Lesezeit: 6 Minuten
Wunder der Welt mit der Mundo-Erweiterung steht aufgebaut vor mir. Christian und ich haben gerade unseren Streifzug durch die Gemäuer der Bischofsburg Liebenau in Schkopau bei den B-Rex Tagen beendet. Im Raum sind Spiele des Kobold Verlags drapiert und Wunder der Welt spricht mich sofort an. Es erinnert mich an My City und seinen Nachfolger My Island und mit diesen Spielen habe ich viele schöne Stunden verbracht. Aber etwas spricht mich noch viel mehr an. Die Holzmonumente. Liebevoll gestaltet und in zahlreicher Ausführung. Das Spiel ist aufgebaut und ich muss Christian nicht lange bitten, eine Runde mit mir zu spielen. Nach meiner Erstpartie ist klar. Ich möchte Wunder der Welt in meiner Spielesammlung haben.

Kurzcheck: Darum geht es in Wunder der Welt

In dem auf maximal 10 Runden angelegten Spiel bebaut von eurer Hauptstraße ausgehend eure Stadt. Ihr errichtet Bezirke, treibt so eure Ressourcen in die Höhe und entwickelt eure Bevölkerung. Ihr baut Straßen, Türme und Stadtteile. Die Stadtteile unterscheiden sich nach Form und Farbe. Das Salz in der Suppe sind jedoch die Baupläne für die Monumente, die offen ausliegen. Habt ihr eine Baubedingung für ein solches Monument erfüllt, könnt ihr dieses Monument bauen und platzieren. Aber Obacht: Das Timing ist wichtig.  Wenn ihr ein Monument errichtet, gebt ihr all euer Geld in dieser Runde aus und beendet für euch die Runde. Am Ende gewinnt natürlich der Spielende mit den meisten Siegpunkten.

Der Start. Erinnert schon brutal an My City.

Timing

Das Timing ist ein Tanz auf der Rasierklinge. Ich möchte das Kolosseum bauen. Ich habe den Bau perfekt vorbereitet. Eine Fläche von 2*3 Feldern für das mächtige Bauwerk ist freigelassen und ich habe die Voraussetzungen des Bauplans für das Kolosseum erfüllt: Das Römerbauwerk muss an einen H- und W-Bezirk grenzen und an einen Weg angeschlossen sein. Perfekt. Habe ich. Ich schaue nach rechts. Fuck. Kati erfüllt die Voraussetzung ebenso. Was mache ich? Das Kolosseum schließt auf meinem Plan hervorragend zwei Bezirke ab, gibt mir einen Siegpunkt und Ressourcen. Aber ich habe noch fünf Geld. Fünf! Das ist sehr viel. Wenn ich jetzt das Monument baue, verliere ich alles Geld und passe. Kati hat nur noch drei Geld. Sie nimmt es sich sicher. Ich beiße in den sauren Apfel und kaufe das Monument teuer.

Das Kolosseum hat schon sehr gut in meinen Plan gepasst.

Einsteigerfreundlich

Lissy kommt zum Tisch geschlürft. Lissy für ein neues Spiel zu begeistern ist mittlerweile so schwierig, wie mit meinen dicken Wurstfingern einen Faden in ein Nadelöhr einzuführen. „Das sieht aus wie My City“, sagt sie und setzt sich an den Tisch. „Willst du mitspielen?“, frage ich. „Ist es schwer und dauert es lange?“, sind die beiden Fragen, die es zu klären gilt. In zehn Minuten habe ich ihr die übersichtlichen Regeln und die Endwertung des Spiels erklärt. Gebannt, fiebernd und voller Motivation steigt sie ein. Zu Beginn jeder Runde stehen sieben Goldstücke zur Verfügung, mit denen die unterschiedlichen Kosten für die verschiedenen Stadtteile bezahlt werden. Oder eben Straßen und Türme. In der ersten Runde baut Lissy bereits Den Koloss von Rhodos und ist völlig im Spiel gefangen. Die wunderschönen Holzmeeple tun ihr Übriges.

