Kurzcheck: Darum geht es in Dune: Krieg um Arrakis
Dune: Krieg um Arrakis drischt dir den Konflikt zwischen den Fremen und den Harkonnen ins Gesicht. Ich stelle es gleich klar, du kannst dieses Spiel auch zu viert oder zu dritt spielen. Du könntest genauso gut die Bene Gesserit bitten, dir beim Spielen zu helfen – die hätten dann zwar auch einen Plan, aber der hätte nichts mit deinem Sieg zu tun. Kurzum: Lass es. Das hier ist ein Duell. Thematisch befinden wir uns mitten im Konflikt, für die Fans der Filme von Denis Villeneuve, ich würde das Spiel im zweiten Teil verorten. Das intrigante Haus Harkonnen, unterstützt vom imperialen Haus Corrino, führt einen erbitterten Kampf gegen die Überreste des Hauses Atreides, das an der Seite des Wüstenvolks der Fremen steht. Das war die nüchterne Sicht. Emotional sieht die Sache dramatischer aus. Die Harkonnen starten mit einer absoluten Übermacht ins Spiel. Nicht nur was die Truppenanzahl anbelangt, sondern auch die Aktionsanzahl. Als ich das erste Mal die Fremen spielte, dachte ich, das Spiel will mich verarschen. Absolute Ohnmachtsgefühle! Du startest mit wenig und hast die ganze Zeit oft nie mehr. Trotzdem funktioniert dieses asymmetrische Duell und das ist einer der Glanzpunkte dieses Spiels.
Spielerisch ist Dune: Krieg um Arrakis ein Wargame. Es besitzt kein wirkliches und wenn dann nur temporäres Area-Control und auch kein Engine-Building. Es geht einzig darum, seine zufällig ausgewürfelten Aktionen pro Runde strategisch wie taktisch so einzusetzen, dass du deinem Ziel meist über Konflikte oder deren Vorbereitung näher kommst. Am Anfang jeder Runde werfen beide Seiten ihre Aktionswürfel und das erwürfelte Symbol steht dann für eine Aktionsgruppe wie Bewegen, Truppen ausheben, Kämpfen oder das Ziehen von Planungskarten. Dabei werden die Aktionen durch ikonische Figuren beider Fraktionen verstärkt, sofern sie im Spiel sind. Planungskarten können im Spiel statt einer Würfelaktion ausgespielt werden. Somit gibt es eine gewisse Flexibilität im Spiel und Überraschungen sind so an der Tagesordnung. Auch der Sieg ist asymmetrisch angelegt. Die Harkonnen müssen Spice ernten, um negative Effekte zu verhindern und insgesamt die Sietches niederbrennen. Die Atreides/Fremen gewinnen über das Erspielen von Siegpunkten über Missionen. Bevor wir tiefer in die Fraktionen eintauchen, will ich aber einen unerwarteten Star vorstellen: die Wüste.
Die Wüste
Die Wüste dominiert das Spielfeld. Sie ist allgegenwärtig. In spielerischer Hinsicht fügt sich so ein thematischer Background trotzdem oft nur oberflächlich ein. In Dune: Krieg um Arrakis ist die Wüste hingegen mein spielerischer Star. Das Spielfeld ist, gerade aufgrund der geringen Bewegungsreichweite der Legionen, enorm groß. Das meiste davon ist Wüste. Dein Spieltisch wird zur Sandgrube. Spiele ich die Atreides mit den Fremen auf meiner Seite, ist das Grund zur Freude. Solange ich weniger benutzbare Aktionswürfel als die Harkonnen besitze, kann ich kostenlos Wüstenaktionen ausführen. So werden Sandwürmer bewegt oder deren Angriffe ausgeführt. Zudem kann ich Wüstenplättchen ungesehen und verdeckt auslegen. Diese erhöhen meine Bewegungsreichweite, weil Einheiten sich mit nur einer Bewegung oder Angriffssaktion entlang aller angrenzenden Plättchen weiterbewegen können. Was für ein Kniff. Plötzlich erlebe ich Wüstenreiten! Geschickt ausgelegt, kann ich überfallartig aus der Wüste in weit entfernten Gebiete für Angst sorgen.
