Tag Team war vor der SPIEL ’25 in Kurzcheck: Darum geht es in Tag Team
Der Einstieg ist simpel gehalten. Tag Team ist ein Autobattler für zwei Personen, bei denen jede Person zwei Charaktere aus insgesamt zwölf draftet. Jeder Charakter besitzt dabei eine ganz eigene Mechanik, die sich in keiner Weise mit den anderen gleicht und entsprechend auch mit einem eigenen Deck und Spielmarker aufwartet. Aber auch optisch und thematisch wird hier viel geboten. Wichtiger Aspekt, denn wenn du dem Kung-Fu-Opa, der Piratin oder dem listigen Mörder nicht dein Herz schenken könntest, wo bliebe dann die Leidenschaft? Nun nimmst du dir von jedem deiner Charaktere die Startkarte auf die Hand und mischst die anderen Karten zusammen. Jetzt schnell noch die schicken Charakterkarten mit ihren Lebenspunktleisten auslegen und der Kampf kann beginnen. Dein Ziel: einem der beiden gegnerischen Charaktere die Lebenspunkte auf die herrliche Null kloppen. Wie funktioniert das jetzt mechanisch?
Es bleibt mechanisch einfach. Du hast zwei Startkarten. Welche legst du nach oben und welche nach unten? Fertig? Dann legst du dein Mini-Deck vor dir ab und dein Gegenüber macht es ebenso. Jetzt deckt ihr gemeinsam die erste Karte auf und diese Karten kämpfen mit ihren Effekten gegeneinander. Wobei als Ziel eines Effekts immer der Charakter gilt, der beim Gegenüber auch aktiviert wird. Danach folgen die nächsten Karten im gleichen Schema. Solch eine Auto-Battler-Mechanik kennt ihr seit Wizards Cup oder Challengers!. Bliebe es so, wäre Tag Team ein harmloses Wangentätscheln und kein epischer Kampf zwischen zwei am Tisch hochgradig gebannt Sitzenden.

Der Clou
Martin sitzt mir grimmig gegenüber. Er spielt Bödvar, den Gestaltwandler, und Mordred, einen heftigen Killer. Ich spiele Mephisto und Wong Fei-Hung. Wir haben unsere erste komplette Kampfrunde hinter uns. Seine erste Karte Wutanfall von Bödvar traf auf meine Zwillingsschlangen von Mephisto. Danach trafen Dunkle Macht von Mordred auf meine In der Ruhe liegt die Kraft von Wong Fei-Hung. Die Decks sind durchgespielt. Erster Schaden verteilt, andere Fähigkeiten riefen nur Verstärkungen auf. Spannend wird es nun nach der Kampfrunde.

Jetzt zieht jeder von uns drei Karten vom Nachziehstapel, der aus besagten zwei Decks der gewählten Kämpfer:innen besteht. Davon dürfen wir uns aber nur eine Karte aussuchen. Glaubt mir, verdammt schwere Entscheidung. Ich blicke zu Martin und erhasche Stirnrunzeln. Der gute Knabe scheint angestrengt. Dann Lippenlecken. Fieses Grinsen. Was hat er vor? Ich schaue auf meine drei Karten und entscheide mich für eine fette Angriffskarte von Mephisto. Sein Grinsen wird ihm noch vergehen! Jetzt kommt der Clou: Die neue Karte darf ich jetzt in mein Deck integrieren, dabei die Reihenfolge der alten Karten aber niemals verändern. Die Decks werden nach einer Kampfrunde nie gemischt, sondern einfach nur umgedreht. Heißt, meine neue Karte kommt entweder als Erstes aufs Deck, zwischen die zwei Karten Zwillingsschlangen und In der Ruhe liegt die Kraft oder dahinter. Ihr ahnt es sicher schon, aber da Martin das Gleiche macht, ist das Aufeinandertreffen der Karten ab gewissen Punkten verschoben. Das sorgt immer wieder für spannende Entscheidungen bei der Planung und kitzelt ordentlich Mindgame ins Geschehen.

Die Auswirkungen
Meine neue Karte Die Schlange der Tiefe traf nun auf „Martins“ weiterhin erste Karte im Deck: Wutanfall von Bödvar. Er hatte seine neue Karte nämlich ans Ende seines Decks gelegt. Das hätte er mal lieber nicht gemacht. Ich balle die Fäuste und jubel, weil er fetten Schaden frisst. Die Frage ist, wie reagiert Martin am Ende der Runde darauf, wenn er eine neue Karte integriert? Und bleibt bei mir weiterhin die Angriffskarte oben? Um das Beispiel fiktiv weiterzuführen, könnte Martin eine Blockkarte jetzt ganz nach oben auf sein Deck legen, um in der kommenden Runde meine Die Schlange der Tiefe zu kontern.
Vielleicht ahne ich aber genau das und packe wiederum selbst eine neue Karte ganz nach oben auf mein Deck. So würden zwei gänzlich neue Karten aufeinandertreffen und wer weiß, vielleicht heilt meine Karte, dann wäre seine Blockkarte völlig verschwendet. Meine Schadenfreude würde maximiert werden. In einer späteren Runde, wenn ich vielleicht eine Karte ans Ende oder in die Mitte meines Decks spiele, könnte Martin aber mit einer weiteren Karte am Anfang des Decks, seinen Block wieder an Position zwei im Deck „schieben“ und würde dann plötzlich passend doch noch Die Schlange der Tiefe blocken. Fette Schellen und schnelle Action treffen hier auf angenehm, fordernde und kurzweilige Planungsspiele. Das Motto: Ich denke, weil du denkst … ich weine, weil du lachst.

