
Kurzcheck: Darum geht es in Instinkt
Bevor wir uns die Nase an der Verwirrung stoßen, ein kurzer Überblick. Bei Instinkt treten Tiere mit ihren Fähigkeiten in ein Auslageduell. Sicher findest du irgendwo eine thematische Einbettung, vielleicht sogar eine Hintergrundstory. Vergiss sie, denn Instinkt ist ein eher abstraktes Spiel und versprüht kein Thema. Kümmert mich nicht, denn die Stärke des Spiels will ohnehin an anderer Stelle liegen. Gehen wir also direkt in die reizvolle und doch simple Mechanik über. Hier bietet Instinkt zwei identische Decks an Tier-Karten an, wobei innerhalb des Decks fast jede Karte einzigartig ist. Ein Deck ist in Schwarz gehalten, das andere farblich in Weiß invertiert. Jetzt zieht ihr von eurem Deck drei Karten und wählt verdeckt eine aus. Dann werden die Karten umgedreht und die Karte mit dem höheren Wert muss zuerst ausgelegt werden. Ziel ist es nämlich gemeinsam, aber gegeneinander, ein Raster von 4×4 Karten auszulegen. Jede Karte hat dabei für das Spielende eine Wertungsfähigkeit für Siegpunkte, die in Abhängigkeit zur Position im Raster und/oder zu anderen Karten steht. Klingt unspektakulär, ist es das aber auch wirklich? Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass nach dem Ausspielen wieder auf drei Karten aufgezogen und so lange gespielt wird, bis das Raster komplett gefüllt ist.

Erst einmal die Verwirrung
Bevor wir nun in die spielerische Ebene eintauchen, schiebt sich besagte Verwirrung ins Geschehen. Ja, du verdammte Symbolsprache bist gemeint. Ich erwähnte die zwei Decks, die farblich invertiert angelegt sind? Das betrifft natürlich auch die Symbolsprache. Für die Lesbarkeit ist auf den schwarzen Karten die Symbolsprache in Weiß gehalten. Logischerweise folgt das weiße Deck nicht dem Kalauer aller Grafiker, der vom weißen Adler auf weißem Grund spricht. Entsprechend ist auf den weißen Karten die Symbolsprache schwarz. Jetzt kommen wir zum farblosen Strudel des Wahnsinns. Das Symbol für eine eigene Karte ist ein Rechteck. Kein Problem. Auf meiner schwarzen Karte ist dieses Rechteck allerdings weiß und weiß spielt meine Frau. Ich bekomme große Augen und meine Synapsen zeigen mir Stinkefinger, während sie in die Mittagspause verschwinden. Ja, es gibt auch ein Symbol für fremde Karten, trotzdem bin ich hier anfänglich Mr. Verwirrtheit. Sicher, das vergeht mit der Erfahrung, ist aber trotzdem ein suboptimaler Einstieg.

Verdammtes Raster
Jetzt der spielerische Start aus der Hölle, der aber durchaus in der Ecke des Reizes beginnt. Ich habe die Katze, Spinne und Motte auf der Hand. Die Katze muss fürs Spielende am Rand des Rasters liegen, aber nicht an den Ecken. Die Spinne will nur an den Ecken ausgelegt sein und die Motte genau mittig im Raster. Das Problem: Dieses verdammte Raster ist am Anfang des Spiels nicht fest definiert. Es ist schwebend und ergibt sich erst im Laufe jeder Partie aus den Spielenden. Lege ich die Motte aus, kann diese vielleicht am Spielende wirklich in der Mitte liegen, die erste Karte im Spiel kann aber praktisch am Spielende auf jeder erdenklichen Position landen. Wann spiele ich also meine Karten aus? Und wie spiele ich nachfolgend aus? Verzichte ich bei manchen auf die perfekte Positionierung für Siegpunkte, nur damit ich das Raster in eine Richtung ausbreite, die mir für andere Karten nützt oder meiner Frau schadet? Der Kampf um das Raster und wie es sich ausbreitet, ist der strategische Glanzpunkt von Instinkt.