Mehr noch, nach der Aktionsphase geht das Spiel in eine Wüstenphase über. Überall wo die Legionen der Harkonnen in der Wüste stehen, werden ebenfalls Wüstenplättchen platziert. Danach werden alle aufgedeckt und abgeräumt, aber Sandwürmer kommen dort ins Spiel, wo sich das entsprechende Symbol auf den Plättchen gezeigt hat. Sandwürmer brechen so angelockt durch die Bewegung aus dem Sand und bringen Verderben über die Harkonnen. Mehr noch, denn danach peitscht der Wüstensturm jeder Harkonnen-Legion, die nicht im sicheren Gebirge steht, auch noch Angriffswürfel ins Gesicht. Als Fremen-Spieler lache ich darüber nur, denn all das tangiert mich nicht. Ich bin die Wüste! Spiele ich hingegen die Harkonnen, dann habe ich echte Angst, diese verdammte Wüste zu betreten. Das Spielfeld an sich wird zum gigantischen, feindlichen Monster. Das passt nicht nur formidabel zur Vorlage, es ist hier als analoge Unterhaltung einfach thematisch enorm stark umgesetzt.
Die angstvolle Übermacht
Ich schaue aufs Spielfeld und meine Brust reckt sich Stolz. „Harkonnen!“, brülle ich lautstark, mir gehört hier alles. Meine Spielfarbe ist rot und damit ist das Spielbrett durchtränkt. Ich habe unzählige Einheiten. Ich kann zudem massiv viele Einheiten ausheben oder verbessern. Dazu muss ich nur 10 Punkte über die Sietches einnehmen. Ja, die liegen verdeckt aus und manche sind nur einen Punkt und nicht drei wert. Durch Spionage der Ornithopter kann ich die Sietches allerdings aufdecken. Fetter ist allerdings deren Fähigkeit meine Truppen weiter zu bewegen, selbst über undurchdringliches Gelände oder um meine Angriffseichweite zu erhöhen. Ich mache mir keine Sorgen, die Atreides und der Fremen-Abschaum werden unter meiner Macht zerquetscht.
Doch plötzlich dämmert es mir … ich bin irgendwie langsam. Bewegung heißt im Normalfall: nur ein Gebiet weit. Und überall dieser Sand. Diese erbarmungslose Wüste! Sie wird mich aufreiben, Sandwürmer werden angelockt und fressen meine Legionen, Wüstenstürme werden an meinen Nerven zehren. Es ist so verdammt weit zu den Sietches und ein Kampf dort muss ja auch noch gewonnen werden. Dazu muss ich den drei Fraktionen MAFEA, Raumgilde und Landsraad am Ende jeder Runde Spice liefern, sonst erlassen sie fiese Gesetze, die mir negative Effekte reindrücken. Viel Spice ernte ich aber nur in der tiefen Wüste, am Spielfeldrand. Wie soll ich diese Ernter dort beschützen? Und irgendwie muss ich ja auch noch meine Städte vor Überfällen befestigen. Mit Argusaugen beobachte ich stetig, wie diese Wüstenplättchen zu Angriffsautobahnen der Fremen werden. Und gerade diese Langsamkeit meiner eigenen Truppen macht mir zu schaffen. Verdammt, wie teile ich mich jetzt auf? Wo schlage ich zu? Und ich gebe zu, ich habe richtig Angst vor dieser Wüste! Atmosphärisch wie spielerisch einfach genial.
Die mutige Minderheit
Als Atreides siehst du das Spielfeld beim Start und nur ein Gedanke springt dir ins Hirn: Lass Einpacken und irgendwas anderes spielen. Ja, die Wüste ist auf meiner Seite, gefühlt nützt mir das nur nichts, wenn ich meine Sietches mit drei Einheiten verteidige. Die sind schnell wegrasiert. Meine Legionen liegen zwar zur Überraschung oft verdeckt aus (Plättchen, keine Figuren), aber wenn da eine Übermacht anrollt, ist das verschissene verdeckte Plättchen mit maximal zwei Truppen auch egal. Selbst wenn dort Elite-Einheiten drunter sein sollten, die mehr Lebenspunkte besitzen. Einfach hoffnungslos unterlegen! Neue Truppen kann ich auch ausheben, aber ich besitze eben nur vier Aktionswürfel. Die Planung ist härter und unflexibler. Größter psychologischer Trumpf ist mein Wüstenreiten. Geschickt die Plättchen ausgelegt und die Harkonnen zittern vor meiner Reichweite. Du musst mutig sein und Druck aufbauen, selbst wenn er gefaked ist.
