
Kurzcheck: Darum geht es in Azul Duel
Ja, auch Azul ist „Same, same but different“. Der bekannte Azul-Mechanismus bleibt gleich: Ihr nehmt von einer Auswahl an Fliesen aus einem Depot, platziert diese auf eurem Playerboard und versucht, eine Reihe mit gleichen Fliesen zu füllen. Ist eine Reihe gefüllt, wird am Ende der Runde die rechte Fliese auf den zweiten Teil des Playerboards verschoben, um dort die Kuppel des Palastes von Sintra zu gestalten. Im Wettstreit der zwei besten Künstler dreht Azul Duel jetzt mächtig an der Feintuning-Schraube und entfacht einen heißen Wettbewerb. Die neuen Komponenten in Azul Duel heißen: kleine Manufakturen, große Manufakturen, variable Kuppelplatten, Spezialfliesen, Bonusplättchen und das Feld für zerbrochene Fliesen.

Möge der Wettstreit beginnen
Die erste Änderung haut dir sofort den frischen Wind des Duells um die Ohren. In der großen Manufaktur liegen fünf Fliesen, plus vier freie Spots und der -2-Punkte-Startspielerstein. Zudem liegen vier kleine Manufakturen aus. Diese erhalten jeweils ein verdecktes Bonusplättchen und haben – wie beim Grundspiel – einen Sammelplatz für die Fliesen. Nehme ich mir nun die Fliesen einer Farbe, werden die übrigen Fliesen nicht wie im Grundspiel in die Mitte geschoben, sondern ich staple sie in beliebiger Reihenfolge auf das Bonusplättchen. Diese simple Veränderung hebt Azul Duel schon in neue Sphären. Die zweite Änderung ist allerdings der 2-Komponenten-Kleber, der alles miteinander verbindet: Wenn ihr euch entscheidet, von diesen Fliesen zu nehmen, müsst ihr von allen Manufakturen die oberste Fliese plus eine beliebige vom Spot der großen Manufaktur nehmen. Hier könnt ihr eurem Gegner unliebsame Fliesen reinhauen oder euch so in einem Zug fünf Fliesen angeln. Hoffentlich spielt ihr clever, dass die Richtigen dabei sind. Möge das Duell beginnen.

Harter Fight in der Lobby
Kati und ich sitzen im Motel One in Berlin. Der Tag war hart – 18 km Kulinarisches und Kultur in der dreckigen Hauptstadt. Vor mir ein Long Island Ice Tea, und Kati hat gerade von der letzten Manufaktur in der ersten Runde die Fliesen gestapelt. „Nice“, sage ich süffisant, schlürfe an meinem Cocktail und nehme mir die obersten Fliesen aller kleinen Manufakturen und eine vom Spot der Großen. Ich bin der Meinung, einen guten Move gemacht zu haben, weil ich so drei rote Fliesen und eine Blaue erhalte. Lediglich die gelbe Fliese kann ich nicht nutzen, also lege ich sie sorglos auf das Feld der zerbrochenen Fliesen. Doof ist allerdings, dass ich in dieser Runde noch eine weitere Fliese nicht nutzen kann, und sie ebenfalls auf diesem Feld landet. Damit habe ich nicht gerechnet. Da ich außerdem Startspieler bin, erhalte ich so in dieser Runde -5 Punkte. Hier war meine Gier größer als meine Weitsicht.

Mein zweiter Fehler
Ihr puzzelt euch eure Kuppel selbst zurecht. Die variablen Kuppelplättchen zeigen immer drei Fliesenfarben plus eine besondere Fliese. Eine Kuppelart liefert euch eine Jokerfliese, die euer Spiel etwas variabler macht, die zweite Kuppelart liefert euch einen Bonus, wenn ihr alle drei Fliesen dieser Kuppel platziert habt. Ihr startet mit einem Kuppelplättchen und bekommt in jeder Runde zwei weitere hinzu. Ich denke mir zu Beginn: „Warte doch mal ab und schau dir an, was die Dame macht“, und nehme mir als erstes meine Kuppel und platziere sie ganz nach unten, weil ich den höheren Bonus möchte. Wie gesagt: meine Gier ist größer als meine Weitsicht. In meiner zweiten Aktion wähle ich auch eine Kuppel und platziere diese Darüber. Die Runde läuft suboptimal: Ich bekomme wenig Fliesen. Ich fülle kaum Reihen weil mein Plättchen unten liegen. So generiere ich spärliche Punkte und bekomme zudem 5 Punkte abgezogen. Verdammt, hier muss ich deutlich sorgfältiger planen.

