Kurzcheck: Darum geht es in Plutocracy
Die Erde ist in dutt. Sacht man hier so im Norden. Die restliche Besiedlung der Planeten unseres Sonnensystems ließ die Menschheit aber überleben. Gesteuert von Großkonzernen der Spieler:innen, die nun um die Macht im plutokratischen Rat wetteifern. Nur wer die Zeit gut nutzt, geschickte Handelsrouten plant und seine verdienten Space-Euros in die Parlamente der Planeten investiert, sichert sich langfristig die politische Macht. Dreimal im Spiel werden die planetaren Parlamente ausgewertet und Vertreter in den Rat geschickt. Wer dort am Ende die Mehrheit stellt, gewinnt das Spiel.
Plutocracy besitzt zwei spielbestimmende Ebenen: Zeit und Pick-up & Delivery. Die Ebene Pick-up & Deliver ist absolut klassisch und maximal auf das Wesentliche runtergedampft . Jeder Planet bietet eine Ware an und fragt eine nach. Je nachdem wie ein- und verkauft wird, verändern sich die Preise. Wer geschickt seine Routen plant, Gewinne richtig investiert, erlebt exponentielles Wachstum und kann sich damit auf den Planeten Macht einkaufen. Wer es blöd anstellt, wird abgehängt. Fallschirme gibt es nicht. Der Clou ist nun aber die Zeit! Das Reisen auf dem Spielfeld kostet dich Zeiteinheiten auf einer Leiste. Ist dort das Ende erreicht, ist das Spiel für dich vorbei. Die Person, die auf dieser Leiste hinten liegt, ist am Zug. Ist eine bestimmte Menge Zeit vergangen, bewegen sich auch die Planeten und verändern durch unterschiedliche Umlaufbahnen die Abstände zueinander. Auch Preise können sich verändern. Das Spielfeld ist also an die verbrauchte Zeit der Spieler:innen gekoppelt. Wer das Spiel gewinnen will, muss die Zeit und ihre Auswirkungen knallhart mit einkalkulieren.
Dagobert Duck
Doppeldenkspiele, so heißt der Verlag und das passt auch zum Spiel. Plutocracy mag in wenigen Minuten erklärt sein, aber der Absturz kann tief sein. In der ersten Partie wurde meine Frau völlig an die Wand gespielt. Sie kaufte früh Sitze auf einem Planeten, hatte deshalb weniger Geld zum Einkaufen, ihre Gewinne waren niedriger und sie verrechnete sich bei der Routenplanung. Ihre Waren wurden von Planeten nachgefragt, die sich durch die Zeitmechanik von ihr wegbewegten. So wurde ihre Handelsroute länger. Sie verbrauchte mehr Zeit und damit verringert sich die Möglichkeit, Gewinn zu erwirtschaften. Ich erwischte genau das Gegenteil! Planeten verkürzten ihren Abstand, ich machte so massig viel Kohle und konnte im Mittelteil des Spiels einen großen Teil meines Reichtums in planetare Sitze anlegen und gewann damit auch die Politikphase! Erstpartie, kann passieren. Wir merkten aber, hier gibt es keinen Fallschirm. Wer in Zahlen träumt und gut in die Zukunft denken kann, der kann spielerische Party erleben.
Mehr als Zeit und Lieferungen
Alleine der Start ins Spiels ist wichtig. Wo startest du? Es gibt nach der Startaufstellung keinen Zufall mehr im Spiel. Wessen Körper zu 98 % aus Hirnmasse besteht, der kann theoretisch gut planen, wo ab welchem Zeitpunkt die Planeten sind. Nur die Preise weiß er nicht, da pfuschen dann zum Glück alle Personen mit rein. Auch kann man nur grob erahnen, wie die anderen fliegen werden. Spannung ist vorhanden. Vor allem gibt es im Spiel zwei entscheidende Punkte.