Lissy freut sich über ihr erstes Monument.

Bezirke sauber abschließen

Ein paar Züge später… die Stadt wächst und wächst und Planungsfehler werden immer offensichtlicher. Zwei Bezirke in meiner Stadt weisen Lücken auf. Ich bekomme aber nur Siegpunkte für einen Bezirk, wenn dieser vollständig von Straßen, Flüssen, Rohstoffen oder anderen Gebäuden umbaut ist. Also benötige ich ein Set aus kleinen Straßen. Dieses Set schnappen mir aber abwechselnd Kati und Lissy immer wieder weg. Ich möchte eigentlich kein Geld für die Zugreihenfolge ausgeben, aber mir bleibt leider keine Wahl. Ich zahle ein Geld und schiebe mich in der Zugreihenfolge eine Position nach vorne.

Die aktuelle Zugreihenfolge.

Alles im Blick

Lissy baut wie ein Weltmeister. Ihre Stadt wächst und gedeiht, sie schafft es sensationelle sechs Monumente zu bauen. Das ist stark. Allerdings verliert sie ein wichtiges Merkmal aus den Augen. Die Ressourcen. Am Ende des Spiels erhalten wir entsprechend für unsere Ressourcen Siegpunkte. Allerdings nicht für jede der drei Leisten, sondern nur für die Niedrigste. Lissy ist stark bei Werkzeugen (blau) und Keramik (rot), hat aber die Nahrung (grün) völlig vernachlässigt. Während Kati und ich am Ende 9 Punkte einsacken, bleibt Lissy hinten dran und bekommt nur 4 Siegpunkte. Das bricht ihr in der Endabrechnung das Genick. Ein Aspekt, den man bei Wunder der Welt im Blick haben muss. Die Entwicklung der Ressourcen mithilfe der gebauten Bezirke.

Eine fette Stadt, aber leider sind die Leisten der Ressourcen nicht im Gleichgewicht.

Diskrepanz

Und Lissys sechs Monumente? Ja, die sind mächtig. Allerdings wiegen sie Schwächen in anderen Bereichen ihrer Stadt nicht auf. Was heißt das konkret? Wunder der Welt funktioniert nicht ausschließlich über das Bauen der Weltwunder. Ich liebe diesen Satz. Bei dem kniffligen Legespiel muss ich viele Faktoren im Blick haben. Fällt eine Ressource in der Entwicklung ab, kann ich es kaum mit den Monumenten kompensieren. Baue ich meine Stadt mit so vielen Lücken, dass die Bezirke nicht geschlossen werden, habe ich keine Chance, dass mit Monumenten aufzufangen. Einige Monumente sind planerisch schwer zu bauen, andere eher einfach. Für die schweren Monumente bekomme ich gefühlt einen Siegpunkt zu wenig. So ist es mir gegangen. Was bedeutet das für mein Spielgefühl? Die Monumente sind cool, aber sie sind auch nur ein Puzzlestück im Spiel und sind einen kleinen Tick zu schwach. Allerdings sind sie bei Spielern die gleich gut planen das Zünglein an der Waage. Was ist gewollt?

Lissys fette Monumente.

Skalierung

Wunder der Welt funktioniert hervorragend mit 2-5 Spielern. Bei vier und fünf Spielern kommen einfach neue Stadtteile hinzu. Das ist elegant und gut gelöst. Auch die Downtime ist sehr bescheiden, da jeder pro Zug nur eine Aktion ausführt. Kauft ein Spieler einen Stadtteil, kann er dann in Ruhe puzzeln. Allerdings haben die Käufe der anderen Spielenden und deren Aktionen durchaus Einfluss auf meinen Zug. Wann baue ich ein Monument? Nehme ich mir Straßen oder Türme und zu welchem Zeitpunkt? Wann wandere ich auf der Zugleiste nach vorne? Das macht Wunder der Welt herrlich interaktiv und ich erwische mich, wie ich häufig auf die Entwicklung der Nachbarstädte blicke um meinen Zug zu timen.

