Kurzcheck: Darum geht es in The Castles of Tuscany
Nein, es geht nicht um die Toskana und auch nicht um einflussreiche Fürsten. Das Thema ist eher aufgesetzt, was aber nun nicht Anlass zur Kritik sein sollte. Brettspiele von Stefan Feld glänzen durch die Mechanik! Also springen wir auf die Zahnräder des Spiels und schauen was die können. Als Erstes erhältst du drei Spielplanteile, bestehend aus vielen bunten Hexfeldern. Zusammengesetzt ist dies deine zu bebauende Landschaft. Nun hast du drei Aktionen, die in ihrer Ausführung nicht simpler sein könnten: Aus einer Auslage ein Plättchen auf dein Tableau platzieren, ein Plättchen von deinem Tableau passend zur Farbe auf deine Landschaftsteile legen oder Karten nachzuziehen. Karten fungieren als eine Art Währung, denn ohne die Abgabe von zwei farbig passende Karten darf man kein Plättchen auf seiner Landschaft platzieren. Das ist die Hauptmechanik von The Castles of Tuscany und ein Grund, warum das Einstiegslevel weit unter typischen Feld-Spielen liegt. Downtime kennt man hier nicht, eine Partie zu zweit ist in fast einer halben Stunde abgewickelt. Das ist herrlich erfrischend, vor allem weil natürlich noch ein paar interessante Kniffe warten.
Nicht einfach nur Farben
Natürlich sind die Plättchen nicht einfach nur Farben zugeordnet, sondern ähnlich wie bei den Burgen von Burgund besitzen sie diverse Sonderfähigkeiten, die beim Ausspielen in Kraft treten. Zuerst einmal bringen sie Siegpunkte ein, je nach Größe des fertig bebauten Gebiets. Legst du einen Steinbruch aus, erhältst du Marmor, welches du für eine weitere Aktion ausgeben darfst. Doppelzug Incoming! Wer ein Dorf platziert, erhält einen Arbeiter. Der zählt wie eine Karte jeglicher Farbe. Beim Kloster hingegen darfst du direkt drei Karten ziehen. Insgesamt bietet die acht Farben ein breites Spektrum an zusätzlichen Boni. Es ist also nicht nur relevant, das man für Siegpunkte schnell Plättchen platziert, sondern auch welcher Farbe. Auch darf man nur angrenzend bauen, das heißt, man muss schon ein wenig seinen Weg über das Tableau planen. Der Tanz mit den Fähigkeiten der Plättchen macht einfach richtig Spaß!
Das Wettrennen
Schnell sollte man trotzdem sein! Jeder Spieler besitzt drei Stapel aus jeweils 7 Plättchen. Immer wenn man ein Plättchen aus der Tischmitte nimmt, ersetzt man das Plättchen mit einem eigenen. Der Stapel schrumpft also. Ist der linke Stapel das erste Mal geleert, kommt es zur Zwischenwertung. Gleiches Prinzip beim mittleren und rechten Stapel. Allerdings wird eine Wertung immer nur vom ersten Spieler ausgelöst, der den jeweiligen Stapel leert.
Es gibt also insgesamt nur drei Wertungen und damit sind wir vielleicht bei DEM Element von The Castles of Tuscany. Erhaltene Siegpunkte werden in der Regel auf einer grünen Leiste festgehalten. Bei einer Wertung werden die dort gesammelten Punkte auf die endgültige rote Leiste übertragen. Die grüne Leiste wird dabei nie zurückgesetzt. Das heißt, frühen Punkte werden dreimal gewertet. Entsprechend sollte man loslegen, wie die Feuerwehr!
Das bedeutet aber auch, wer früh den Anschluss verliert, der muss richtig ackern, damit er den Vorsprung wieder reinholt. Manchmal steht der Sieger schon vor der letzten Wertung fest, das kann frustrieren. Meistens war es aber bis zum Ende hin spannend, gerade wenn alle Personen am Tisch das Brettspiel als Wettrennen begriffen haben.
