Lesezeit: 5 Minuten

Das exklusiv für die PlayStation 4 entwickelte Days Gone begeistert durch allerlei Dinge, ja zum Teil schenkt es dem Spieler sogar noch nie erlebte Momente. Was nun nach einem absoluten Hit klingt, ist am Ende weniger als seine guten Bestandteile und das liegt an einem merkwürdig anmutenden Punkt. Days Gone ist zu sehr Videospiel. Nun kann man sich Fragen, was mich zu so einer Aussage geritten hat, schließlich ist Days Gone eben genau das. Klarer wird dies, wenn man sich die Konkurrenz der aktuellen Open World Videospiele wie Zelda: Breath of the Wild, Assassins Creed: Odyssey oder Read Dead Redemption anschaut. Was also sind die Gründe der stotterden Spielspaß-Motors im Detail?
Die Postkartenidylle täuscht, Freaker lauern überall.

Starker Einstieg!

Fangen wir doch beim Anfang an. Wir erleben den Start der Zombie…äh Freaker-Apokalypse! Chaos, fliehende Menschen, das Militär mittendrin und dazwischen der Biker, Rocker und Hauptprotagonist Deacon mit seinem Bruder und Frau. Man kennt dieses Szenario. Es ist nicht besser oder schlechter und wem dieses Genre gefällt, der kommt beim Einstieg auf seine Kosten. Days Gone setzt dann früh einen harten Cut und springt zwei Jahre in die Zukunft. Sagen wir es so, die Pandemie geht nicht gut für die Menschen aus und Deacon ist mit seinem Bruder allein. Die bekannte Zivilisation ist untergegangen, man schlägt sich durch! Gegen Freaker, gegen andere Menschen, reibt sich an Fraktionen und den Gefahren solch eines Szenarios auf. Seine Frau? Tot! Das ist kein Spoiler, man erfährt es sobald man das erste Mal Deacon steuert.

Was einen nun bei der Stange hält, ist der Umstand, dass man überhaupt nicht weiß, was passiert ist. Beim Smalltalk zwischen Bruder und Deacon fallen Stichworte: Orte, Namen, Andeutungen von Handlungen. Man muss diesen Kniff nicht mögen, aber so stark ins kalte Story-Wasser geworfen zu werden hat mich motiviert. Es vergeht einige Zeit ins Land, bis aus den ganzen Puzzlestücken ein Gesamtbild entsteht. Hier punktet Days Gone für mich, auch wenn es die dramaturgische Klasse eines Last of Us nie erreicht!

Es gibt wahrlich magische Momente.

Alles Routine?

Das Gameplay ist am Anfang ebenfalls ziemlich eindringlich, wird mit der Zeit etwas zur Routine, aber richtigen Grund zur Klage hat man nicht. Das Cruisen mit dem Bike ist ebenso cool, wie das Aufpimpen von Motor, Reifen und diversen anderen Dingen. Das leichte Survival-Feeling glückt der Spagat zwischen Hardcore-Sim und No-Brainertum vortrefflich. Man muss schon schauen, wie man mit seinen Nahkampfwaffen umgeht, weil sie gerne zur unpassendsten Zeit zerbrechen. Man schwimmt ebenfalls nicht in Munition. Wer mit Vollgas durch die amerikanischen Nadelwäldern heizt, wird sich öfters nach Benzin auf die Suche machen müssen. Ich zumindest kannte vorher kein Spiel, wo ich mit meinem Gefährt Hügel nur heruntergerollt bin, weil ich Benzin sparen wollte. Medipacks sind ebenso wertvoll, wie fast alle anderen Ressourcen. Das macht diese Welt glaubwürdig, ohne irgendwie zu frusten. Ein fetter Pluspunkt!

Freaker gleich Zombie?

Kommen wir zu den Freakern! Irgendwie sind sie natürlich Zombies, allerdings verdammt agile Zombies. Mit einigen wenigen wird man fertig! Doch Obacht, wer wild rumballert, lockt durch Lärm oft weitere Freaker an und schaut ohne Munition dumm aus der Wäsche. Schnell werden aus wenigen Freakern, ein paar zu viel! Ich habe selten in einem Spiel so oft die Beine in die Hand genommen oder bin lieber gleich durch die Büsche geschlichen.

