Bachelor of Spielregeln
Die Brettspielschachtel ist schwer und das hat seinen Grund! Unzählige Plättchen, Spielsteine und Karten füllen, neben den vier bemalten Figuren der Mage Knights, die Spielschachtel. Die Qualität ist hoch, was im Bezug auf die Quantität, das Spielerherz endgültig durchdrehen lässt. Und während das Herz noch Pogo tanzt, ist das Hirn am untergehen. Denn Mage Knight liegen zwei Regelhefte bei, die zusammen auf 40 Seiten kommen. Das eine Heft eher als Nachschlagewerk konzipiert, dass andere als Spieleinstiegshilfe, braucht man doch recht schnell beide. Mage Knight lernt man nicht mal so nebenbei! Hier wird richtig geackert und dementsprechend schon hier die Anmerkung, dass ich nicht in jedes Detail voll einsteige, es würde den Artikel sprengen.
Was ist Mage Knight?
In Mage Knight übernimmt jeder Spieler die Rolle eines der vier gefürchteten Mage Knights, die per se keine Helden sind. Das Ziel ist eine in Chaos getauchte Welt an sich zu reißen. Man erforscht die sich langsam auf dem Spieltisch ausbreitende Welt, besucht Dörfer, rekrutiert Armeen, besiegt Monster und sammelt Schätze und Ansehen (=Erfahrungspunkte). Mit der Zeit wird man immer mächtiger und ist irgendwann bereit, die großen Städte zu erobern und damit das Spiel zu beenden. Dabei verbindet Mage Knight klassische 4X-Elemente wie Erkundung und Kampf, mit Deckbau und Charakterausbau. Dabei kann man vor dem Spiel unterschiedliche Szenarien wählen, die sich in Spiellänge und Ziele unterscheiden. Selbst eine kooperative Variante ist möglich.
Karten = Aktionen
Jeder Mage Knight hat ein Kartendeck, das am Anfang bis auf eine Spezial-Karte gleich ist. Jede Aktion im Spiel wird mit Handkarten bezahlt. Das kann das Bewegen und Erkunden des modularen Spielfelds sein, das Rekrutieren von Armeen in Dörfern oder z.B. das Bekämpfen von Monstern. Jede Karte hat dabei drei Funktionsmöglichkeiten. Ich kann eine Karte ausspielen und ihre obere Fähigkeit benutzen. Dies ist meist eine schwächere Form und könnte bedeuten, dass ich z.B. zwei Bewegungspunkte erhalte. Unter dieser Fähigkeit gibt es noch eine zweite stärkere Form, mit der ich zum Beispiel vier Bewegungspunkte erhalten würde. Hierfür muss ich aber Mana in der Farbe der Karte bezahlen. Die dritte Möglichkeit ist die Karte quer zu spielen, um eine weitere ausgespielte Karte mit einem Punkt zu unterstützen. Heißt, spiele ich eine Bewegungskarte mit der schwachen Fähigkeit und spiele eine zusätzliche Kampfkarte quer, weil ich diese Runde eh nicht kämpfe. Ich hätte dann drei Bewegungspunkte.
Die Schwierigkeit besteht darin, dass man nur fünf Handkarten besitzt, nur ein Mana pro Spielrunde verbrauchen darf und man geschickt zwischen dem, was man durch die Karten kann, und dem was man machen möchte, taktieren muss. Der Kampf gegen stärkere Monster verschlingt geradezu Karten, wer sich durch Wälder oder gar Sümpfe bewegt, der kommt mit 3 Bewegungspunkten auch nicht weit. Gerade am Anfang, wenn man nur die Standardkarten im Deck hat, muss man genau abwägen, was man schafft oder lieber sein lässt. Durch die Möglichkeit Karten quer zu spielen, ist aber kein Zug so richtig verloren und man bleibt flexibel – eine wunderbare Spielmechanik!
Launisches Mana
Die schönen Spielmechaniken nehmen kein Ende, denn das simulieren des Manas gefällt ebenso. Bricht eine neue Spielrunde an, die in Tage und Nächte aufgebaut sind, würfelt der Startspieler die Manawürfel und legt sie auf das entsprechende Tableau. Jeder Würfel enthält die vier Mana-Farben, die den Kartenfarben entsprechen, dazu ein Sonnen- und Nachtsymbol. Bin ich an der Reihe, darf ich eines der gewürfelten Manasymbole für eine starke Aktion benutzen. Am Ende meines Zuges würfle ich den verbrauchten Manawürfel neu. So gibt es jeden Zug eine andere Verteilung des Manas! Das kann mehr als entscheidend für so manche Spieleraktion sein. Würfelt man am Tag das Nachtsymbol ist der Manawürfel für die komplette Runde aus dem Spiel. Umgekehrt werden Würfel mit Sonnensymbol in der Nacht aussortiert. Das simuliert das langsame abebben des Manas über eine Spielrunde. Taktisch wird das Spielelement mit dem Mana vor allem deshalb, weil es die Möglichkeit gibt, durch Karten, Orte oder Heldenfähigkeiten Mana als Kristall über den Zug hinaus zu speichern. Wer geschickt plant kann so zur richtigen Zeit ein wahres Mana-Feuerwerk zünden und seine Fähigkeiten in einem Zug enorm steigern.