Zielkarten machen das Spiel deutlich anspruchsvoller.

Thematisch schwache Materialliebe

Für mich ist es 2024 nicht nachvollziehbar, dass die zu puzzelnden Stadtteile so klangvolle Namen wie B, L, W, H, R haben. Ok, sie stehen für Religion, Wohnen, Handel etc. aber thematisch und grafisch wäre da einiges mehr möglich gewesen. Wunder der Welt mit der Mundo-Erweiterung lässt diese Schwächen allerdings mit seinen Wundern nachhaltig vergessen. Die unfassbar vielfältigen Monumente sind liebevoll gestaltet und haben eine tolle Tischpräsenz. Hier sind Gott sei Dank keine Plastikminiaturen am Start, sondern echte, schöne, detaillierte Holzmeeple, die zudem einen Aufforderungscharakter und einen informativen Mehrwert haben. So haben Lissy und ich herausgefunden, dass Die Hängenden Gärten der Semiramis und Die Hängenden Gärten von Babylon das Gleiche sind. Und wir haben gegoogelt was nach zu den sieben Weltwundern der Antike gehört. Und wo Babylon eigentlich gelegen hat.

Die Tischpräsenz ist mächtig.

Fazit

Wunder der Welt macht vor allem mit der MundoErweiterung auf dem Tisch einiges her und hat eine tolle Tischpräsenz. Die Weltwunder sind als Holzmeeple liebevoll und toll gestaltet. Allerdings sollte man bei dem gehobenen Familienspiel mit den schnell eingänglichen Regeln nicht ausschließlich auf die Wertung der Weltwunder gehen. Diese sind nämlich nur ein Teilelement in des Spiels. Vielmehr steht das geschickte Bauen der Bezirke um passende Ressourcen zu erhalten und Bezirke abzuschließen im Vordergrund. Dabei skaliert Wunder der Welt hervorragend für 2-5 Spieler, die Downtime ist mit einer Aktion pro Spieler gering und die Interaktion durch den offenen Markt, die Zugreihenfolge und die Monumente definitiv da. Wunder der Welt hebt sich dadurch von anderen solitären Puzzlespielen deutlich ab. Für mich ein tolles Spiel, welches vom Balancing allerdings ein paar Anmerkungen von meiner Seite provozierte. Das tut dem rundum gelungenem Spielspaß und der tollen Tischpräsenz aber keinen Abbruch.

 

Wunder der Welt
Spielinformationen
Genre: Lege-Spiel | Personen: 2 - 5 | Alter: ab 12 Jahren | Dauer: 50 - 70 Minuten | Autor-/in: Zé Mendes | Illustration: Odysseas Stamoglou, Tom Ventre | Rezensionsexemplar erhalten
SPIELSPASS
8
MATERIAL
8
SPIELIDEE
7
Positive Aspekte
Herausforderndes Legespiel mit vielfältigen Siegbedingungen
Einfach erklärt in zehn Minuten
Sehr gut skaliert für 2-5 Personen
Wenig Downtime
Interaktion durch begrenzten Markt, Zugreihenfolge und Monumente
Liebevoll gestaltete Monumente mit toller Tischpräsenz
Optinale Siegbedingungen machen das Spiel schwerer
Negative Aspekte
Design der Bezirke beliebig
Monumente wirken im Siegpunkt-Gefüge einen Tick zu schwach
7.5
Redakteur bei Brett & Pad | + Letzte Artikel

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3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Witzig Markus, dass du die kleine Kritik, die schon bei dem Artikel zu B-Rex Tagen in den Kommentaren angesprochen wurde (oder war es ne News?), ebenso aufgreifst. Ich verstehe, dass das Spiel an der Stelle der Monumente maximal irritiert. Der Name wie auch die Präsenz in Form der markanten Spielsteine suggeriert hier den entscheidenden mechanischen Kniff beim Bauen. Es kann hier Mächtigkeit erwartet werden. Nüchtern betrachtet, erfüllen die Monumente diesen Zweck nicht. Du fragst bewusst:

