Deranged von Hobby World ist ein semi-kooperatives Horror-Brettspiel, das einem aber nicht das Fürchten durch seine Geschichte oder gar gruseliges Material lehrt. Nein, das erledigen deine Mitspieler! Anders als das zuletzt stark gefeierte Nemesis, gibt es in Deranged keine friedliche Lösung. Denn die Erlösung deiner verdorbenen Seele liegt im Tod eines Mitspielers. Der übersetzte Titel Geistesgestört erklärt die Subline, denn wer lässt solche Nachbarn über die Türschwelle treten? Besuchen wir also das Dorf mit seinen schaurigen Gestalten und versuchen den Fluch zu brechen.
Kurzcheck: Darum geht es in Deranged
Man kennt das, kaum besucht man ein altes Dorf in ländlicher Gegend und schon ist man verflucht! Drei Tage und drei Nächte haben die Spieler nun Zeit ihre Flüche abzulegen und das Dorf als Mensch am Morgengrauen des vierten Tages zu verlassen. Also wappnet man sich Tagsüber für die Nacht, indem man verlassene Häuser plündert und Flüche bannt. Immer auf der Hut vor den umherstreifenden Monstern des Dorfes. Wenn die Nacht anbricht, betet zum Brettspielgott! Weitere Aufgaben müssen gelöst werden, aber vor allem wird euch das Grauen heimsuchen, wenn Spieler-Helden sich in den tödlichen Deranged verwandeln. Die einzige Möglichkeit dieser Bestien den Verwandlungsfluch zu brechen, ist das Töten eines menschlichen Charakters.
Panik steigt auf und ein wilder Kampf ums Überleben beginnt. Schon oft wurden Helden gesehen, die vor Schreck die Nacht in einer Hütte verbrachten. Doch wer seine Nacht-Aufgaben nicht erfüllt, der wird in diesem Dorf nur noch weiter verflucht. Also wagemutig immer nach vorn? Nun, wer stirbt erhält ebenfalls einen Fluch. Hörst du das Brettspiel gerade diabolisch lachen? Aber immerhin wirst du am Friedhof wiederbelebt, komplette Spielereleminierung gibt es nicht.
Deranged ist dabei szenarionbasiert und schenkt einem pro Tag und Nacht immer neue Missionen, Monster und Ereignisse, die man vorher nicht absehen kann. Ins Detail gehe ich nicht, denn auch ihr sollt euch den Überraschungseffekt noch gönnen können. Es macht irrsinnig viel Spaß sich durch die sehr unterschiedlichen Ereignisse der Tage und Nächte zu arbeiten, weil es das Spiel gehörig durcheinanderwirbelt. Spieler-Aktionen werden dabei einzig durch das Kartendeck gesteuert, welches durch gefundene Gegenstands-Karten erweitert wird. Deranged ist also ein kleiner Deckbuilder und verzichtet gänzlich auf Würfel.
Du bist das Monster
Der große Reiz in Deranged ist die Interaktion und Unverhersehbarkeit, besonders in der Nacht. Bricht diese an, zieht jeder Spieler eine Karte, die ihm eine spezielle Aufgabe aufträgt. Hat er beim Morgengrauen die Quest nicht erfüllt, erhält er eine weitere Fluchkarte. Einer der Spieler erhält pro Nacht allerdings keine Aufgabe, sondern verwandelt sich in das gefürchtete Deranged-Monster! Gefürchtet ist kein Adjektiv um hier Atmosphäre zu schaffen. Als Monster zerfleischt man die Menschen meist locker. Jeder Spieler weiß also am Tag, das einer am Tisch zum Monster mutiert. Willst du mit demjenigen in einem Haus stehen? Hallo Paranoia. Allerdings sind die Gefahren selbst tagsüber nicht zu verachten. Einmal pro Runde sind die Monster mit ihren fiesen Spezialaktionen dran und teilen ordentlich aus. Alleine ist man oft chancenlos. Man sollte also zusammenarbeiten. Herrlich wie Deranged dies forciert, obwohl man es gar nicht will.
Keine Gnade
Viele semi-kooperative Spiele ermöglichen ein umgehen direkter Konflikte und lassen den Spielern Raum, um den kooperativen Aspekt größer zu schreiben. Deranged kennt hier keine Gnade! Wenn der Tag anbricht und man als Deranged keinen Menschen getötet hat, verwandelt man sich wieder zurück und agiert ganz normal. Aber nur bis zur nächsten Nacht! Dann mutiert man wieder zur Bestie und mit großer Wahrscheinlichkeit, durch den Anbruch einer neuen Nacht, weitere Spieler. Daumenschrauben angezogen: Auch neu erhaltene Flüche können einen in die Bestie verwandeln! Ich hatte schon Spielsituationen, wo nur noch ein Mensch im Spiel war und jeder Deranged-Spieler wusste, das dieser seine Fahrkarte für den Spielsieg war! Eine fabelhaft spannende Spielsituation. Falls es keine Menschen mehr geben sollte ist das Spiel sofort vorbei und alle haben verloren.
