Lesezeit: 6MinutenVindication ist eine fantastische Tabletop-Reise. So rühmt sich das Spiel selbst mit seiner Subline, und ich bin kritisch. Meine Berührungspunkte mit Tabletop? Null. Nein, halt. Ich habe einmal mit Christian auf der Spiel ’24 eine Partie Star Wars: Shatterpoint gespielt und war sehr begeistert. Doch zählt das? Als ich das erste Mal Vindication mit Marc und Alexandre auf dem Tisch hatte, spürte ich zu Beginn schon eine immersive Magie. Als erbärmliches Lebewesen, von meiner Gesellschaft ausgestoßen, strande ich an einer einsamen Insel und versuche, mich zu rehabilitieren. Das Einzige, was ich aus eigener Kraft beisteuern kann, ist mein Potenzial. Herzlich wenig für eine gestrandete, gebrochene Kreatur. Aber ich möchte die Chance nutzen, strecke das Kreuz durch und versuche, mich zu rehabilitieren und Ehre zu erlangen
Kurzcheck: Darum geht es in Vindication
Der Querverweis zum Tabletop kommt nicht von ungefähr, denn Vindication enthält einige Elemente aus diesem Genre, allerdings schick in ein Brettspiel verpackt. Sehr simpel in seiner Grundmechanik aktiviert ihr in beliebiger Reihenfolge drei Aktionen und erkundet so die Insel, auf der ihr gestrandet seid. Hierbei habt ihr ein wesentliches Ziel: Durch Gefährten, Reliquien, Merkmale und Quests lasst ihr mächtige Synergien entstehen, kontrolliert Gebiete und verwaltet unterschiedliche Attribute. Dabei habt ihr immer ein Ziel: Ehre. Dazu ist allerdings ein feines Timing notwendig und ein geschicktes Aufleveln des Charakters. Und das ist aufgrund der spärlichen Ressourcen nicht ganz einfach.
Die gestrandete Insel.
Gestrandet am Strand
Angespült, voller Salz und Sand, mit einem schalen Geschmack nach Betrug, Verrat, Wut, Selbsthass und Wille auf der Zunge, starte ich mit meinem Charakter, die Insel zu erkunden. Als Grundausrüstung steht mir eine gewisse Menge Potenzial, Einfluss und Überzeugung zur Verfügung. Dieses System ist gut, weil es nur diese Steine gibt, die einfach verschoben werden. Naja. Einfach ist relativ. Gleichzeitig werden diese Steine auch genutzt, um Karten zu aktivieren. Mein Charakter hat zudem die drei gewöhnlichen Grundattribute: Stärke, Wissen und Inspiration. Auf geht’s, lass uns die Insel erkunden.
Jeder zieht zwei End of Game Wertungen und behält eine.
Eine neue Reise beginnt
Stimmungsvoll bekommt jeder Spieler eine Karte mit Flavour. Ich schaue mich um. Ich bin in Hex 2 angespült, Alexandre in Hex 6. Nur Marc ist in Hex 11 auf der anderen Seite der Insel. Mit dem Startset bekomme ich einen geheimen Auftrag, und ein variables Spielende wird offen ausgelegt. Das Setting ist schon ziemlich stressig, denn der Belgier neben mir macht ein entspanntes Erkunden schwierig. Hier glänzt Vindication mit einer starken Mechanik. Ich MUSS mich bewegen, alle Regionen, durch die ich mich bewege, werden erkundet, aber auf einer Region kann nur eine Person stehen. Brutal, besonders zum Spielende. Hier entstehen einige interessante und haarige Konstellationen, wenn ich eine Region entdecken möchte.
Die Orte angrenzend zu meinem Marker kann ich aktivieren.
Möglichkeiten
Das Erkunden der Insel geht einigermaßen fluffig von der Hand. Schnell ploppen in Vindication neue Gebäude und damit neue Möglichkeiten auf. Festungen, Höhlen, Arkane Türme oder Gaststätten, die zum Verweilen einladen. Jedes dieser Gebäude bietet neue Möglichkeiten. So habt ihr in der Taverne die Möglichkeit, einen neuen Gefährten eurer Truppe hinzuzufügen. Dafür müsst ihr allerdings zwei Stärke, Inspiration oder Wissen ausgeben, um dies zu bewerkstelligen. Ich mag diesen Ansatz total. Entweder inspiriere ich meinen neuen Gefährten, gebe ihm ein Teil meines Wissens, oder ich verfahre getreu dem Motto: „Und bist du nicht willig, so brauche ich Gewalt.“ Alles in Vindication wird mit Attributen bezahlt. Es gibt sechs unterschiedliche Kartenkategorien, für alles benötige ich Attribute. Spielt man die thematische Karte sind es Fähigkeiten meines Charakter.