Wirklich beeindruckend wird es dann, wenn man auf riesige Horden der Freaker trifft. Gezählt habe ich sie nie, aber hunderte trifft es wohl. So etwas habe ich bisher in keinem Spiel erlebt und bis zum Ende herrscht hier die Panik! Wie eine riesige zuckende Welle an Leibern ergießen sich die Freaker auf einen zu. Lauf! Lauf schneller! Wo ist das Bike? Glaubt mir, die Massen sind wirklich beeindruckend! Aufgelockert werden die Freaker durch unterschiedliche Gattungen von agil bis hin zu richtig zäh. Ich fand die Freaker in Days Gone erfrischender als ihre Vetter aus den vielen anderen Zombie-Spielen.

Ein Mann und sein Bike, das sind die guten Seiten von Days Gone.

Also alles super?

Nähern wir uns meiner Problematik. Die Open World begeistert in den ersten zehn Stunden. Großartige Wälder, stimmiges US-Feeling, dazu Deacon, zwar ein harter Rocker-Typ, der aber durch viele kleine Selbstgespräche an Sympathie, aber vor allem an Glaubwürdigkeit gewinnt. Wer über seinen Fitnesszustand flucht, weil er hohe Leitern erklimmen muss, der hat einfach einen Stein im Brett. Deacon allein im Wald, auf der Suche nach Ressourcen und im Kampf mit Freakern? Her damit! Aber sobald Deacon mit seiner restlichen Umwelt agiert, nimmt die Atmosphäre schlagartig ab. Man trifft in den wenigen letzten Enklaven der Menschen zwar einige coole Charaktere, aber der Rest ist eine Alibiveranstaltung. Nichts zu sagen und zu tun! Alles Statisten! Schnell durchschaut man das Spiel und seine spielerischen Abhängigkeiten. Ich sammle nie Pilze, weil Deacon sich etwas kochen will, sondern weil es in Camp X dafür Y Ruf und Z Kohle gibt. Ruf steigere ich, weil der Mechaniker dann neue Sachen für mein Bike hat.

Hochgradig verseuchte Zonen mit Freakern muss man säubern, damit man die Schnellreisefunktion nutzen kann, nicht weil es die Welt wirklich nachhaltig verändert. Jedes Nest gleicht sich in seiner Mechanik. Wegelagerer ausräuchern, immer gleich aussehende Gefangene befreien, Hol- und Bring-Quests, ja, Days Gone ist ein Open-World-Spiel aus der lieblosen Stanze. Und es verteilt diesen Content so großzügig, dass mir die Pausen zwischen den Interessanten Missionen zu lang waren. Im Gegensatz zu einem Assassins Creed holen mich hier die Missionen trotz der guten Atmosphäre nicht ab! Auch wenn ich Skillbäumen, Fetch-Quests und EP-Balken als alter MMOG-Hase nicht abgeneigt bin, in Days Gone sind mir das zu viele Belanglosigkeiten. Days Gone brüllt durch die atmosphärisch dichten Landschaften zu oft mit voller Lautstärke: VIDEOSPIEL! So sehr, das es für mich den Spielspaß merklich drückt.

Benzin gefunden: Jetzt aber schnell zurück zum Bike!

Fazit

Wie sehr einen das am Ende tangiert liegt natürlich stark am eigenen Empfinden. Days Gone glänzt sicher durch seine von einer schrecklichen Pandemie heimgesuchten Welt, mit all ihren grausamen Ausprägungen! Gut dosiertes Survival-Feeling trifft auf Horden an Freakern, die durch ihre schiere Anzahl wahre Panik entfachen. Eine Welle aus hunderten von Leibern sieht man nicht alle Tage! Daneben trifft man auf die Schattenseiten der Menschheit in Form perverser Kulte oder habgierigen Wegelagerern.

Der Kniff einem in die Welt zu schmeißen und erst langsam die Story und ihre Hintergründe zu entfalten, hat mir ebenso gefallen wie das Gameplay mit dem Bike oder dem Kampf gegen die Freaker! Wäre es doch nur etwas weniger typische Videospiel-Open World. Weniger Sammeln von Dingen, die nur für das Füllen von Balkendiagrammen existieren, weniger stumme NPC und etwas mehr Mühe bei den Missionen. Es hätte ein richtiger Hit werden können. So bleibt am Ende nur solider Spaß!

Days Gone
TECHNIK
70
SOUND
70
SPIELSPASS
70
Leserwertung0 Bewertungen
0
Kurzfakten
Beeindruckende Freaker-Horden
Schönes Survival-Light
Cruisen macht Spaß
Schwache Open World
Pacing suboptimal
Spielinformationen
Genre: Action-Adventure
Spieler: 1
Alter: ab 18 Jahren
70
Redakteur | Admin | Gründer von Brett & Pad | Website | + Letzte Artikel

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