Boss Fighters QR ist ein … HYBRIDES Brettspiel. Eins, zwei, drei, und da rennt ein Teil der Leserschaft auch schon schreiend davon. Meine Kinder wären enttäuscht von diesen Verweigerungsmenschen. Ich selbst war allerdings nach Teburu: The Bad Karmas auch eher skeptischer eingestellt, denn wie soll ein reines Kartenspiel, und sei es digital noch so aufgepeppt, gegen den opulenten Boss-Battler ankommen? Die kurze Geschichte: Während der SPIEL hatte ich mit der Familie schon die ersten drei Bosse erledigt. Andere Neuheiten lechzten noch nach Aufmerksamkeit, da hatte uns Boss Fighters QR schon in seinen Bann geschlagen. Doch wie sieht es jetzt nach ein paar Wochen aus?
Kurzcheck: Darum geht es in Boss Fighters QR
Der Einstieg wird einem hier super einfach gemacht! App runterladen. Check! Danach: Jede Person wählt ein Heldendeck aus der Spielschachtel – Troll, Halbling, Zwerg oder Elfe – und kombiniert dieses nach Wunsch mit einer von vier verfügbaren Klassen: Krieger, Magier, Schurke oder Druide. Gebaute Asymmetrie, das schmeckt! Und nun geht es gemeinsam nacheinander gegen die 10 verschiedenen Bosse aus der App, die wiederum mit Belohnungen aufwarten. Und glaubt mir, die Bosse spielen sich wahnsinnig unterschiedlich. Über das Besiegen von Bossen verbessern wir durch neue Karten unser Deck. Die App fungiert dabei als Spielleiter und Erklärer. Ein Tutorial-Kampf in der App führte uns begleitend mit der gut geschriebenen Anleitung durch die Grundmechaniken. Das ist so wohlfühlartig präsentiert, ich rieche hier die Empfehlung als Brettspiel unter dem Weihnachtsbaum für die Familie. Dank der Scan-&-Play-Mechanik erfasst die App physische Karten über einen QR-Code richtig fix und reagiert in Echtzeit auf die Spielzüge von uns. Die App erinnert zusätzlich an die Verteilung von Statusmarkern, das Nachziehen von Karten oder an allgemein Sondereffekte. Die App schreibt Service groß, damit der Verwaltungsaufwand bei der Familie klein bleibt.

Spielerisch versuchen wir über verschiedene Angriffs- und Effektkarten jede Runde, die verschiedenen hohen Verteidigungswerte des Bosses geschickt auszunutzen, um ihm so viele Lebenspunkte wie möglich wegzuprügeln. Stellungsspiel fehlt hier, es geht eher in die Richtung Aeons End und dem reinen Kartenkampf. Gleichzeitig müssen wir uns vor den oft mega harten Attacken und Effekten des Bosses aber auch schützen. Ohne gemeinsame Absprache über die Handkarten und Kombinationsmöglichkeiten wird hart ins trockene Gras gebissen. Da wäre jede Kieferchirurgie machtlos. Selbst auf dem einfachsten Schwierigkeitsgrad von vieren ist die Herausforderung nichts für Fans von No-Brainer-Abenden. Wer es wahnsinnig mag, spielt auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad. Damit katapultiert sich Boss Fighters QR allerdings in die absolut kranke Expertenecke. Erstes Zwischenergebnis: Boss Fighters QR ist leicht zu lernen, sehr belohnend, dabei asymmetrisch angelegt und wunderbar skalierbar.

Schluck Wasser, bitte!
Alles brennt! Damit meine ich allerdings nicht den fetten Drachen, der uns gerade einheizt und bei dem wir gehörig ins Schwitzen geraten. Dieses Biest hat ein paar wirklich fiese Moves drauf und wir taumeln in Hoffnungslosigkeit zwischen seiner Flug-Lande-Mechanik. Nein, verdammt, ich meine meinen Hals. Der brennt wie Feuer. So, als hätte ich gerade einen Coaching-Marathon hinter mir. Oder einen Flohmarkt nach Aaale-Dieter-Art. Rede ich … oder schreie ich schon? Ich bin emotional gepackt. Meine Kinder sitzen hier mit hochroten Köpfen und überbieten sich mit taktischen Vorschlägen. Selbst meine Frau, die keine enthusiastische Boss-Battlerin ist, fängt an, ihre möglichen Kartenkombinationen anzupreisen, als wäre es Platin-Friday und sie ein Internetbanner bei MediaMarkt.
Wie tanzen wir gemeinsam? Wer fängt an? Schau mal, ich bekomme am Ende der Runde 8 Schaden und Gift! Wer hilft mir, ich habe keinen Schutz! Leute, ich kann fetten Magie-Verstärker-Schaden heraushauen, wer spielt als Eröffnung eine Magie-Attacke? Die habe ich nämlich nicht. Ja, richtig, die Angriffskarten sind zweigeteilt. Ein toller Kniff, der die Kommunikation und Teamarbeit erhöht. Ohne Standardangriffe, keine Verstärkungsangriffe. Die Karten sind nie komplex, somit sind alle schnell motiviert, mitzumischen. Sie sind in ihren Effekten aber auch nie banal und drei Aktionen für jede Person sind pro Runde nicht viel. Zusammenarbeit wird hier auf die beste Art zelebriert. Niedrigschwellig, aber motivierend wichtig. Der Grund dafür ist auch schnell gefunden …

