Lesezeit: 6 Minuten
Through the Ages von Vlaada Chvátil ist seit 2005 auf dem Markt, wobei 2015 eine überarbeitete und somit verbesserte Fassung veröffentlicht wurde. Die Neuauflage rangiert bei BBG nicht umsonst zurzeit auf Platz 2 und wohl fast jeder „Expertenspieler“ mit Hang zu Zivilisationspielen kennt Through the Ages. Ich spare mir in dieser Review diverse Einzelheiten zu den Regelfeinheiten. Wer da tiefer einsteigen will, dem empfehle ich die zwei Regelhefte mit insgesamt 36 klein beschriebenen Seiten. Die Seitenzahl zeigt es, Through the Ages ist ein Koloss! Allerdings, falsch angepackt, einer, der den Spielspaß regelrecht zerfleischt.

Kurzcheck: Worum geht es in Through the Ages?

Bis zu vier Spieler bauen über vier Zeitalter von der Antike bis zur Neuzeit ihre Zivilisation aus. Das geschieht über Zivil- und Militärkarten. Die Staatsform sorgt für unterschiedlich viele Zivil- bzw. Militäraktionen pro Runde. Dabei muss der Spieler sehr genau auf seine Ressourcen und Nahrung achten. Wer schlechte Kreislaufketten baut, gerät ins Hintertreffen! Die Bevölkerung kann bei zu wenig Nahrung rebellieren, bei Ressourcenknappbeit stagniert der Ausbau.

Gleichzeitig hebt man Armeen aus, erforscht Kriegstaktiken und erobert Kolonien. Man führt Krieg oder schmiedet Bündnisse. Ebenso baut man Weltenwunder und setzt mächtige, bekannte Persönlichkeiten unserer Zeitalter als Anführer ein. Und denkt immer an die Zufriedenheit deines Volkes! Kommende Zeitalter negieren Vorteile aus älteren und am Ende entscheiden die Spieler, was Siegpunkte bringt oder eben nicht. Kurzum, man durchlebt wahrlich die Geschichte um den Aufstieg seines Reiches, in so vielen Facetten, wie wohl nur in ganz wenigen anderen Spielen. Der Lohn dafür, eines der vordersten Plätze im Komplexitätsranking auf Boardgamegeek!

Leicht ausgebauten Spielertableau zum Start des Spiels

Der Abturner

Sollte der Lohn nicht Spielspaß sein? Da Through the Ages wirklich komplex ist, entsprechend Denkarbeit einfordert und mit eher außergewöhnlichen Zugabfolgen daherkommt, liegt es hier vor allem an den Spielern und deren Anzahl, ob hier Spaß aufkommt. Das Besondere an der Zugabfolge ist, dass jeder Spieler seine Runde komplett durchspielt. Man fängt an Politikkarten auszuspielen und Ereignisse aufzudecken, zieht dann aus einer zufälligen Auslage neue Karten, die man erforscht, ausspielt oder manchmal auf der Hand behält. Man entscheidet sich für Aktionskarten, die in der folgenden Runde Boni bringen, erhöht vielleicht seine Ressourcenproduktion, rekrutiert Armeen oder Arbeiter. Am Ende checkt man seinen Ressourcengewinn, prüft Ressourcenabgaben sowie das Wohlbefinden der Bevölkerung und frischt die militärischen Handkarten auf.

War das alles? Eher nicht. Ich habe ganz sicher Möglichkeiten vergessen. Denke, aber es wird klar, so ein Spielzug dauert keine 30 Sekunden. Bei vier Spielern kann es also eine halbe Ewigkeit dauern, bis ich wieder dran bin. Neudeutsch, die Downtime ist beachtlich! Da das Spiel aufgrund seiner Möglichkeiten und der Komplexität selbst Bauchspieler zu Kopfspielern mutieren lässt und durch doch viele kompetitive Spielaktionen die anderen Auslagen der Spieler beachtet werden müssen, wird hier wirklich gegrübelt. Mag sein, dass es Spielgruppen gibt, die Through the Ages trotzdem aus dem Bauch heraus spielen und die Spielzeit unter drei Stunden bleibt. Bei vier Spielern über die vollen vier Epochen würde ich eher von vier bis sechs Stunden ausgehen, je nach Regelfestigkeit.