Level Up
Wer am Ende ein Wörtchen bei der Weltherrschaft mitreden will, muss einige Stufen aufsteigen. Das ist deshalb so elementar, weil neue wesentlich mächtigere Karten winken und jeder Mage Knight neue individuelle Fähigkeiten bekommt. Hier kriegen quergespielte Karten plötzlich einen höheren Bonus, es gibt zusätzliche Bewegungen oder Fähigkeiten mit denen man den Mitspielern eins auswischen darf. Bei 10 Fähigkeiten pro Mage Knight kommt da einiges an Sonderaktionen zusammen. Das ist aber noch nicht alles! Wer aufsteigt, der erhöht ebenso sein Handkartenlimit, seine Rüstung um Treffer abzuwehren und die Anzahl an rekrutierbaren Armeen. Da der eigene Charakter also von Runde zu Runde wirklich spürbar besser wird, motiviert es ungemein seinen Mage Knight hochzustufen.
Burgen, Kloster und dunkle Dungeons
Hauptaufgabe in Mage Knight ist das Erkunden der Welt. Und die ist wirklich prall gefüllt mit Aktionsmöglichkeiten und wächst mit zunehmender Spielzeit durch das Anlegen neuer Plättchen. Zum einen sind dort die verschiedenen Orte. In Dörfern kann man einfache Truppen rekrutieren. Dies ist nichts anderes als eine zusätzliche Karte mit Sonderfähigkeiten, die man nicht auf der Hand hält sondern vor sich im Heldenbereich ablegt und einmal pro Runde eingesetzt werden kann. Zusätzlich kann man sich in Dörfern heilen. Burgen und Magiertürme beherbergen mächtigere Armeen zur Rekrutierung und letztere Sonderregeln wie den Kauf von Zaubern, allerdings muss man diese Orte vorher im Kampf erobern und besetzen. Klöster kann man zusätzlich brandschatzen, um mächtige Artefaktkarten zu erhalten, das allerdings lässt das Ansehen sinken. Eine Währung die bei der Rekrutierung von Armeen Boni bringt.
Neben diesen Orten der Menschheit, gibt es noch dunkle, gefährliche Orte wie Monsterhöhlen, Dungeons und Ruinen. Hier greift man oft richtig viel Erfahrung ab oder erhält starke Belohnungen. Die Kehrseite sind zum Teil gefährliche Kämpfe, die man oft nie so ganz abschätzen kann, da die Monster zufällig gezogen werden. Manche Monster wandeln auch an der Oberfläche. Sind es zu Anfang noch eher leichtere Gegner wie Goblins werden es später mächtige Drachlinge. Wer sich dann in den Zweikampf wagt, der sollte gut gerüstet sein. Die Städte die am Spielende im Zentrum der Welt auftauchen, sind dann die Krönung der Herausforderung. Hier lohnt es sich manchmal sogar zusammen zu kämpfen, weil die Übermacht sehr stark ist.
Schonungsloser Kampf
Die Auseinandersetzungen in Mage Knight sind einmal verinnerlicht einfach, für Neueinsteiger aber oft nicht leicht zu überblicken. Das liegt an den vielen unterschiedlichen Gegnerarten mit ihren zahlreichen Fähigkeiten. Grundsätzlich hat jeder Gegner einen Angriffs-, Ansehen- und Verteidigungswert plus Sonderfähigkeiten. Dargestellt werden die Feinde durch zahlreiche Plättchen, kommt man diesen zu nah, wird ein Kampf ausgelöst. Zuerst kommt es zur Fernkampf/Belagerungsphase. Besiegt man hier den Feind, was äußerst selten vorkommt, ist der Kampf gewonnen und beendet. Meistens folgt aber die Blockphase, die dafür sorgt, dass Auseinandersetzungen in Mage Knight knifflig werden. Der Gegner greift nämlich zuerst an und man muss deren Angriffsstärke mit seinen Blockkarten von der Hand komplett eliminieren, ansonsten bekommt man Schaden. Erst wenn das geschafft ist, geht man selber in den Angriff über und muss mit seinen Kampfkarten mindestens mit dem Verteidigungswert des Feindes gleichziehen. Da Gegner schon früh im Spiel Sonderregeln haben, die Angriffs- oder Verteidigungswerte verdoppeln, vielleicht Immunitäten gegen gewissen Angriffsarten haben, ist es mit seinen fünf Handkarten nicht einfach Block- und Angriffsphase mit einem Satz Handkarten gleichzeitig zu meistern.
