Lesezeit: 5 Minuten
Ich mag soziale Deduktionsspiele, von daher war Infected für mich eine Pflichtunterstützung bei der Spieleschmiede. Allerdings eskalieren in unserer Spielgruppe solche Spiele oft. Ich gebe zu, daran bin ich nicht unschuldig. Denn ich rede gerne und vor allem viel, prangere an und wüte verbal durch die Gruppe – sorry Leute. Ich bin allerdings nicht der einzige, der gerne redet. Das Problem liegt auf der Hand, wenn wie bei dem Klassiker Werwölfe die Deduktion fast nur über die Kommunikation läuft. Denn ich kenne einige Spieler, die genau deswegen einen Bogen um solche Spiele machen – oder um mich. Mit Infected wollte ich alle Spieler an einem Tisch vereinen. Denn Infected verbindet die Suche nach dem Seuchendoktor mit einem Kartenspiel. Mehr Spiel, weniger Kommunikation. In der Theorie hörte sich das ziemlich gut an…

Kurzcheck: Worum geht es in Infected?

Sehr ähnlich zu Werwölfe, sind mindestens fünf Spieler am Tisch Dorfbewohner, bis auf einen und der verkörpert den Seuchendoktor. Die Aufgabe der Spieler ist die Enttarnung des Seuchendoktors, während dieser versucht die Seuche unter den Spieler zu verbreiten und alle zu töten. Jeder Spieler muss nach einer festgelegten Reihenfolge einem anderen Spieler verdeckt eine Karte geben. Dabei hat der Seuchendoktor ein anderes Deck als die Dorfbewohner. Haben alle ihr Karten erhalten, schaut sich jeder Spieler diese geheim an. Falls es eine Seuchenkarte ist, wurde man infiziert, stirbt und ist aus dem Spiel. Zusätzlich gibt es viele neutrale Karten, bei denen gar nichts passiert oder aber der Spieler würfeln muss, ob er verseucht wurde. Diese beiden Gattungen der Karten sind im Deck des Seuchendoktors und der Dorfbewohner gleichermaßen enthalten. Letztere haben noch zwei Heilkarten, die eine Seuchenkarte egalisiert.

Einige der Karten aus dem Deck des Dorfbewohners…

Probleme und zwei Lösungen

Bevor ihr Halt-Stopp-jetzt-rede-ich einwerft, so wie ich in Deduktionsspielen, ja, so wie beschrieben würde das Spiel gar keinen Sinn machen. Denn jeder Spieler wird sich merken können von wem er gerade eine Infektionskarte bekommen hat und ausscheidet, denn meistens wird nur eine Karte gespielt. Daher hat der Seuchendoktor Karten auf der Hand die eine verzögerte Infizierung verursachen. So stirbt der Spieler erst in der nächsten oder übernächsten Runde.

Aber… – warte, ja das würde immer noch keinen Sinn machen. Denn wenn ich eine Seuchenkarte erhalte, sie mir verdeckt anschaue und dann ausplaudere, dass ich nächste Runde sterbe, wäre das sinnfrei. Also gibt es die nächste Regel obendrauf auf das Regel-Korsett. Ich darf nur die Information teilen ob ich gesund bin oder nicht. Wenn ich eine verzögerte Seuchenkarte erhalte, bin ich also erstmal gesund. Übrigens, logischerweise darf derjenige, der aus dem Spiel ausscheidet, auch nicht erzählen durch welche Karte. Ganz schön viele Restriktionen…

…und einmal aus dem Deck des Seuchendoktors

Weitere spielerische Nuancen

Der Startspieler- und Seuchenmarker.

Wie schon bei Werwölfe gibt es auch für die Dorfbewohner weitere Rollen („Ansteckender Dorfbewohner“, „Stummer Dorfbewohner“) , die es dem Seuchendoktor zum Teil sogar leichter machen, weil ihr Deck selber für Infektionen sorgt. Weiteres taktisches Element: Mit der Würfel-Seuchenkarte kann ein Dorfbewohner versuchen aktiv den Seuchendoktor aus dem Spiel nehmen, denn dieser ist nicht immun. Man darf auch jederzeit einen Spieler als Seuchendoktor anprangern, liegt man falsch, fliegt man allerdings raus. Wer richtig tippt, holt den Sieg für die Dorfbewohner. Was Infected etwas anspruchsvoller macht ist der Umstand das Karten nicht einfach an den rechten oder linken Nachbarn ausgespielt werden, sondern auch mal an den Spieler gegenüber, oder an den zweiten von links oder rechts. Jede Runde gibt es eine andere Reihenfolge. Doch Kommunikationsregeln und spielerische Nuancen lösen nicht das Hauptproblem von Infected.

