischen Bewegungen bei gleichzeitigen Kontern, falls Fallstricke antizipiert werden. Playball als cooles „Dame mit Ball“ funktioniert. Wie im Genre allerdings üblich, findet Playball als abstraktes Spiel auch keine Lösungen für Ungleichheit bei Erfahrung oder allgemeiner Veranlagung für solche „Denkspiele“. Am meisten Spaß macht das Duell, wenn sich auf Augenhöhe getroffen wird.

Playball
Spielinformationen
Genre: Abstrakt | Personen: 2 | Alter: ab 7 Jahren | Dauer: 20 Minuten | Autor: David Florsch | Illustration: Pauline Detraz | Rezensionsexemplar erhalten
SPIELSPASS
7
MATERIAL
7.5
SPIELIDEE
7.5
Positive Aspekte
Sehr schneller Einstieg möglich
Geringer Platzbedarf (Schachtel wie auch Spielbereich)
Wertiges Spielmaterial
Trotz der Reduktion kommt Sportflair auf
Kann herrlich Brainburning werden
Negative Aspekte
Für die Abwechslung wären ein paar weitere Sonderregeln oder Fähigkeiten schön gewesen
Ungleiche Spielpaarungen in Sachen Erfahrung führen logischerweise zu einseitigen Partien
Spielzeit kann ohne Zeitdruck ausarten
7
Redakteur | Admin | Gründer von Brett & Pad | Website |  + Letzte Artikel

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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Ja, das ist das Problem bei diesen – für mich – attraktiven mehr oder weniger abstrakten und eher taktischen Zweier-Spielen wie zB Schach, Hive, Xart, oder auch dieses hier: Die Spieler müssen auf vergleichbarem Niveau sein, sonst hat der, der ständig auf die Mütze kriegt, schnell keine Lust mehr… und dem Dauersieger machts dann auch keinen wirklichen Spass (es sei denn, er ist sadistisch veranlagt).
    Selbst die Würfel beim Backgammon reissen es oft nicht raus, wenn man gegen Leute spielt, die nicht geübt im Einkalkulieren der Wahrsacheinlichkeiten sind.

    So sehr ich diese Art Spiele mag, ich hab genug davon weitgehend ungespielt herumliegen…

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