Wenn ich meine Gefährten aktiver, sind die Würfel geblockt und stehen mir für weitere Aktionen nicht zur Verfügung. Ich muss also mit meinen Ressourcen haushalten.
Seperate Ways
So unterschiedlich die Gebäude, so vielfältig sind die Möglichkeiten. Ich kann gegen Monster kämpfen und mir mächtige Siegpunkte über die Belohnung dieser Kämpfe erlangen. Alexandre hat sich darauf spezialisiert, Monster zu verdreschen. Was soll ich sagen? Er generiert über Inspiration und StärkeMut. Er räumt mächtig auf, seine Gefährten passen dazu, und er geht diesen Weg konsequent – aber langsam wird er mir zu mächtig. Also blockiere ich mal eine Region, in der er Monster jagen kann. Marc hingegen versucht, über die Kontrolle von Regionen Ehre zu erlangen. Diese Regionen werden teuer, denn Marc erlangt immer zwei Ehre, wenn jemand seine Regionen besucht. Und was mache ich?
Alles ist übersichtlich auf der Spielerhilfe erklärt.
Der Arkane Turm
Ich möchte die uralte Höhle besuchen, um meinem Charakter ein Merkmal zu geben. Diese Merkmale sind ziemlich cool und können geschickt eingesetzt werden. Aktuell liegt das Merkmal „Geduld“ offen aus. Zufällig. Damit kann ich eine Runde skippen, um je ein heroisches Attribut – Weisheit, Weitblick und Mut – zu erhalten. Diese heroischen Attribute sind besonders schwer zu erhalten, denn ich muss sie aus zwei angrenzenden gewöhnlichen Attributen herstellen. Das fühlt sich schwer und herausfordernd, aber auch unglaublich richtig an. Allerdings bin ich auch von den zufällig ausliegenden Karten ein Stück weit abhängig. Ein gezieltes Spezialisieren ist eher nicht möglich. Schade, so wirkt die Entscheidung, welche Karten ich entwickle, zufällig.
Den Kampf gewinne ich immer. Nur die Auswirkungen können unterschiedlich sein. Wenn ich Pech habe stirbt ein Gefährte und ich verliere Ehre.
Überfordert
Nach der ersten Partie Vindication bin ich etwas überfordert. Nicht wegen der komplexen Regeln, denn Vindication ist in seinen Mechaniken einfach, in der Interaktion gut und trotzdem herausfordernd. Cool war es. Aber es hat sich im ersten Spiel eben wie ein normales Brettspiel angefühlt. Erst am Spielende weiß man, wie sich die Wertungen auswirken und man sollte sofort ein zweites Spiel folgen lassen. Allerdings hat mich die thematische Reise ins Tabletop-Universum noch nicht gepackt. Warum? Bei der Erklärung waren wir uns alle sehr einig. Das Entwickeln der Synergien und das Herstellen der Attribute ist komplex, zudem fordern die unterschiedlichen Wege ein gewisses Maß an Planung. Ein gezieltes aufleveln oder spezialisieren wird aufgrund der zufälligen Kartenauslage schwer möglich. Ich baue mir eher eine Engine aus dem, was das Spiel und meine Spieler mir anbieten. Alles in allem eher Aspekte eines gehobenen Kennerspiels. Die Erleuchtung setzt dann in den weiteren Partien ein. Gezielt passe ich Strategien an, überlege, welchen Weg ich einschlage, und reagiere auf das immer neue Setting.
Ein sehr schöner Mechanismus, denn Einfluss muss ich ausgeben. Und mein Potenzial muss ich erst freischalten.