Problem: Zielgruppe

Wer wem eine Karte gibt, klärt diese anfänglich verwirrende Karte

Vielleicht den Rum aufgemacht und in lockerer Runde Infected spielen? Funktioniert eher weniger. Sobald der erste Dorfbewohner stirbt, muss ich sofort wissen, in welcher Runde wer wem was gegeben hat. Das inkludiert die Möglichkeiten für sofortige Infizierung und die verzögerten. Zusätzlich muss ich mir merken, welcher Spieler mir die sofortige Heilung ausgespielt hat, denn das kann definitiv nicht der Seuchendoktor sein. Kurz, es ist kein No-Brainer, hier muss konzentriert gespielt werden. Wer allerdings sehr gut aufpasst, für den kann es dann fast wieder zu leicht werden.

Und das Spielgefühl leidet schon sehr unter dem Kommunikationsverbot. Ich erhalte eine verzögerte Infektionskarte und dann?! Ich weiß sofort wer der Seuchendoktor ist. Darf aber nichts sagen – verständlich. Andere raten aber vielleicht munter oder beschuldigen jemanden. Und jetzt? Ich darf ja nichts sagen. Aber wenn ich nichts sage, dann wirkt das auch komisch. Ja, hab ich etwa eine Seuchenkarte bekommen?! Entweder floppt das Spiel hier oder die Spielrunde spielt Infected eher sehr still und rein taktisch. Dafür ist es dann aber irgendwie zu seicht. Mir zumindest fehlt hier für das beworbene soziale Kommunikationsspiel, die Möglichkeit zur spannenden Kommunikation. Dafür muss man nicht mal spielerischer Brüllbürger wie meine Wenigkeit sein, sondern eigentlich liegt es in der Natur der Sache bei einem Verräterspiel.

Fazit

Die Grundidee, ein deduktives Kommunikationsspiel wie Werwölfe in ein taktischeres Gewand zu stecken, ohne Erzähler, sondern mit klassischer Verrätermechanik über Karten, finde ich nach wie vor interessant. Infected ist dabei schick aufgemacht und hat einen schön morbiden Charme. Weniger rumlabern, mehr taktische Finesse, das gefällt sicher einigen. Dazu eine nette Spielzeit von 5 bis 15 Minuten! Ich gebe zu, spannende Partien habe ich immer wieder erlebt. Gerade dann, wenn etwas mehr aus dem Bauch gespielt wurde und die Paranoia um sich griff. Mir persönlich sind die Restriktionen bei der Kommunikation, die spielerisch zwingend nötig sind, aber zu konträr zum natürlichen Handeln. Man soll ja und muss irgendwie reden und verdächtigen, aber genau das tötet das Spiel ab. Je nach Kommunikationsfreudigkeit der Gruppe, wiegt dieser Nachteil schwerer. Daher ist Infected auch weniger partytauglich als angenommen und eher für aufmerksame und taktische, aber schweigsame Spieler geeignet.

Information: Infected ist zurzeit ausverkauft und war ein Crowdfunding-Projekt, es ist aber eine zweite Edition in Planung. Wer zwei Spiele besitzt, kann mit 7 bis 12 Spielern spielen.

Infected
Spielinformationen
Genre: Soziales Deduktionsspiel | Spieler: 5 - 6 | Alter: ab 13 Jahren | Dauer: 5 - 15 Minuten | Autor: Bryan Sloan | Illustration: Artur Jag, Josh T. McDowell
SPIELSPASS
5.5
AUSSTATTUNG
6.5
SPIELIDEE
7
Positive Aspekte
Schön morbide Optik
Schnell zu spielen
Taktisch interessant...
Negative Aspekte
Kommunikationsverbote sind ein Spaßkiller
In kleiner Runde sinkt der Spielspaß enorm
5.5
Redakteur | Admin | Gründer von Brett & Pad | Website | + Letzte Artikel

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