Ausliegende Karten am Anfang eines Spielerzugs – die vordersten Karten werden am Ende des Zug vernichtet.

Leicht unsexy…

Der letzte Punkt, der mir persönlich nicht gefällt ist, dass Through the Ages auf dem Tisch einfach nicht so imposant aussieht, wie es sich spielt. Ich mag in Zivilisationsspielen eigentlich ein Brett. Vielleicht eine Weltkarte. So wie in Eclipse oder Civilizations. Dieses Gefühl, sich auszubreiten, Plättchen zu platzieren, Armeen zu verschieben. Mir fehlt das in Through the Ages, das immer ein Kartenspiel bleibt. In der Neuauflage wesentlich schöner gestaltet, bleibt es trotzdem relativ abstrakt.

…und doch rockt es!

Nur, wer in seinen Zügen langsam merkt, wie Produktionsketten aufgehen, man bei einem Epochenwechsel lässig die neuen Anforderungen der Bevölkerung meistert, der freut sich den Arsch ab. Wenn dann der Petersdom neben dem Kolosseum steht und für Zufriedenheit sorgt, Da Vinci als Anführer meine Forschung mit Boni belohnt und die Taktik klassische Armee meine militärische Stärke an die Spitze bringt, ja dann blicke ich auf meine ausgespielten Karten und ergötze mich an meinem Reich.

Es macht einfach extrem viel Spaß durch die absolut vielfältigen Möglichkeiten sein Imperium auszubauen. Baue ich zuerst meine Gebäude aus oder setze ich auf mächtige Weltwunder? Welche politischen Karten spiele ich in den Ereignisstapel, die mir zu späterer Zeit nützen werden? Lasse ich das Militär schleifen, mit der Gefahr, durch fiese Ereignisse der Mitspieler ordentlich drangsaliert zu werden? Aber vielleicht habe ich deshalb die Nase vorn in der Forschung? Taktisch wie strategisch ist Through the Ages extrem motivierend! Man will, wenn man einmal mit Eifer dabei ist, das Spielende gar nicht erleben!

Kleine Grafik, große Wirkung! Am Ende einer Epoche verlieren einige alte Karten ihre Wirkung und die Bevölkerung wird anspruchsvoller

Grandioses Ressourcenmanagement

Als Fundament dient ein ausgefeiltes Ressourcenmanagement, das manche Wahl durch schlechte Planung einfach platt macht. Wer zu viel produziert, verliert Güter! Wer zu schnell wächst, sei es in der Bevölkerung oder bei den Gebäuden, bekommt arge Probleme und stagniert mit Pech. Es kann einige Runden dauern, bis man seine Planungsfehler wieder ausgebügelt hat. Man mag es kaum glauben, wie großartig hier Kreisläufe mit nur zwei Sorten von Spielsteinen dargestellt werden. Die Schwierigkeit entsteht durch Verknappung. Gelbe Spielsteine stehen für arbeitslose Arbeiter, für Militäreinheiten, unentwickeltes Land und für Gebäude. Blaue für Nahrung wie für Ressourcen. Je nachdem, wo die Spielsteine platziert werden, stehen sie für andere Dinge. Dazu sind beide Arten begrenzt! Ich kann also nicht alles haben, obwohl ich es brauche. Die Lösung ist Effizienz! Nur wer im Wandel der Zeit auf neue und damit stärkere Technologien setzt und sich weiterentwickelt, kann die größeren Anforderungen der jeweiligen Epochen an Forschung, Zufriedenheit und Ressourcenkosten erfüllen.

