Kurzcheck: Darum geht es in A.D.E.L.E.
Du hängst gerade in der Kantine des Raumschiffs und plötzlich bleibt dir die Luft weg. Nein, es war nicht der schlechte Instantkaffee. Das nennt sich Sauerstoffverlust. Eigentlich sollte die Mission von dir und deiner Crew eine einfache Sache sein, jetzt aber kämpft ihr ums Überleben. Keine Aliens oder feindliche Raumschiffe sind das Problem, sondern A.D.E.L.E., eure KI, die meint, Menschen sind im All besser aufgehoben. Ohne Raumanzug! Das Wunderbare: A.D.E.L.E. ist kein kooperatives Spiel, sondern die böse KI übernimmt jemand am Tisch. Damit gehört das Spiel zu der fast ausgestorbenen Spezies, wo eine Person gegen ein Team aus anderen Spielenden spielt. Versprochen, eines ist dieses Spiel damit immer: emotional!
Mechanisch muss die Crew eine von zwei Missionen erfüllen. Entweder vom Raumschiff fliehen oder die KI ausschalten. Dafür müsst ihr Gegenstände finden und an bestimmte Orte im Raumschiff platzieren. Das Problem: Die Zielorte wie auch Gegenstände liegen verdeckt aus. Jedes Crewmitglied hat dabei nur geheime Teilinformationen über den richtigen Ort. Pro Zug müssen nun alle Crewmitglieder ihre wenigen Aktionen verdeckt planen. Ihr werdet das Raumschiff erkunden, Gegenstände aufsammeln oder benutzen, andere zum Zielort bringen und gleichzeitig die vielen Hindernisse beseitigen und Raumaktionen auslösen. Im Fachjargon nennt man das Aktionsprogrammierung. Nach der Planung ist die KI am Zug, die versucht zu antizipieren, was die Crew vor hat, um Anomalien ins Spiel zu bringen und das Raumschiff mit Hindernissen zu schmücken. Das muss mit Energie und Karten geschickt geplant werden. Erst danach lüften die Crewmitglieder ihre Aktionen und führe diese aus. Da nur eine bestimmte Anzahl an Runden zur Verfügung steht, bis A.D.E.L.E. gewinnt, ist hier Spannung angesagt! Klingt super? Definitiv. Aber …
Nicht empfehlenswert?
… bevor ich in thematisches Geschreibsel verfalle wie in Nemesis, welches in Sachen Klaustrophobie und Paranoia ein ähnliches Setting bedient, explodiert der Warp-Kern vorm Spielstart. Die Anleitung ist schlecht strukturiert, das trifft auch auf das englische Original zu. Es fehlt irgendwie eine richtige Erklärung der Phasen. Schlimmer noch, ein Copy-Paste-Fehler in der deutschen Anleitung verhindert das Verstehen des Spiels. Auf BGG gibt es zum Glück eine aktualisierte Anleitung, wobei auch hier in der Diskussion klar wird, das eben immer noch einige Klarstellungen fehlen. Zweiter Patzer ist der Aufbau der Spielübersicht. Hier fehlen einfach Informationen, was Anomalien, Ereignisse und die Hindernisse auslösen. Dafür werden Dinge abgebildet, die eher weniger häufiger nachgefragt werden. Für mich unverständlich, wie das in Probepartien nicht auffallen konnte.
Verlassen wir den Bereich der strukturellen Probleme und schauen, was du spielerisch wissen solltest. A.D.E.L.E. ist KEIN Expertenspiel und maximal ein seichtes Kennerspiel. Für mich ist es eher im Bereich der Familienspiele als kurzweiliges und atmosphärisch dichtes Brettspiel angesiedelt. Der sehr zufällige Aufbau der Gegenstände, Missionsräume und Startpositionen sorgt für Wellengang im Bereich Balance. Auch die Anzahl der Spielenden verändert das Gefüge, zu dritt ist es schwerer als zu viert und zu zweit will ich es gar nicht spielen. Wer sich darauf nicht einlassen kann und es nicht als spannende Herausforderung annimmt, sollte sich Beta-Blocker neben das Spielbrett stellen. Des Weiteren hängt viel von Würfelproben ab. Für mich erzeugt das Spannung, man feuert sich beim Würfeln eben an. Ich liebe es, auch das Scheitern. Für andere ist es frustrierend. Und selbst die KI, die natürlich immer nur übermächtig ist, wenn man sie selber nicht spielt, unterliegt dem Glück beim Ziehen von Hindernissen oder Raumkarten.
Feuerwerk am Tisch!