Dazu muss ich für den Spielsieg meine drei verschieden farbige Zielmarker über offen ausliegende Missionen in perverse Höhen treiben. Wie hoch, gibt eine geheim gezogene Karte zu Spielbeginn für jede Farbe an. Die offen ausliegenden Missionen versuchen die Harkonnen natürlich zu torpedieren. Ablenkung ist gefragt, aber schwer, ansonsten werden die Missionen verhindert. Zudem sind viele Ziele völlig konträr zu dem, was ich gerne machen würde: Nämlich dem Harkonnen ins Gesicht schlagen! Die Missionen sind aber ungemein thematisch. Da muss ich, wie hier verlinkt, nur zur Show mit einem Anführer einen Wüstenritt unternehmen. Ohne Angriff, einfach nur in die dumme Wüste reiten. Das kostet mich eine Bewegungsaktion und noch schlimmer, einen von vier Aktionswürfeln. Oder die Mission Paul Atreides trinkt das Wasser des Lebens. Ihr kennt die Szene? Tja, auch im Spiel ist Paul damit erst einmal für einige Runden raus. Ein durchaus starker Anführer, den ich mir selbst nehme. Dafür kommt er später als Muad’Dib umso mächtiger zurück. Wie bei der Vorlage thematisch einfach geil! Trotzdem, Ohnmacht und gefühlte Unfairness sind wie die Wüste Begleiter der Atreides.
Das beeindruckende Gleichgewicht
Der eine fühlt Ohnmacht und Unfairness, der andere hat ständig Angst. Wie geil ist das bitte? Aus diesem Zustand entsteht etwas: ungeheure Spannung. Jede langfristige Planung, jede kurzfristige Aktion will wohlüberlegt sein. Das Zittern alleine beim Werfen der Aktionswürfel. Das Hadern um falsche Zusammenstellungen der Aktionen. Das innere Aufatmen, wenn man geniale Planungskarten zieht, um der feindlichen Fraktion richtig fiese und überraschende Manöver auf den Tisch zu knallen. Begleitet von Stöhnen des anderen. Vielleicht auch von nicht gezeigten Tränen. Ich hab es schwer. Du hast es noch schwerer. Glück gehört natürlich auch dazu. Nicht nur bei den Aktionswürfeln, sondern auch beim Kämpfen über Würfel. Eine weitere Triebfeder, die die Spannung auf ein Maximum verstärkt. Und das alles eingewoben in ein so thematisch dichtes Spielgewebe. Fantastisch!
Sand im Getriebe
Damit solch eine Spannung aufkommt, musste ich durch eine sehr zähe Erstpartie gehen. Und auch eine zweite Partie ist noch nicht so fluffig zu spielen. Die Anleitung ist zwar nicht schlecht, aber sehr viele Spielelemente müssen erst verstanden werden und geben sich auch etwas anders als gewohnt. Nachschlagen ist das Zauberwort der ersten Partie. Thematisch ist es schnell ein Traum, spielerisch muss es trotzdem gelernt werden. So verringert sich aber auch die Spielzeit auf mittlerweile fluffige zwei Stunden.
Eine weitere Sache, die mir persönlich missviel, ist der Umgang mit Spice. Ein eigentlich wesentlicher Faktor des Universums. Dieser fällt im Grundspiel leider ab. Beliefern die Harkonnen nicht ihre Handelspartner, erhalten sie zwar Strafen, die aber nicht völlig unangenehm sind. Der zentrale Kampf um die Erntemaschinen wird zum Nebenschauplatz. Hier helfen die Erweiterungen. Im Handel bisher vor allem durch die Raumgilde. Durch erbeutetes oder abgebauten Spice erhalten die Fraktionen mächtige Belohnungen. Ich spiele das Grundspiel nicht mehr ohne die Raumgilde.
Fazit
Du solltest die eingangs gestellte Frage nun beantworten können. Diese kostbare Perle an Flüssigkeit ist natürlich beides! Wenn sich am Ende einer hart geführten, vor Spannung getränkten, mitunter verfluchten Partie die Bro-Fist gegeben wird, sind es vielleicht sogar Tränen der Freude. Was für eine Verschwendung von Flüssigkeit! Fast die einzige thematische Verfehlung, die Dune: Krieg um Arrakis auslöst. Denn bis auf die Spice-Problematik, die durch die Erweiterung zudem gelöst wird, ist Dune: Krieg um Arrakis ein wirklich unfassbar dichtes, immersives Fest für Fans des Wüstenplaneten. Nach etwas sperriger Einarbeitung ist die Asymmetrie der Fraktionen, die nicht nur spieltechnischer, sondern auch emotionaler Natur ist, ein Garant für pausenlose Spannung. Ein Ripples in the Sand von Hans Zimmer gepresst als Brettspiel. Angst vor der Wüste, Ohnmacht durch die Übermacht der Harkonnen und dazwischen Würfel-Duelle, fies geplante Winkelzüge über Karten und der Kampf um dynamische Missionsziele. Dune: Krieg um Arrakis fetzt dir mit Opulenz eines der spielerisch bestmöglichen Duelle der Brettspielwelt um die Ohren.
