Kurzcheck: Darum geht es in Sea Salt & Paper
Natürlich geht es nicht darum, sich in ein Sturmtief zu verwandeln. Wobei … eigentlich geht es spielerisch genau darum. Du willst der Sturm am Tisch sein, der durch Bluffen, geschicktes Handkartenmangement, Table-Talk und perfekt ausgeführten Aktionen den anderen am Tisch die salzige Gischt der Niederlage lachend in ihre erstaunten Visagen streichelt. Ich liebe es. Ich bin aber auch der Meister-Streichler. Kurzer Einschub: 15 Durchgänge, 14 gingen an mich. Die nächste Sturmflut sollte meinen Namen tragen!
Spielerisch ist Sea Salt & Paper dabei wunderbar schnell erklärt. Das Lernen der Spielregel hingegen fand ich nicht ganz so einfach. Das liegt darin begründet, dass das Kartenspiel einen sehr ungewöhnlichen Wellengang besitzt. Beispiel? Keiner bekommt zum Spielstart Karten ausgeteilt. Einzig ein großer Nachziehstapel und zwei Ablagestapel, mit jeweils einer offenen Karten, sind der Beginn der Reise. Bist du an der Reihe, hast du zwei Möglichkeiten. Entweder die oberste offene Karte von einem der beiden Ablagestapel nehmen oder zwei verdeckt vom Nachziehstapel ziehen, wovon du eine behältst, die andere auf einen der Ablagestapel legst. Easy, oder? Der Clou kommt jetzt! Hast du ein Paar auf der Hand, kannst du es ausspielen und entsprechend des Paar-Symbols eine fette Zusatzaktion zünden. Jedes Par gibt zudem einen Punkt, egal ob ausgespielt oder nicht. Ziel des Spiels ist es, über mehrere Durchgänge 40 Punkte zu erreichen. Das Salz in der Suppe, das untergehende Origami-Papierboot, deine Geburt als Sturm ist aber das Ende der einzelnen Durchgänge.
Letzte Chance!
Du kannst einen Durchgang beenden, wenn du mindestens sieben Punkte durch deine Karten besitzt, egal ob ausgespielt oder nicht. Du erhältst Punkte durch die angesprochenen Paare, aber auch durch das Sammeln von Muschel-, Pinguin- oder Oktopuskarten. Dazu gesellen sich einige Spezialkarten, von denen ich nur die Meerjungfrauen erwähnen möchte. Haste du davon alle vier auf der Hand, hast du die komplette Partie gewonnen. Bäm! Boss-Modus. Aber zurück zu den sieben Punkten.
Hast du diese zusammen, kannst du lautstark auf den Tisch schlagen und Stopp brüllen. Gut, Ersteres ist optional. Ich empfehle es trotzdem. Dann zählen einfach alle ihre Punkte. Fertig. Unspektakulär, aber manchmal die sichere Wahl. Wer Salzwasser atmet, brüllt stattdessen Letzte Chance! Jetzt sind alle anderen noch einmal an der Reihe. Hast du danach noch die meisten Punkte? Dann bekommst du alle Punkte plus einen Farbbonus. Heißt: Die Kartenfarbe, die du am häufigsten hast, geben pro Karte einen zusätzlichen Siegpunkt. Wichtiger: die anderen am Tisch bekommen nur (!) ihren oft mickrigen Farbbonus und keine Punkte über ihre Karten. Hast du dich verzockt? Dann bekommst nur du den Farbbonus und die anderen Punkte durch ihre gesammelten Karten.
Unruhige See am Tisch
In Sea Salt & Paper bist du hart am Taktieren. Immer warten kleine Entscheidungen. Ich ziehe zwei Karten. So oft will ich beide! Es reicht aber schon, wenn eine davon meine garstige Frau haben will. Wie oft beiße ich mir in die Faust, weil ich so eine verdammte Muschelkarte auf den Ablagestapel lege und sie sich diese direkt schnappt! Ich habe schon ein Dauer-Abo für Pflaster. Also Muschelkarten sammeln? Dann habe ich halt keine Paar-Karten und entsprechend keine geilen Aktionen. Und das ist nicht einfach nur so daher gesagt.