Vollgas
Dadurch wird Vindication in den kommenden Partien besser. Hat man die Lernkurve über die neuen Symbole und das Erreichen von Attributen – also thematisch seine Charakterentwicklung – überstanden, entbrennt auf der Insel ein Wettkampf der Gestrandeten. Und dabei meine ich Wettkampf, denn ich muss an der ein oder anderen Stellen meine MItspieler beobachten und ausbremsen. Die Spielzeit und die Downtime bleiben ob der wenigen Aktionen im sehr angenehmen Bereich. Bei 3 Spielenden liegt unsere Spielzeit Vindication unter 90 Minuten. Ein weiterer sehr guter Punkt. Je mehr Siegpunkte die führende Person hat, desto mehr unterschiedliche Spielende Möglichkeiten werden freigeschaltet. Es kann schnell zu Ende sein. Die Interaktion auf dem Spielbrett, der Wettlauf um Ehre und die Verknüpfung der unterschiedlichen Siegstrategien benötigen allerdings auch eine gewisse Anzahl an Spielenden. 3-4 ist hier die optimale Zahl. Die sehr tolle, gut strukturierte und sehr übersichtliche Einleitung zusammen mit dem GameTrays-Einsatz ermöglichen einen schnellen Einstieg und einen übersichtlichen Aufbau. Zudem sind in der Box noch einige coole Module.
Die Box ist prall gefüllt und mit GameTrays sehr schnell auf dem Tisch.
Fazit
Was mache ich jetzt mit diesem Hybrid? Vindication macht vieles richtig richtig gut. Das einfache Aktionssystem in Kombination mit den unterschiedlichen Aktionsmöglichkeiten ist sehr gut und ausbalanciert. Ich kann als monsterjagender Charakter genauso gewinnen wie als Charakter, der versucht, Regionen zu kontrollieren und seine Attribute zu entwickeln. Dieses thematische Konstrukt in Anlehnung an das Fantasy-Tabletop-Universum taugt, fällt aber hinter dem Brettspiel in den Hintergrund. Beim Spielen fühlte sich Vindication immer eher wie ein typisches Kennerspiel an, auch wenn die thematischen Anleihen und Charakterentwicklungen gut umgesetzt sind. Sie schlagen aber nicht so durch, dass ich ein anderes Spielgefühl als das Gewohnte bekomme. Auch die Interaktion der Spieler ist gut umgesetzt und die unterschiedlichen Möglichkeiten wie das Spiel endet forcieren unterschiedliche Spielweisen. Das Material, die Anleitung und der beigefügte thematische Flavour sind auf einem hohen Niveau und helfen, das Spiel schnell zu erlernen. Wer jedoch Spiele wie Scythe, Tapestry oder Everdell kennt, findet diese mit Sicherheit einen kleinen Ticken stärker. Allerdings finde ich in Vindication eine kreative, erzählerisch dichte Alternative dazu.
Vielen Dank für deine Arbeit und Rezension Markus.
Vindication befindet sich nun schon länger in meiner Sammlung und klar wenn man nur das Grundspiel betrachtet, dann kommt ein Kennerspielgefühl mit viel Zufall am Ende raus.
Doch dieses Spiel darf man einfach nicht aus der „normalen“ Spiel Sicht betrachten, es ist soviel mehr.
Zusammen mit der Chronicles Erweiterung, wird aus dem Grundspiel ein Rollenspiel. Mit dieser Erweiterung, muss immer der Spieler oder die Spielerin rechts von einem sitzend bei jeder Aktion des anderen Spielers – eine Karte ziehen. Auf dieser Karte ist eine kleine Geschichte, die sich immer in zwei Richtungen entwickelt. Für eine Richtung muss man sich dann entscheiden – taucht also kurz in eine Geschichte ein und erhält zugleich auch einen Punkt auf einem Eigenschaftstableau, dass einen dann zu einem z.B. „Super-Magier“ machen kann.
Zugleich kann es auch passieren, das Ereignisse passieren die Orte mit bösen Agenten blockieren und alle Spieler dann Semi Kooperativ versuchen sollten diese Orte zu befreien. Da steckt sehr viel drin.
Aber meine Warnung an alle Unschlüssigen, das Spiel ist ein Experiment das nicht jedem gefallen wird. Manchmal liegen Endgame Ziele aus, die man mit geübten Kennerspiel Logik, schnell und unthematisch lösen kann, so dass das Spiel nach 45 Minuten endet. Oder es liegen Ziele und Hindernisse aus die das Spiel (zu Viert) auf bis zu 4h zieht.
Man kann es mit Logik besiegen und ein wenig Spaß haben, oder eintauchen und im Kopf sowie mit den unterschiedlichen Geschichtsschnipseln – ein Mega Abenteuer erleben!