Die Black Box
Das Wunderbarste der Hybridität, neben dem niedrigen Verwaltungsaufwand, ist, ganz ähnlich wie in Bad Karmas die „Black Box“. Also ein noch unbekanntes Zusammenspiel von Elementen des Spielsystems, die wir als Spielgruppe entschlüsseln müssen. Ich will nicht spoilern, daher ein fiktives Beispiel. Der brutale Eiweiß-Toni schlägt mich plötzlich außerhalb seiner eigenen Bossphase, direkt nach meinem Zug. Da staunen alle am Tisch. Wieso macht er das? Weil ich vielleicht zwei Angriffskarten gespielt habe? Weil meine Angriffskarten zusammen mehr als 8 Schaden verursacht haben? Weil ich vielleicht keine Schutzkarte gespielt habe? Ich kann dies endlos weiterführen. Wir wissen es nicht. Was ich weiß: Der spontane und zusätzliche Angriff vom Eiweiß-Toni war eindeutig schmerzhaft. Macht er das öfter, werden wir den Kampf verlieren.

Jetzt wandelt sich Boss Fighters QR vom reinen Kampfspiel, zu einer Deduktionsblüte. Dieser Aspekt hat mir sehr gefallen. Gerade der Start gegen einen neuen Boss, die Erfahrung von neuen Spezialmanövern, die verschiedenen Spezialattacken am Ende der Runde, was er macht, wenn er ab einem gewissen Zeitpunkt in den Rage-Mode wechselt, und natürlich seine speziellen Reaktionen motivieren ungemein. Nur durch Ausprobieren und dem Studieren von Aktion und Reaktion lernen wir den Boss kennen. Daher sinkt für mich etwas der Spielreiz zum Ende des Kampfes, wenn ein solcher Boss entschlüsselt ist. Wobei die Spannung bleibt, denn die Bosse sind knackig, immer angepasst an die Personenanzahl. Wenn der Boss fällt, dann ballen hier alle freudestrahlend die Siegesfaust. Trotzdem hätte ich mir ganz persönlich ein paar mehr Bosse gewünscht, die den Deduktionsaspekt noch mehr herausfordern. Und auch das Stellungsspiel eines Minaturenbattlers vermisse ich. Da spreche ich aber mit der Zunge des „Boss-Battle-Experten“.

Ein Lob auf die Technik und die Zukunft
Was zudem wirklich gelungen ist, da ziehe ich an dieser Stelle meinen übergroßen Zylinder der Hochachtung, ist die technische Ausgereiftheit der App. Kein einziger Absturz! Das Scannen der Karten absolut rasant, selbst bei schlechterem Licht. Keine anderweitigen App-Fehler, keine Schreibfehler, das Teil läuft so geschmeidig, dass es kaum zu glauben ist. Für mich der bisherige Goldstandard! Wenn jetzt noch bedacht wird, dass dieses Spiel weiter gepflegt werden soll und auch mit den aktuellen Bossen noch weitere Events geplant sind, dann ist dieses Spiel sogar auf langfristigen oder immer wiederkehrenden Spielspaß getrimmt. Ich würde ja gerne mehr Negatives berichten – Mitspielende kritisierten z. B. eine fehlende Vertonung, weil es nur Soundeffekte gibt –, aber ganz ehrlich, es ist schon so viel Gebrabbel am Tisch, ich genieße die reduzierte und unaufdringliche Art der App. Denn obwohl die App spielerisch so einen zentralen Raum einnimmt, ist sie am Tisch zwischen Gesprächen, echten Karten, Pappmarkern und Lebenspunkterädern geradezu elegant unsichtbar.

Fazit
Boss Fighters QR ist der herrliche Beweis, dass Hybridspiele nicht mit technischen Kinderkrankheiten aufwarten müssen, sondern direkt mit Spielreiz durchstarten können. Die Verschränkung aus haptischem Kartenspiel, sauber integrierter App und spannungsreicher Bossmechanik funktioniert Babo-bossmäßig. Ohne zu zögern zücke ich hier eine 8,5 … ukgsha$%$ *hrmpf* Aua* – Liebe Kinder, Gewalt ist keine Lösung. *Bäm* äh, eine wunderbare 9.0! Denn was zunächst nach Familienfreundlichkeit und „App-light“ klingt, entpuppt sich rasch als cleveres, forderndes kooperatives Taktikspiel, das mit seiner Deduktionskomponente im Boss-Battle überrascht.
Die App ist somit kein Tech-Gimmick, sondern spielerischer Dirigent und Servicekraft in einem. Der Spielfluss wird über abgenommene Verwaltungsarbeit am Laufen gehalten und der Schaden, andere Effekte und Statusbedingungen orchestriert, ohne sich je aufzudrängen. Und genau das ist das elegante Kunststück: Boss Fighters QR fühlt sich zu fast jeder Zeit analog an, nur schneller, fehlerfreier und mit Fokus aufs Wesentliche. Die Kämpfe sind dabei extrem fordernd, gebären ordentlich Kommunikation und sind einfach belohnend, auch wenn die Lernkurve nicht zu unterschätzen ist. Persönlich wären zusätzliche Bosse mit noch mehr Deduktionstiefe ein Traum, dabei würde Boss Fighters QR allerdings den Familienspielbereich vollständig verlassen. Boss Fighters QR bleibt trotzdem ein emotional aufgeladenes Boss-Battle-Hybridspiel gerade mit Kindern, welches Technik und analoge Spielkultur auf die beste Art elegant vereint.

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