Zwei Papierschiffe gesammelt? Tsunami-Move! Du bist noch einmal dran. Daraus ergeben sich auch Combos. Du hast einen Krebs und ein Schiff auf der Hand und ziehst Schiff und Krebs. Willst du beide haben. Geht nicht? Geht doch! Schiff nehmen, Krebs ablegen und die beiden Schiffe ausspielen und noch einmal dran sein. Jetzt den Krebs nehmen und ausspielen und deren Aktion zünden. Bäm! Weitere Aktionen wäre das Nachziehen von einer Karte vom Nachziehstapel, das Durchsuchen der Ablagestapel nach einer Karte deiner Wahl oder sogar das Klauen von gegnerischen Handkarten. Dazu bedenke den Farbbonus beim Sammeln von Karten! Aus diesem fast überschaubaren Mix entsteht am Tisch allerdings eine ungeheure Dynamik ohne jegliche Downtime. Ärgern muss man sich nur mögen, denn wer nur einfach Karten sammeln will, beraubt sich den taktischen Kniffen.
Teuflische See
Dazu gesellt sich dann eben dieser unfassbare Thrill! Wann sagt man letzte Chance? Was haben die anderen am Tisch auf der Hand? Ich schaue meiner Frau ins Gesicht und grinse sie mit dem charmantesten falschen Lächeln an. Sagt sie letzte Chance? Trotz meiner fünf Karten und in der ersten Runde offen genommenen Oktopus? Ich könnte davon fünf auf der Hand haben, das wären mächtige 12 Punkte. Vielleicht ist mein Lächeln aber auch durchschaut, weil sie selber einen Oktopus auf der Hand hat und nur 5 im Spiel vorhanden sind. Dann hätte ich maximal 9 Punkte. Sie sagt nichts. Ich hatte natürlich keinen weiteren Oktopoden. Dafür aber drei Pinguine (5 Punkte) plus die Pinguinkolonie, die pro Pinguinkarte 2 Extra-Punkte einbringt. Hätte es gereicht? Sage ich gleich letzte Chance? Großartiger Spaß, gerade als Mind-Duell zu zweit. Auch zu dritt und viert kann man Sea Salt & Paper spielen, wobei die Unberechenbarkeit steigt. Kann man machen, zu dritt lieber als zu viert.
Fazit
Sea Salt & Paper vom neuen Verlag MM-Spiele sieht mit seinem Origami-Style richtig schick und vor allem einzigartig aus. Diese Attribute passen aber nicht nur zur Optik, sondern auch zum spielerischen Inhalt. Es hat sich nicht nur direkt in unseren Reisekoffer, sondern auch in die Herzen gespielt! Kompakt, hohe Interaktion, frisches Spielgefühl und zu zweit ein mega interaktives Taktikgewitter, welches auch noch zum Bluffen verführt. Die Mischung aus Gin Rummy, Cabo und Geschickt Gesteckt wird dem Treiben nicht ganz gerecht, trotzdem lässt sich Sea Salt & Paper so vielleicht noch am ehesten vergleichen. Mit mehr Mitspielenden verliert das Kartenspiel etwas vom taktischen Mind-Duell, taugt aber immer noch als gern gespielter Absacker. Ich hielt hier auf dem Blog große Reden, dass ich 2023 keine Neuheiten mehr brauche, Sea Salt & Paper hat mich eines besseren belehrt. Chapeau!
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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
👍🏼 Super Beschreibung ! Genau so empfinde ich es auch, macht richtig arg Laune. Nur hab ich’s letztens bei meinem Mann verspielt – hatte die 4 Meerjungfrauen 🧜♀️ auf der Hand. Bäääämm 🙌
Seitdem mag er es nicht mehr spielen…
Ich finde, zu viert kann man es auch noch gut spielen. Wird dann halt schwieriger abzuschätzen, wann man letzte Chance sagt. Hab mich schon böse verzockt dabei aber das macht ja den Reiz aus.
Ich mags sehr, gutes kleines Ding 👌🏻
Wir starten immer ohne aufgedeckte Karten. Sicher dass die offen liegen? Haben die englische Anleitung
Mega mit den Meerjungfrauen! Wir spielen es auch zu viert mit den Kinder z. B., allerdings mag ich es als Mind-Duell lieber. Die englische Anleitung kenne ich nicht, aber bei Spielbeginn werden zwei Karten offen aufgedeckt, du weißt sonst ja nicht, was du dort ziehen würdest.