Hallo Sebastian, ein sehr schöner und toller Kommentar. Leider konnte ich nur das Grundspiel testen. Das mit dem Rollenspiel hört sich echt sehr gut an, allerdings wird dieser Teil des Spiels in meiner Gruppe eher weniger auf den Tisch kommen.
Genau wegen deiner eindringlichen Warnung. Ich finde es sehr faszinierend, dass ein Spiel einen solchen Wechsel vollzieht oder die Möglichkeiten bietet.
Danke für deine ergänzende und tolle Perspektive.
Vielen Dank wieder für die tolle Rezension! Ich schleiche schon lange um das Spiel. Leider hat das einfach niemand in meinen Spielegruppen, um es mal mitzuspielen.
Ich bin jetzt allerdings beim Nachfolger „Vestige“ dabei, der – angeblich – nochmal etwas geschliffener sein soll! Ob das Cyberpunk-Thema da mehr zieht als das Fantasy-orientierte Setting, muss sich zeigen.
Ein wirklich tolles Spiel und du könntest mich jederzeit Nachts um drei Uhr wecken um es zu spielen. Eines meiner absoluten Alltime Top 10 Spiele.
Wenn du nicht schon bei Vestige eingestiegen wärst, hättest du eine klare Kaufempfehlung von mir bekommen.
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Vielen Dank für deine Arbeit und Rezension Markus.
Vindication befindet sich nun schon länger in meiner Sammlung und klar wenn man nur das Grundspiel betrachtet, dann kommt ein Kennerspielgefühl mit viel Zufall am Ende raus.
Doch dieses Spiel darf man einfach nicht aus der „normalen“ Spiel Sicht betrachten, es ist soviel mehr.
Zusammen mit der Chronicles Erweiterung, wird aus dem Grundspiel ein Rollenspiel. Mit dieser Erweiterung, muss immer der Spieler oder die Spielerin rechts von einem sitzend bei jeder Aktion des anderen Spielers – eine Karte ziehen. Auf dieser Karte ist eine kleine Geschichte, die sich immer in zwei Richtungen entwickelt. Für eine Richtung muss man sich dann entscheiden – taucht also kurz in eine Geschichte ein und erhält zugleich auch einen Punkt auf einem Eigenschaftstableau, dass einen dann zu einem z.B. „Super-Magier“ machen kann.
Zugleich kann es auch passieren, das Ereignisse passieren die Orte mit bösen Agenten blockieren und alle Spieler dann Semi Kooperativ versuchen sollten diese Orte zu befreien. Da steckt sehr viel drin.
Aber meine Warnung an alle Unschlüssigen, das Spiel ist ein Experiment das nicht jedem gefallen wird. Manchmal liegen Endgame Ziele aus, die man mit geübten Kennerspiel Logik, schnell und unthematisch lösen kann, so dass das Spiel nach 45 Minuten endet. Oder es liegen Ziele und Hindernisse aus die das Spiel (zu Viert) auf bis zu 4h zieht.
Man kann es mit Logik besiegen und ein wenig Spaß haben, oder eintauchen und im Kopf sowie mit den unterschiedlichen Geschichtsschnipseln – ein Mega Abenteuer erleben!
Hallo Sebastian, ein sehr schöner und toller Kommentar. Leider konnte ich nur das Grundspiel testen. Das mit dem Rollenspiel hört sich echt sehr gut an, allerdings wird dieser Teil des Spiels in meiner Gruppe eher weniger auf den Tisch kommen.
Genau wegen deiner eindringlichen Warnung. Ich finde es sehr faszinierend, dass ein Spiel einen solchen Wechsel vollzieht oder die Möglichkeiten bietet.
Danke für deine ergänzende und tolle Perspektive.
Vielen Dank wieder für die tolle Rezension! Ich schleiche schon lange um das Spiel. Leider hat das einfach niemand in meinen Spielegruppen, um es mal mitzuspielen.
Ich bin jetzt allerdings beim Nachfolger „Vestige“ dabei, der – angeblich – nochmal etwas geschliffener sein soll! Ob das Cyberpunk-Thema da mehr zieht als das Fantasy-orientierte Setting, muss sich zeigen.
Ein wirklich tolles Spiel und du könntest mich jederzeit Nachts um drei Uhr wecken um es zu spielen. Eines meiner absoluten Alltime Top 10 Spiele.
Wenn du nicht schon bei Vestige eingestiegen wärst, hättest du eine klare Kaufempfehlung von mir bekommen.