Ordentlich Druck

So ein Spielzug setzt einen schon gehörig unter Druck. Denn oft fehlt hier eine Ressource, da ein Arbeiter und wieso lag immer noch keine Oper aus? Hat man doch mal alles passend, kann durch eine fiese Ereigniskarte die Planung doch wieder zusammenbrechen. Die Ereigniskarten werden von den Spielern wahlweise vor der Aktionsphase verdeckt in einen Stapel gespielt und gleichzeitig eine alte Karte aufgedeckt. Hier bekommt vor allem der auf den Deckel, der militärisch am schlechtesten aufgestellt ist. Also, selbst wenn alle Spieler friedlich spielen und keine Überfälle oder Kriege anzetteln – die im Übrigen auch richtig fies sind – ist das Militär wichtig. Eine Sache, die ich persönlich großartig finde! Das erzeugt aber ungemeinen Druck, im „Kalten Krieg“ nicht zurückzufallen. Die Spannung ist in der Politikphase also immer recht hoch. Zusätzlicher Effekt: Das Spiel ist weniger Mehrspieler-Solitär, als es den Anschein hat.

Anhand zwei Kartentypen die Veränderung durch die Epochen

Glückselemente erfordern spontanes Umdenken

Bei all der Planung gibt es in Through the Ages doch ein paar Glückselemente. Die ausliegenden Karten werden zufällig gezogen, heißt, ich muss in jeder Runde meinen Zug auf die Auslage abstimmen. Weiter kann ich nicht fest mit gewissen Karten rechnen, da nicht alle Karten so oft vorhanden sind, als dass jeder Spieler die gleichen Chancen auf alle Karten hätte. Viel Pech kann einen zurückwerfen, allerdings muss da schon einiges schieflaufen. Besser ist es, seine Strategie immer wieder anzupassen. Auch die schon mehrmals angesprochenen Politikkarten werden zufällig gezogen. Ich weiß zwar um die Karten, die ich in den Stapel gespielt habe, aber eben nicht, wann diese kommen. Für mich alles nicht weiter schlimm, ein wenig Zufall sorgt für Spannung und die geforderte Flexibilität ist eher eine weitere Herausforderung.

Fazit

Ich denke, es ist klar geworden, warum Through the Ages so brillant, aber eben auch mit Vorsicht zu genießen ist. Das Spiel ist extrem anspruchsvoll und erfordert ein hohes Maß an vorausschauendem Spielen. Gleichzeitig muss man aufgrund der zufälligen Kartenauslage flexibel bleiben. Militäraktionen, Diplomatie und vor allem das Ressourcenmanagement erfordert volle Aufmerksamkeit. Diese hohe Anforderung zieht Through the Ages über vier Epochen komplett durch und nicht umsonst gibt es in den Regeln den Hinweis zur Aufgabe. Denn man kann sich als unglücklicher Staatslenker ordentlich verzetteln! Wer will dann über viele Stunden, bei vier Spielern mit massig viel Downtime, immer wieder mit seinem Gesicht den Zivilisationsboden aufwischen? Wer aber auf Augenhöhe spielt, etliche Stunden Zeit hat und die Konzentration auch bei hoher Downtime aufrecht hält, der erlebt mit Through the Ages eines der komplexesten und spannendsten Zivilisationspiele!

Through the Ages
Spielinformationen
Genre: Zivilisationsspiel | Personen: 2 - 4 | Alter: ab 14 Jahren | Dauer: 120 - 420 Minuten | Autor: Vlaada Chvátil | Illustration: Filip Murmak, Radim Pech, Jakub Politzer, Milan Vavroň
SPIELSPASS
9
AUSSTATTUNG
7.5
SPIELIDEE
9.5
Positive Aspekte
Taktische wie strategische sehr anspruchsvoll
Ausgefeiltes Ressourcen/Bevölkerungssystem
Viele verschiedene Spieloptionen
Negative Aspekte
Extreme Spielzeit
Downtime bei 4 Spielern hoch
Karten als Hauptmechanik torpedieren die Immersion
9
Redakteur | Admin | Gründer von Brett & Pad | Website | + Letzte Artikel

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