Zwei Gegner
Tag Team bietet im Duell also zwei Gegner an. Damit meine ich nicht das Offensichtliche aus den zwei gegnerischen Charakteren. Denn der erste Gegner bin ich selbst mit meinen beiden Charakteren. Die Wahl der neuen Karte ist nämlich überhaupt nicht leicht zu treffen. Viele Karten gibt es nicht oft im Deck und wenn ich sie aussortiere, sehe ich sie vielleicht nie wieder. Und welchen meiner beiden Charaktere will ich gerade mehr nutzen, wobei dieser dann auch das Ziel von mehr Attacken wird? Alle Charaktere besitzen zudem eine ganz eigene Mechanik, deren Umgang ich mit den Karten umsetzen muss, ansonsten sind sie viel schlechter im Kampf. Ich hadere stets mit meinen Entscheidungen. Gibt es Schöneres in Brettspielen?
Der zweite Gegner ist dann die Reihenfolge der Karten im gegnerische Deck und damit indirekt immer die Frage danach, wie ich meine neue Karte wo in mein Deck packe. Da werden am Tisch Blicke und verschmitzte Grinsereien ausgetauscht. Und bevor ich eine Karte in mein Deck stecke, wandert mindestens noch einmal mein Blick zum Gegenüber. Als würde ich Depp in die Hirne meiner Kinder, von Martin, Björn und Co. blicken können. Tag Team gebärt so am Tisch eine intensive Atmosphäre, bei der beide Parteien von Erwartung und Neugierde auf die nächste Runde geschwängert sind. Da ist wieder der klassische Zauber von Auto-Battlern. Wenn die Action beginnt, werde ich zum Zuschauer, der sich eine spannende Partie anschaut. Machtlos und trotzdem intensiv gefangen. Der Unterschied zur Konkurrenz: Durch die beschriebenen Planungsspiele zwischen den Actionphasen habe ich wesentlich mehr Einfluss und meine Neugierde steigert sich unermesslich, ob die kleine Veränderung der neuen Karte den gewünscht großen Effekt bringt.

Die große Abwechslung
Kurz möchte ich noch eine weitere Motivationsspritze abdrücken: Tiefgang durch Abwechslung. Besagter Mordred beispielsweise hat anfänglich 0 Kampfstärke. Seine Angriffskarten triggern einen Angriff erst ab einer Stärke von 8. Statt mit seiner Karte anzugreifen, erhöht er zunächst damit nur seine Stärke. Es dauert also 8 Kampfrunden, bis er über seine Kampfkarten wirklich angreifen kann. Ach, ’ne … wir sind ja in Tag Team. Bei der Partnerwahl wäre ein Charakter wie Wong Fei-Hung praktisch, der kann über gewisse Karten seine Stärkemarker auf seinen Partner transferieren. Plötzlich ist Mordred viel früher im Angriffstanz. Gleichzeitig hat Wong Fei-Hung eine Karte, wo er die Kampfstärke seines Partners kopiert, um selber wieder Stärke zu bekommen. Schaden macht er selbst eher über Effekte, dass gegnerische Charaktere sich mit ihrer eigenen Stärke verletzen. Er braucht seine Stärkemarker also viel weniger und transferiert sie gerne. Der Todes-Zirkel-der-Kampfstärke. Martins Augen werden schon feucht.
Zwölf Charakteren warten im Mix! Überall sind Symbiosen zu entdecken, die dann natürlich im Bau des Decks auch noch passend umgesetzt werden müssen. Tag Team ist simpel. Tag Team besitzt aber wesentlich mehr Tiefgang, als es auf den ersten Blick vermutet. Trotzdem an dieser Stelle der einzige persönliche Knackpunkt: Ich hätte gerne ein paar weniger simple Charaktere und dafür mehr mit komplexeren Mechaniken. Letztendlich würde so Tag Team aber den Familienspielbereich verlassen und nicht mehr innerhalb von maximal 15 Minuten gespielt sein. Vielleicht als Erweiterung?

Fazit
Tag Team ist die Faust im Gesicht aller, die dachten, Auto-Battler glänzen durch einen Glücksanstrich. Was hier so unscheinbar und schnell erklärt wirkt, entpuppt sich am Tisch als wunderbar taktisches Duell aus Bauchgefühl, Intuition und purer Schadenfreude. Jeder Kartenflip ist ein kleiner Adrenalinschub, jede neue Karte im Deck ein Mini-Dilemma, welches direkt wieder Neugierde auf den nächsten Karten-Schlagabtausch abfeuert. Das Spiel führt seinen Kampftanz elegant zwischen Leichtigkeit und Tiefe aus und ist mit den Kindern genauso spaßig wie mit meinen Brettspielbagaluten. Schnell zu verstehende Karten, ein paar Marker, aber trotzdem sitze ich da, kaue auf meinem Deckplan herum und versuche das Mindgame des Gegners zu durchschauen. Dazu gesellen sich zwölf asymmetrische Charaktere, deren Synergien sich wie kleine Geheimnisse im miteinander entdecken lassen. Jeder Kampf erzählt seine eigene Mini-Geschichte und wenn der letzte Treffer sitzt, wabert die Revanche durchs Wohnzimmer. Kurz gesagt: Tag Team ist kein Schlag in die Magengrube, sondern trifft mitten ins Herz.

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