A.D.E.L.E. dauert aber auch nur 90 Minuten und ist kein epischer Crawler. Ich umarme das Glück, liebe die fiese Spannung, wenn ich als KI in den Beutel greife und hoffe, dass ich Marker ziehe, um gleich das Licht auszuschalten oder irgendwo Feuer zu legen. Ich genieße das Stöhnen, wenn die Crewmitglieder durch Räume ohne Sauerstoff einen Aktionswürfel verlieren. Ich feiere es, wenn Crewmitglieder einen Würfel für das Aufbrechen von möglicherweise verschlossenen Türen verplanen, ich aber keine Türen schließe und ich lache mir den KI-Arsch ab, wenn ich Türen schließe und die Crewmitglieder die Aktion nicht geplant haben. Ups, musst du jetzt etwa eine Runde im Raum verharren? Ich wälze mich in Spielspaß, wenn ich den Planungen der Crew lausche, versuche zu erahnen, wo sie hinwollen, was sie vorhaben. Ich ärgere mich mit Freude im Herzen, wenn meine Fallen wie ein erschaffener Flammenkorridor einfach umgangen werden, weil plötzlich ein aufgesammelter Raumanzug und eine nahe Luftschleuse meine Pläne torpediert. Ich balle vor Freude meine Fäuste, wenn ich Bereiche das Raumschiffes eskalieren lassen und Feuer-, Licht- und Spionage-Marker einen teuflischen Dreiklang bilden.
Allgemein die Dramatik vom anfänglichen funktionstüchtigen Raumschiff, hin zur fast untergehenden Schrottmühle ist gigantisch. Mein Kopfkino explodiert. Zum Leidtragen meiner Mitspieler:innen muss ich plötzlich mit Roboterstimme sprechen. Ungerechter Aufbau? Glück? Spiel doch Heul doch! Mau Mau. Dabei muss auch die KI taktieren. Du kannst nicht in jeden Raum etwas ausspielen, sondern bist von Raumkarten und den Kosten für Hindernisse abhängig. Gut so!
Nur ein KI-Fest?
Klingt jetzt so, als hätte die schurkische Seite einen höllischen Spaß. Aber wenn ich mich mit Eugine Wyckmanns durch einen Feuerkorridor schlage, brüllend meinen Würfelwurf ausführe und durch Medikamente in der Brusttasche plötzliche weitere Aktionswürfel einsetzen kann, damit ich durch eine Computeraktion im nächsten Raum das Licht wieder anschalte und der dortige Sanga Tenai, ohne Taschenlampe ausgerüstet, nun bei Aktionen keinen Malus aufgrund der Dunkelheit erhält und dieser dann genau deshalb das erste Missionziel erfüllt, dann ist das nicht nur ein schrecklich langer Satz, sondern motivierendes Teamspiel. Das bockt richtig und ist dabei nur ein Bruchteil vieler erlebter Geschichten!
Wie viel spricht man sich ab? Was verrät man? Die Erfahrung zeigt, wer eher stumm durch die Korridore irrt und stumpf Plättchen anschaut und hofft, diese dann irgendwo hinzubringen, wird wenig Spaß haben und verlieren. A.D.E.L.E. lebt von kooperativen Absprachen, nur wohl dosiert, weil die KI am Tisch mithört. Dabei ist die Planung der Aktionen eine Spannend! Du willst viel, hast nur vier Aktionssteine und dazu die Hindernisse, die dir die KI vor die Füße wirft. Du musst also versuchen, trotz Glück und vieler verdeckter Informationen, wirklich als Team aufzutreten. Und das macht gerade aufgrund des schlanken Gerüsts einfach Spaß. Auch Kindern können sich beteiligen. A.D.E.L.E. ist aus meiner Sicht ab 8 Jahren gut zu spielen. Was für KI und Crew aber unabdingbar ist, stelle das Kopfkino und den Spaß an der Eskalation vor das Gewinnen.
Fazit
A.D.E.L.E. hat vorm Einstieg und innerhalb der ersten Partien so viele Ecken, da wird ein Eclipse mit unzähligen Hexfeldern richtig neidisch. Ohne Frage, den Kampf KI gegen Crew hätte man vor der Reise zum Mars noch etwas polieren müssen. Gut, die Anleitung wird online verbessert, trotzdem unschön. Weiter ist A.D.E.L.E., auch wenn das Thema vielleicht etwas anderes suggeriert, kein komplexes und perfekt ausbalancierten Kenner- oder gar Expertenspiel. Hier tanzt das Glück an jeder Ecke Pogo! Trotzdem und vielleicht auch gerade deshalb besitzt das Spiel einen unglaublichen Charme und taugt als spannendes wie kurzweiliges Eine-gegen-Alle-Spiel. Wer Kino nicht nur im Multiplex erlebt, sondern in der eigenen Hirnrinde, der bucht hier Premium-Plätze. Für mich ist A.D.E.L.E. daher ein echt nischiges Herzensprojekt, welches überraschenderweise auch in der Familie richtig gut angekommen ist. Mit etwas mehr Feinschliff wäre A.D.E.L.E. der Knaller, meinen Spieltisch hat es mit Spielspaß trotzdem erobert!
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