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- 3. Dezember 2024
- 25. November 2024
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5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Kann der Rezension nur zustimmen, das Spielbrett ist hier wirklich einer der Hauptdarsteller. Die schiere Größe erfordert zwar ordentlich Platz auf dem Tisch, aber du spürst tatsächlich den Sand im Gesicht und die Unbill des Wüstenkrieges, wenn du dich mit deinen Harkonnenlegionen unter großen Verlusten zum nächsten Siech durchkämpfst und dann hoffst, dass du einerseits den Kampf gewinnst, andererseits es die Sache auch wert war.
Ich konnte es jetzt drei Mal spielen und bin begeistert. Was ich mich frage: die Strategien sind anscheinend ja doch zunächst festgelegt wirkend, als Harkonnen schnell vordringen und den Druck hochhalten, als Atreides streuen, blöffen und den Gegner auseinanderziehen. Erschöpft sich das, weil es zu gleichförmig wird oder entdeckt man dann neue Feinheiten mit Spielerfahrung?
Hallo Tobias,
also dazu zwei Gedanken:
1) Die Raumgilde. Diese Erweiterung sorgt dafur, dass der Kampf zumindest auch wirklich uns Spice gehen muss. Ich habe mit beiden Fraktionen hier schon fokussiert drauf gespielt und ermöglicht neue Strategien.
2) Aus meiner Sicht verändern die gezogenen Ziele der Atreides das Spiel. Wenn man als Harkonnen diese Ziele ignoriert, dann verliert man. Zudem kann man mit „eingefahrenen“ Strategien auch bluffen. Als Harkonnen z.B. holte ich mit der einen Würdfelaktion zum Ende mir immer neue Ernter. Damit hat der Atreides Spieler gerechnet. Plötzlich holte ich aber die Ornithopter ins Spiel an Punkten, wo ich sie schon benutzt hatte, um mich noch weiter zu bewegen.
Die Würfel fallen ja auch immer anders. Es ist sicher aber kein Spiel, wo man auf zig verschiedene Sachen hinarbeitet. Das Spiel ist schon sehr schlank gehalten. Ich mag das, denn so spielt man auch nur 2 Stunden. Es kommen ja auch noch ein paar Erweiterungen, die dann mehr Möglichkeiten bieten.
Liebe Grüße
Christian
Guten Morgen!
Dann werde ich beizeiten nach der Raumgilde Ausschau halten. Danke dir, wie immer, für die ausführliche Antwort.
Viele Grüße und eine gute Woche
Der Test lässt einen ja schon schwer in Versuchung geraten, hatte das Spiel auch lange auf meiner Liste aber aufgrund der Konkurrenz zum Ringkrieg dann doch wieder verworfen. Es liest sich jetzt für mich tatsächlich aber auch wie ein Spiel ala Ringkrieg 1.5 mit der Asymmetrie und dem Würfelaktionsmechanismus. Klar Thema und Spielbrett wurden angepasst und bieten durchaus seinen Reiz aber meine Frage in der Hinsicht spielt es sich denn wie ein moderneres Ringkrieg? Der Kampf mit Würfeln ala Würfelorgie-Risiko hatte mich immer etwas gestört wie wurde dies hier gelöst?
Hallo Jannis,
es ist Würfelorgie, aber mir gefällt es. Pro Truppe 1 Würfel, Anführer gebe keine Würfel, dafür können sie das Joker-Symbol in Schaden und Schilde umwandeln und das unterschiedlich stark. Maximal 6 Würfel gegen 6 Würfel und dann Schilde vs. Schaden. Sehr schnell, sehr unkompliziert.
Der größte Vorteil zum Ringkrieg ist aus meiner Sicht die Spielzeit. Wenn das Spiel gelernt ist, spielt man es in 2 Stunden.
Letztendlich ist das Thema aber auch einfach brutal stark umgesetzt.
Liebe Grüße
Christian