Das wird, je nach Expansionsfreude der Spieler noch weiter verstärkt. Denn dann kommen zügig stärkere Vertreter ins Spiel, die mit Pech so einen Mage Knight wegfrühstücken. Da kann es mitunter zu Frust kommen, wenn man Pech mit seinen Gegnern hat, weil man Sie nicht besiegen kann und dadurch selber nicht stärker wird. Man tritt dann förmlich auf der Stelle! Nun könnte man meinen, wer seine Handkarten gut sammelt, erweitert und als Unterstützung gute Armeen rekrutiert, der hat es einfacher. Das stimmt im Prinzip auch, wird nur durch einen Umstand torpediert: verdeckte Monsterplättchen. In der Nacht oder bei Angriffen auf Burgen, Städte, in Dungeons, oft kommen die Monsterplättchen verdeckt ins Spiel. Ich weiß also manchmal gar nicht, was mich erwartet. Das sorgt für ungeheure Spannung und fühlt sich gerade Nachts wunderbar realistisch an, ist mitunter aber frustig wenn mit Pech ein zu harter Brocken auftaucht. Denn wer Schaden von Gegnern erleidet, kriegt Wundenkarten in sein Deck gehauen, die nichts nutzen und nur das Deck verstopfen.
Downtime, Spielzeit und Glück
Bei all der Begeisterung muss man gewisse Dinge über Mage Knight wissen, ansonsten geht der Spielspaß in den Keller. Für absolute Anfänger ist der 4X-Trip nichts und selbst Vielspieler müssen ordentlich Sitzfleisch mitbringen. Zu viert katapultiert sich die Spielzeit in ungeahnte Höhen, auch weil die Downtime hoch ist. Bis jeder Spieler seine Züge durchgeplant hat, vergeht aufgrund des flexiblen Kartenmechanismus einiges an Zeit. Man kann durch die verschiedenen Szenarien zwar die Spielzeit drosseln, trotzdem kann man weit mehr als vier Stunden versenken. In dieser langen Zeit ist Glück auch eine nicht zu verachtende Komponente! Welche Monster- und Gebietsplättchen werden gezogen? Welche Manawürfel liegen aus wenn ich dran bin? Was für Fähigkeiten und Karten bekomme ich wenn ich aufsteige? Viele Zufälle können, wenn es schlimm kommt, einen empfindlich zurückwerfen. Auf der anderen Seite ist Mage Knight durch das Zufallskonzept auch recht abwechslungsreich.
Fazit
Mage Knight ist genial! Wie nicht anders zu erwarten von Vlaada Chvátil. Es macht einfach Spaß die Welt zu erkunden, dabei Armeen zu rekrutieren, sein Ansehen und Ruhm zu steigern und so langsam Burgen, Städte, ja die Welt zu erobern. Die spaßige Charakterentwicklung, die bei allen vier Mage Knights unterschiedliche Taktiken zulässt, und das geniale Deckbausystem, sorgen für Tiefgang! Die Möglichkeit jede Karte quer und somit flexibel einsetzbar zu machen, hebt Mage Knight von anderen Kartensystemen ab. Viele Kleinigkeiten, wie das abebben des Manas oder verdeckte Monsterplättchen in der Nacht, machen das Spiel liebenswert und man kann atmosphärisch tief eintauchen. Für Abwechslung sorgt der modulare Spielaufbau und die vielen verschiedenen Szenarien. Wer aber mit mehr als zwei Spielern spielt, braucht ordentlich Zeit und viel Ausdauer durch zum Teil beachtliche Downtime. Zusätzlich sollte man wissen, dass Mage Knight nicht einfach zu lernen ist und die Kämpfe durch ihre Mechanik und Zufallselemente alles andere als leicht sind. Definitiv also kein Spiel für Gelegenheitsspieler!
ACHTUNG: Der Test von Mage Knight basiert auf der Version von Pegasus, die nicht mehr produziert wird. Die Neuauflage ist nun durch Asmodee erhältlich und hat leichte Änderungen erfahren.
Fleischpöppel | Brettspieler | Videospieler | Rollenspieler | Miniaturenbemaler | Würfel-Lucker | Airbrush-Anfänger | Blogger | Schönspieler | Rum-Trinker | Brettspielsammler | Crowd-Funding-Süchtig | Trockner Grübler | Pöppel-Streichler | Magic-Verweigerer | 4X-Fanboy | Sickerflopp-Liebhaber
- 20. Dezember 2024
- 18. Dezember 2024
- 12. Dezember 2024
- 10. Dezember 2024
Im Fokus
Neueste Kommentare
- Christian bei Das Jahr 2024
- Denny Crane bei Das Jahr 2024
- Denny Crane bei Das neue Bewertungssystem
- Christian bei Das neue Bewertungssystem
- Denny Crane bei Das neue Bewertungssystem
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Nice, dass Du dazu auch noch einen Testbericht geschrieben hast – liest sich gut und Erinnerungen an fröhliches Manafeuerwerk und Kloppe werden wach 😉
Unser Spiel war ja leider etwas zäh. Beim nächsten Mal wird es besser – versprochen 😉 Und der Plan sieht vor zu allen älteren Highlights einen Test zu schreiben. Wird noch eine Weile dauern, weil aktuelle Dinge ja auch nicht vergessen werden sollen.