    „Die Monumente sind cool, aber sie sind auch nur ein Puzzlestück im Spiel und sind einen kleinen Tick zu schwach. Allerdings sind sie bei Spielern, die gleich gut planen, das Zünglein an der Waage. Was ist gewollt?“

    Ich habe das Spiel dreimal gespielt und möchte deine Frage beantworten. Der Kniff liegt in den Kosten versteckt und damit geht es um die Balance bei gleich guten Spieler:innen. Wer richtig spielt, bekommt die Monumente fast gratis. Um diese Gratis zu erhalten, braucht es vorherige passende Puzzlearbeit, was den Puzzel-Aspekt der Bezirke, Türme und Straßen im Einklang mit dem Spielbrett wesentlich interessanter gestaltet. Und es braucht den Blick auf die Tableaus der anderen, denn ansonsten werden sie mir weggeschnappt. Im Regelfall sollte ein Monument eine Belohnung für vorausschauendes Bauen sein, deren Kosten viel geringer sind als der günstigste und mickrigste Bezirk im Spiel. Gleichzeitig sind durch ihre größere Form Vorteile inkludiert (andere Bezirke umschließen, Spielbrett schneller füllen, Areale schneller erreichen) plus weitere Boni durch direkte Siegpunkte oder weitere Boni, je nach Monument.

    Nein, man gewinnt Wunder der Welt nicht durch eine reine Fokussierung auf die Monumente. Man kann bei weniger Erfahrung sicher sogar ohne ein einziges Monument gewinnen, gerade wenn die anderen am Tisch der Monumenten-Falle aufsitzen. Der Clou des Spiels ist es aber, dass die Monumente eine mächtige und gleichzeitig fast geschenkte Belohnung für vorausschauendes Bauen sind. Wer also in seine gebaute Stadt die Monumente auf natürliche Weise einbaut, der hat große Chancen, das Spiel auch zu gewinnen. Diese Balance hinzubekommen, war für mich der Spielreiz. Ich kann aber auch jede Person verstehen, die aufgrund der Aufmachung des Spiels und der Freude darüber, sich ein Monument geschnappt zu haben, frustriert ist, wenn die Monumente dann am Ende gefühlt keinen Ausschlag geben. Das fühlt sich dann nachteilig an. Für mich am Ende eine Vermarktungs- bzw. Erwartungsirritation.

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  • Das könnte schon was für meine Jungs sein. Grade für den Älteren; er liebt Insel der Katzen und auch die Antike als Thema.

    Allerdings glaube ich, dass wir in unserer Runde schon auch erwarten werden, dass die Monumente auch der Aufmachung und Tischpräsenz entsprechend wuchtig in die Wertung kommen (wobei mir auch das, was Christian oben sagt, gut einleuchtet).

    Ein paar Monumenten einen Siegpunkt per Hausregel einen Punkt mehr zu geben ist dann etwas, was man ausprobieren müsste und ggf. eine ganz einfache und harmlose Anpassung.

    Antworten
    • Ich hatte ja schon bei dem Bericht zu den B-Rex-Tagen was dazu geschrieben: Als ich es zu zweit (nur Grundspiel) gespielt hatte, kam ich nie an die vorbereiteten Monumente, und hab dann immer nur ausweichend agieren müssen. Kaum Monumente gebaut, vieles nur aus Verlegenheit mangels Alternativen gemacht. Ich wähnte mich sehr schnell und das ganzee Spiel hindurch weit abgeschlagen, um dann am Ende mit einem aus reiner Verzweiflung zusammengepuzzelten Stückwerk gegen einen Plan voller beeindruckender Monumente gewonnen zu haben…
      So schön das Material auch ist, als Spiel taugts mir so nicht.

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