Initiative
Mit dieser Erkenntnis steigt auch die Wertigkeit der Zahlen auf den Tier-Karten. Hohe Zahlen ermöglichen es mir, vor meiner Frau eine Karte zu spielen und damit das Raster vor ihr weiter zu vervollständigen. „Schau mal, meine Herzblume, ich spiele den Hirsch.“ So stolz blickt er von der Karte. So abgenervt blickt mich nun meine Frau an. Der Hirsch bringt am Spielende zwar keine Siegpunkte ein, aber ich darf wie beim Klassiker Verrücktes Labyrinth eine Reihe verschieben. Ich rücke somit ihre Katze vom Rand in die Mitte des Rasters, wobei die Katze wiederum ihre Motte, die perfekt in der Mitte lag, an den Rand schiebt. Ein Streich, zwei Wertungen meiner Frau zerstört. Instinktiv hebe ich die Hände und hauche ein Sorry. Mein Lächeln im Gesicht straft den gesprochenen Worten Lüge. Ich liebe meine eigene Weitsicht. Unverschämterweise habe ich ihre Motte, die ja jetzt am Rand liegt, neben meine Krähe geschoben. Die erhält Siegpunkte für Motten an ihren Rändern. Unverschämtheit führt bei Instinkt zum Sieg. Ich schmecke bei diesem Reisespiel nicht nur die Sonne auf der Terrasse, sondern auch den Sieg.
Nächste Runde. Jetzt kommt der zweite Power-Move! Ich will meine zweite Spinne an einer der zwei noch möglichen Ecken spielen. Das bringt richtig Punkte und egal welche Initiative meine Frau spielt, eine Ecke wird immer frei sein. Ich erwähnte meine Weitsicht? In Gedanken gehe ich schon ein Angebot zur späteren Versöhnung durch, da deckt meine Frau ihre Karte auf. Es ist die Schlange. Diese vernichtet sich selbst, aber auch die gegnerische Karte. Damit hab’ ich keine Spinne mehr und meine Frau wird wohl im Laufe der Partie die Ecken mit ihren besetzen. Verdammt. Das innere Kind brüllt und verflucht dieses Spiel.

Interaktion und Wiederspielbarkeit
Es sollte klar geworden sein, wie viel Interaktion und Timingkonflikte durch das offene Raster und den vielen verschiedenen Karten auf den Tisch gezaubert werden. Vor der ersten Partie war ich noch skeptisch, weil das Grundgerüst so simpel ist. Mittlerweile ist Instinkt fest im Reisekoffer verplant. Es müssen leichte Abstriche bei der langfristigen Wiederspielbarkeit gemacht werden, wenn Instinkt oft auf den Tisch rotiert, weil die grundsätzlichen Parameter immer gleich sind. Als Reise- und Absackerspiel empfinde ich dies aber nicht weiter tragisch. Ich könnte mir sogar gut eine Erweiterung vorstellen, die das Deck ergänzt und die Wiederspielbarkeit damit erhöht.

Fazit
Instinkt sieht mit seiner „farblichen“ Invertierung der Decks ungewöhnlich aus. Macht irgendwie etwas her. Spielerisch ist mit diesem visuellen Clou zunächst aber Verwirrung verbunden. Anfänglich wollte ich öfter meine Stirn auf die Tischplatte aufgrund der Symbolgestaltung knallen. Grafikerkrankheit. Letztendlich tritt die nicht ganz optimale Symbolsprache aber in den Hintergrund. An vorderster Stelle steht ein wirklich kompaktes Legespiel, welches durch die Mischung aus hart verschränkten Punktewertungen, der stark individuellen Karten und dem offenen, gemeinsam zu gestalteten Raster, extrem hohe Interaktion ermöglicht. Dabei macht Instinkt auch vor destruktiven Aktionen keinen Halt. Es zelebriert dabei nicht nur taktische Kniffe, sondern erfordert auch strategische Planung beim Ausspielen seiner Hand und Planung des Rasters. Damit ist Instinkt für die schnelle Runde als Absacker oder auf Reisen ein ganz fantastisches und reizvolles Legespiel, welches in Zukunft für dauerhafte Wiederspielbarkeit vielleicht noch eine Erweiterung vertragen könnte.

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