Verloren
Die Runde verliere ich mehr als deutlich. Das variable Puzzeln der Decke ist anspruchsvoller als gedacht. Wir spielen mit den Standardwertungen für Spalten, Zeilen und Diagonalen – alles bekannt – und ich bekomme einfach keine gute Punktesynergie hin. Zudem kann ich die Bonusplättchen nicht richtig einsetzen. Jeder Spieler bekommt in jeder Runde zwingend zwei Bonusplättchen. Hat er zwei gleichfarbige, kann er diese abgeben, um eine Reihe zu füllen. Passen die Farben nicht zusammen, kann er drei beliebige Plättchen abgeben, um dies zu erreichen. Das ist keine große Sache, kann aber ein entscheidender Timing-Baustein sein und mir neue Möglichkeiten eröffnen. Ich schaue auf die Uhr und bin überrascht: 60 Minuten. Hat sich nicht so angefühlt, und das war mit Regelerarbeitung die Erstpartie.
Ich giere nach einer Revanche.

Stärken
Azul Duel setzt alle Elemente gekonnt in Szene und fördert ein echtes Duell, ohne dabei fies oder gemein zu sein. Ein feines Timing der Aktionen ist die Stärke des Spiels. Zudem bieten unterschiedliche Wertungskategorien ganz andere Schwerpunkte im Ausbau meiner Kuppel. Diese und die Platzierung der Steine sind brutal wichtig und das Kernelement des Spiels. Gleichzeitig muss ich ein Auge auf die Fliesen meines Gegenübers werfen: Welche nehme ich ihm weg? Wie baue ich die Türme auf, und wann nehme ich die oberen Fliesen? Hier kann ich durch falsches Wegnehmen meinem Kontrahenten wichtige Fliesen schenken. Ich schaue auf die Uhr: Das zweite Duell war deutlich intensiver. Die erste Partie ist zwingend eine Lernpartie, aber auch die zweite dauerte 45 Minuten. Ich bin ein schneller Spieler, aber man nimmt sich auch mal kurz Zeit zum Überlegen – und genau das macht den Reiz des Spiels aus. Eine Downtime ist dabei gefühlt nicht vorhanden.
Fazit des Abends: Zwei Partien, zwei Niederlagen, ein Long Island und eine Moscow Mule. Und das Fazit zum Spiel?

Schwächen
Das Fazit muss noch einen Absatz warten. Einen habe ich noch. Ich habe mich schon bei Die verlorenen Flotte aufgeregt, jetzt tue ich es bei Azul Duel nochmal.
Der Stoffbeutel und die Fliesen haben eine hervorragende Qualität und erfüllen die Erwartungen, die das Hauptspiel geweckt hat. Die Kuppelteile und die Manufakturen sind aus gewohnter Stanzpappe. Die Auslage und die Playerboards aber sind eine Frechheit: 1 mm dünnes, wasserabweisendes Material. Wofür? Soll ich das Spiel am Strand spielen? Ja klar, ich lege die nicht formstabilen Playerboards wellig in den Sand, damit meine hochwertigen Fliesen ordentlich darauf verrutschen. Und wenn dann jemand nass aus dem Wasser steigt, passiert meinem Playerboard nichts – doof nur, dass die Stanzteile aus Pappe dann trotzdem aufweichen. Wirklich, ich frage mich, wer da das Produktdesign macht. Was soll das? Jetzt muss ich wieder basteln und daraus halbwegs vernünftige Playerboards machen.
Im Spiel liegt zudem noch ein Turm bei. In diesen Turm werden jetzt die Fliesen eingeworfen, bis der Beutel leer ist. Eine tolle Idee – ein nettes, aber nutzloses Gimmick.
Nervig noch dazu, denn der Turm passt aufgebaut nicht in die Schachtel, ist aus dünner Pappe, muss jedes Mal neu aufgebaut werden und sieht aus wie der schiefe Turm von Pisa. Ehrlich: Macht doch bitte etwas, das sinnvoll ist, und berücksichtigt den Aspekt Form follows Function. Ich frage mich, mit wie wenig Weitsicht man so etwas entwerfen kann.
Fazit
Sieht man von den Schwächen im Materialdesign ab, macht Azul Duel alles richtig. Auch das Grundspiel Azul war sehr gut für zwei Spielende skaliert. Aber die 2 Personen Variante dreht an den richtigen Stellschrauben und passt die vorhandene Mechanik perfekt auf den Duell-Charakter des Spiels an. Dabei ist das Ganze fein ausbalanciert, und ich muss immer Vorteile gegen Nachteile abwägen. Die variablen Wertungskategorien und Deckenkuppeln lassen ein individuelles Bauen der eigenen Strategie zu. Die neu eingeführten Bonusplättchen erweitern meine Möglichkeiten, ohne übermächtig zu sein. Azul Duel ist eines der besten Zwei-Personen-Spiele und bietet eine unglaubliche Langzeitmotivation. Allerdings sollte man 35–45 Minuten Spielzeit einplanen, denn man muss schon mal schauen, was der Kontrahent vorhaben könnte und wie man seine eigene Strategie am besten umsetzt. Wer viel zu zweit spielt, sollte dieses feine Spiel unbedingt ausprobieren.

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