Ab wann löse ich mich aus dem Kreislauf „Geld scheffeln“ und investiere in die Politik. Wer sich zuerst einkauft, bezahlt weniger! Hat aber eben weniger Investitionsmasse. Und politische Einkaufen geht auch nur dort, wo man sich mit seinem Raumschiff befindet. Und dann gibt es noch die Ziele der Erde. Vier Missionen können dort erfüllt werden, die nicht gerade wenig Einfluss im Rat einbringen. Welche Missionen nehme ich mir vor? Wie passt das zu meiner Routenplanung? Denn auch die Erde muss angesteuert werden. Obendrauf gibt es noch einen Wettrennen. Für Erstplatzierte ist die Belohnung höher und als Drittplatzierter bekommst du gar nichts mehr. Hier musst du deine Nachbar:innen auch im Auge behalten.
Module
Plutocracy bietet ein paar optionale Regeln, von denen neben dem variablen Spielaufbau vor allem die Versteigerung der Startposition reizvoll ist. Beim variablen Spielaufbau sind die Startpositionen der Planeten ebenso zufällig wie die Wertigkeit und Nachfrage der Waren. Reizvoll, weil man so durchaus mehr überlegen muss, welche Startposition und zukünftige Route vielleicht am meisten abwirft. Bei gleicher Spielerfahrung und je nach Aufbau gibt es aber durchaus lukrativere Startpositionen. Das kann unfair sein und da kommt die Versteigerung ins Spiel. Du handelst hier mit deiner zur Verfügung stehenden Zeit. Normalerweise endet das Spiel nach 75 Zeiteinheiten. Wie viel davon knappst du dir ab? Pokerst du zu hoch, hast du durch die fehlende Zeit am Ende einen spürbaren Nachteil.
Fazit
Plutocracy ist die Antithese zu aktuellen Materialschlachten, die manchmal mit ihren vielen Mechaniken gar nicht wissen, wohin sie wollen. Plutocracy ist nicht nur im Material reduziert, sondern auch in seinem mechanischen Kern. Das, was vorhanden ist, kann dafür überzeugen. Eine Reise, in der die Zeit solch eine Rolle spielt, erlebt man nicht oft. Nicht nur in der Auseinandersetzung einer schnöden Zugmechanik, sondern eben auch in der Beeinflussung des Spielbretts. Diese Art der Planetenbewegung werde ich ab sofort in all meinen geliebten Sci-Fi-Spielen vermissen.
Knackpunkt ist bei Plutocracy die Spielerfahrung. Der wahre Spaß entfaltet sich für mich durch Module, wo die eigene Startposition mit Zeitverlust ersteigert wird und die Startkonstellationen der Planeten und Warenwertigkeit zufällig verteilt sind. Dann ist Doppeldenken Pflicht, was für ein Spaß! Reduzierte Schlichtheit besitzt im aktuellen Zeitgeist allerdings geringeren Aufforderungscharakter, was das Sammeln von Spielerfahrung erschwert. Das Auge spielt bei Mitspielenden halt mit. Trotzdem kann man hier einen Blick riskieren. Der variable Spielaufbau, die kompakte Spielzeit und frische Zeitmechanik sind eine Erkundung wert.
Fleischpöppel | Brettspieler | Videospieler | Rollenspieler | Miniaturenbemaler | Würfel-Lucker | Airbrush-Anfänger | Blogger | Schönspieler | Rum-Trinker | Brettspielsammler | Crowd-Funding-Süchtig | Trockner Grübler | Pöppel-Streichler | Magic-Verweigerer | 4X-Fanboy | Sickerflopp-Liebhaber
- 3. Dezember 2024
- 2. Dezember 2024
- 25. November 2024
- 18. November 2024
Im Fokus
Neueste Kommentare
- Tobias bei Dune: Krieg um Arrakis
- Christian bei Das Unbewusste
- Denny Crane bei Das Unbewusste
- Christian bei Dune: Krieg um Arrakis
- Jannis bei Dune: Krieg um Arrakis
1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Plutocracy finde ich auch gut! Ich finde es beeindruckend, dass das Spiel ohne Glückselemente auskommt (mal abgesehen vom Expertenaufbau) und trotzdem Spaß und abwechslungsreich ist. Obwohl alles etwas nüchterner daher kommt.
Ich liebe auch den Mechanismus der kreiselnden Planeten und das geplante darauf landen. Ach … ich glaub ich spiele heute wieder eine Runde 🙂