Tableauoptimierung
Zum Spielbeginn und wenn man im Laufe der Partie eine Stadt errichtet, darf man sich ein Bonusplättchen nehmen. Klingt banal, ist aber vielleicht die prägendste Entscheidung in The Castles of Tuscany. In jedem der fünf Hauptelemente des Spiels kann man sich verbessern. So kannst du pro Bonusplättchen eine Karte mehr ziehen, einen Bauer oder Marmor zusätzlich erhalten, vielleicht aber möchtest du lieber mehr Plättchen ziehen können oder eine größere Belohnung bei den Fuhrwerken erhalten. Natürlich sind auch Mischstrategien erlaubt! Trotz der insgesamt nur maximal vier möglichen Bonusplättchen verändert sich die Spielstrategie merkbar. Mehr Karten ziehen zu können wirkt auf den ersten Blick sehr mächtig, weil dies die Chance erhöht, dass schneller die Farben zum Ausspielen der Plättchen passen. Ich habe in meinen Partien allerdings bewusst darauf verzichtet und würde keinen Bonus als nutzlos ansehen.
Das liebe Glück
The Castles of Tuscany ist für mich ein seichtes Kennerspiel und daher finde ich den höheren Glücksanteil gerechtfertigt. Allerdings sollte man schon wissen, worauf man sich hier einlässt. Die in der Tischmitte ausliegenden Plättchen sind zufällig, es kann durchaus sein, das eine Farbe zum Anfang gar nicht kommen will oder am Ende viel zu häufig auftritt. Wähle ich mein Bonusplättchen z.B. für mehr Bauern, aber ich erwische nie Dorf-Plättchen, bringt mir der Bonus nichts. Das kann einem das Spiel schon etwas verhageln. Obendrauf kommt nun die Kartenkomponente! Auch hier können gezogene Karten einfach nicht zu meinem gezogenen Plättchen passen. Es wird zwar damit kompensiert, das zwei gleiche Farbkarten als eine Karte jeglicher Farbe benutzt werden können, aber das ist natürlich trotzdem suboptimal.
Und die Qualität?
Kommen wir am Ende noch einmal zur Qualität. Es ist am Ende Alea, das heißt eben kein Kickstarter Bling-Bling! Patzer in den Farben wie bei Carpe Diem sucht man hier auch vergeblich. Richtig hübsch finde ich The Castles of Tuscany nicht, aber das erwarte ich bei Alea zurzeit auch nicht. Das Regelheft ist mit etwas Brettspielerfahrung aus meiner Sicht gerade noch ausreichend, wir haben zumindest von Anfang an nichts falsch gespielt. Trotzdem gibt es Unterschiede in den Sprachversionen und da das Spiel multilingual ist, wird man beim Abgleich der Anleitung verunsichert. Bei manchen Effekten hätte die Anleitung auch etwas ausführlicher erklären können. In Zeiten von Foren und der kompetenten Brettspielblase weniger ein Problem, trotzdem sollte der Anspruch ein anderer sein.
Fazit
Wer das suboptimale Regelheft ignorieren kann, der erhält mit The Castles of Tuscany ein tolles Kennerspiel der Marke Burgen von Burgund. Es erreicht vielleicht nicht ganz die Klasse, macht aber mit der wirklich kompakten Spielzeit und dem wahnsinnig einfach zu erklärendem Spielprinzip Boden gut. Ich zumindest habe kein Brettspiel von Stefan Feld im Schrank, wo ich nach der Partie noch locker eine zweite Wage. Gerade zu zweit gefällt mir The Castles of Tuscany sehr gut, weil die Downtime nicht messbar ist. Eingeübt feuert man so schnell seine Aktionen ab, dass man das Gefühl nicht los wird, dauerhaft am Zug zu sein. Grandios! Die Wahl der Bonusplättchen ermöglicht dabei leicht andere Grundstrategien, ohne das ich eine davon als zu stark einschätzen würde. Man sollte sich nur bewusst sein, dass The Castles of Tuscany unter dem Mäntelchen des Legespiels eigentlich ein Wettrennen mit Glückskomponenten ist. Dann steht dem Spielspaß nichts mehr im Weg!
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1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Nach nun 200 Spielen und ALEA Fan finde ich das Spiel super. Manchmal gewinnt / verliert man eine Partie und weiss nicht wieso. Die Strategie hängt natürlich auch von den Startplättchen ab. Ich finde die Fuhrmann Bonuspöättchen am stärksten.