Meister der Zeit
Deranged ist schnell verstanden. Die Iconografie ist eingängig und die Handlungsmöglichkeiten überschaubar. Pro Runde darf man zwei Aktionen der ausgespielten Karte ausführen. Man kennt die Aktionsmöglichkeiten wie Bewegung, Suchen oder Kämpfen. Was man nicht kennt, ist das die zweite Aktion geistige Gesundheit kostet. In der Nacht sogar jede Aktion! Ist diese aufgebraucht, gibt es auch hier einen Fluch. Das kann ich nur umgehen, wenn ich zwischendurch raste, ergo aussetze. Äußerst Suboptimal, weil jeder Spieler durch seine Karten steuert, wann die Nacht oder der Tag anbricht. Besitzt eine ausgespielte Karte eine Sanduhr, dreht sich die Uhr weiter. Forcieren das Spieler, verfliegt die Zeit rasend schnell. Eben noch die letzte geistige Gesundheit für eine Doppelaktion aufgebraucht, schließlich wolltest du in der Schmiede noch eine Waffe finden, treiben die Spieler den Tag an und die Nacht bricht herein. Da stehst du nun ohne geistige Gesundheit in der Dunkelheit! Du wolltest noch einen Fluch ablegen oder vor einem Monster weglaufen? Pech gehabt. Die Steuerung der Spielzeit und den damit vorhandenen Runden ist nicht nur ungemein dynamisch, sondern in der Form auch sehr frisch.
Türsteher
Ebenso knallhart präsentiert sich die Türmechanik. Wer durch Türschwellen hindurch angegriffen wird, erhält einen starken Verteidigungsbonus. Weiter findet man nur in Häusern Gegenstände und kann dort Flüche brechen. Häuser sind also ein elementares Spielprinzip. Steht ein Held im Haus, kann er jedem anderem Helden den Zutritt allerdings verwehren. Eine wahrhaft fiese Aktionsmöglichkeit, die schon für spaßige Konflikte gesorgt hat.
Die Türen, eine dynamische Rundenanzahl, der Druck durch geistige Gesundheit und den stetig wachsenden Flüche, die wirklich starken Monster und natürlich der Deranged-Status sorgen für einen erbarmungslosen Cocktail, der für ordentlich Schadenfreude am Tisch sorgen kann. Kann deshalb, weil man oft auch die Wahl für die Gruppe hat. Zusammen kämpfen, den Tag durch den Verzicht auf Sanduhren-Karten verlängern, Gegenstände handeln, ja selbst den Deranged-Fluch kann ein anderer Spieler durch einen seltenen Gegenstand brechen. Ein bisschen heile Welt ist also möglich! Je nach Spielrunde war das Spielgefühl hier ein anderes. Wunderbar zu beobachten ist aber, je weniger die Spieler zusammenarbeiten, desto schneller eskaliert die Spielsituation und dann sollte man meist nur noch an seine eigene Haut denken.
Verwaltungsaufwand
Ihr merkt, ich bin begeistert von Deranged. Aber nicht alles ist schaurig schön. Sobald viele Monster das Spielfeld bevölkern, sei es in der Anzahl oder Art, steigt der Verwaltungsaufwand stark an. Die Monsterbewegung zum dichtesten Spieler ist ein stetiges abzählen. Da die Wege mit Abkürzungen oder Geländemodifikatoren glänzen, muss man hier eher zweimal hinschauen. Auch sind die Felder für Helden und den vielen Monstertokens etwas zu klein geraten. Das trägt zur Unübersichtlichkeit bei. So wichtig und cool die verschiedenen Monster im Dorf sind, so wenig Spaß macht es sie zu managen. Auch ist mir das Spiel für sein Thema etwas zu bunt.
Fazit
Mit Deranged hat Hobby World ein heißes Eisen im Feuer! Semi-kooperative Spiele sind in erster Linie oft kooperativ und hinterhältige Manöver optional. In Deranged wird das gegeneinander forciert. Das macht das Horror-Survival Brettspiel um einiges garstiger. Hier kann früh alles gegen dich laufen. Verpatze Quests und neue Flüche, Monster, die dich einkesseln und unvorhersehbare Ereignisse beim Tag-Nacht-Wechsel. Wenn dich dann eine Spieler-Bestie noch durchs Dorf jagt, musst du es mit einem Lächeln annehmen. Deranged ist keine Butterfahrt, sondern ein atmosphärisch dichtes Abenteuer mit hoher Interaktion und dabei nie kompliziert zu spielen. Die Verwaltung der Monster kann nerven, wird aber durch die Spielspaßklauen der Unvorhersehbarkeit, dem großartigen Szenariocharakter, Deckbuildung und die vom Spieler gesteuerte Rundenanzahl zerfetzt. Die sichere Erkenntnis über den Spielspaß ist der schon jetzt vorhandene Wunsch nach weiteren Szenarien und Monstertypen!
Info: Ihr könnt Deranged auf der SPIEL ’19 anspielen, wie und wann es verkauft wird ist allerdings noch nicht sicher.
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- 26. Dezember 2024
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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Ja, das Spiel hat Spaß gemacht- Regel sehr eingänglich und schnell verstanden. Soweit erst einmal ein Zombicide 2.0 – Allerdings mit der Möglichkeit die Seiten zu wechseln. Schon alleine die Möglichkeit seinem Mitspieler sprichwörtlich die Tür vor der Nase zuzuschlagen und ihn alleine im Regen und im Dunkeln stehen zu lassen sorgt für entsprechenden Spaß!
Mal abwarten was das fertige Spiel in in Sachen Weiderspielwert liefert…!
Das dritte Szenario war auch nicht schlecht. Das freie Spiel mit einem wilden Mix aus allen drei Szenario taugt auch mehr als gedacht. Man kann sich einfach nicht darauf einstellen, was einem in dem Dorf erwartet. Die Rückseiten der Spielpläne als alternative Dorfabschnitte sind bestätigt. Trotzdem bleibe ich dabei, ich hätte gerne noch mehr Szenarien und Monster.