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Das kooperative Mission ISS rotierte schon einige Male bei uns über den Spieltisch, entsprechend sollte bald eine Rezension eintrudeln. Vorher aber habe ich die Möglichkeit genutzt, Michael Luu für ein Interview zu entführen. Als Hamburger haben wir anscheinend nicht nur ein Faible für Elbe und Alster, sondern auch für die Raumfahrt. Ich will euch nicht länger auf die Folter spannen, viel Spaß mit dem Interview!

Mission ISS

Mission ISS – Das Interview

Hallo Michael… äh ich meine von Hamburger zu Hamburger natürlich Moin. Mission ISS ist dein zweites großes Brettspiel und mit Schmidt Spiele direkt bei einem ziemlich bekannten Verlag untergebracht, wie fühlt sich das an? Hat sich vielleicht auch etwas in der Wahrnehmung als Autor im allgemeinen verändert?

Es fühlt sich super an! Das Vertrauen und die Anerkennung von so einem großen und namenhaften Verlag zu bekommen ist ein einzigartiges Gefühl. Es zeigt mir, dass ich mit meinen Tätigkeiten als Spieleautor auf dem richtigen Weg bin. Mit den ersten Gesellschaftsspielen bin ich als Kindergartenkind in Berührung gekommen. Ein Großteil dieser Spiele waren Schmidt Spiele (ich kann mich immer noch gut an all die Spiele mit dem großen „S“ erinnern). Mit dieser Veröffentlichung ist für mich ein weiterer Kindheitstraum in Erfüllung gegangen.

Die Wahrnehmung als Autor hat sich nicht geändert. Mein Telefon läuft nicht heiß und mein Email-Postfach quilt nicht über. *Lach* Ich denke aber, dass andere Verlage und Akteure der Brettspielszene mich mehr wahrnehmen. Mein Name wird präsenter, was für die weitere Autoren-Entwicklung sehr wichtig ist. Außerdem habe ich durch die Veröffentlichung viele neue und tolle Kontakte geknüpft, z.B. mit dem Spieleblog „Brett und Pad“. Das ist für mich ein sehr schöner Nebeneffekt, den man als Spieleautor zusätzlich erhalten kann.

Bevor wir zum eigentlichen Spiel kommen, muss ich auf das Thema eingehen. Schwebte da die ISS schon die ganze Zeit im Kopf herum oder war über die Mechanik zuerst ein anderes Thema gestülpt? Steckte dahinter vielleicht sogar ein ehemaliger Kindheitswunsch Raumfahrer zu werden?

Mission ISS ist in mehrerlei Hinsichten ein sehr besonderes Projekt gewesen. Es war nämlich eine Auftragsarbeit. Der Kunde war das Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), welches nach einem Brettspiel suchte, das die Arbeit des German Space Operations Center (GSOC, deutsches Kontrollzentrum, welches das Columbus Modul betreibt) spielerisch thematisieren sollte. Hierfür wurde der Campagames Verlag beauftragt, der sich u.a. auf die Produktion und den Vertrieb von Spielen, Büchern und Merchandise Artikeln mit Weltraum-Thema spezialisiert hat. Später konnte dann der Schmidt Spiele Verlag als weiterer Partner dazugewonnen werden.

Das Weltraum-Thema kam also nicht von mir, sondern war eine Vorgabe der Verlage und des Kunden. Während der Spieleentwicklung haben wir jedoch festgestellt, dass der Zusammenbau der ISS für die Spieler interessanter sein könnte. So haben wir den Fokus hierauf verschoben, aber die Kommunikation zwischen dem Kontrollzentrum und den Astronauten bestmöglich erhalten. Eine gut funktionierende Spielmechanik musste dann noch zum Thema gefunden werden.

Als Kind hat die Raumfahrt, das Weltall und unser Sonnensystem mein Interesse geweckt. Das Gefühl war allerdings nie so groß gewesen, dass ich Astronaut werden wollte oder mein Beruf einen Bezug zur Raumfahrt haben sollte.

Mission ISS

Bleiben wir kurz noch beim außergewöhnlichem Thema. Ich hatte gelesen, dass du wirklich mit dem German Space Operations Center zusammengearbeitet hast und Dr. Tom Uhlig, ehemaliger Flugdirektor, nach spielerische Möglichkeiten für die Vermittlung von Schulungsinhalten gesucht hat. Kannst du uns dazu vielleicht etwas mehr erzählen, das ist thematisch für ein Brettspiel ja schon eine Hausnummer.

Wir waren schon ein ziemlich großes Team gewesen: Die DLR, Campagames, Schmidt Spiele und meine Wenigkeit. Ich hatte allerdings keinen direkten Kontakt mit der DLR gehabt, da die DLR der Kunde von Campagames gewesen ist. Bei mir Bestand die Zusammenarbeit mit Campagames und Schmidt Spiele. Campagames hatte für das Spiel Rahmenbedingungen definiert, welche während der Spielentwicklung berücksichtigt werden sollten. Diese Bedingungen repräsentierten auch die Wünsche und Vorstellungen der DLR/ GSOC. So sollte bspw. die Interaktion zwischen dem Kontrollzentrum und den Astronauten, die Tagesabläufe bzw. Stundenpläne der Astronauten, sowie deren Entwicklung eine Rolle spielen.

Ich habe dann versucht mir ein Spiel, unter Berücksichtigung dieser Anforderungen, auszudenken. Ich fand das Thema mega interessant und habe bemerkt, dass das Thema meine „Kreativ-Maschine“ ziemlich in Fahrt brachte. Trotzdem hatte ich großen Erfolgsdruck, da am Ende ein taugliches Spiel entstehen sollte, welches allen Beteiligen zusagt und auch nicht zu viel Entwicklungszeit erforderte. Normalerweise kann ich mir für meine eigenen Spielideen die Zeit nehmen, die ich brauche. Dadurch kann ein privates Spielprojekt auch mal 7 oder mehr Jahre dauern. Das ging bei Mission ISS aber nicht. Ich fand die Aspekte einer Auftragsarbeit aber sehr attraktiv und wollte unbedingt meine ersten Erfahrungen hiermit sammeln.

Trotzdem dauerte es von der Entwicklung bis zum fertigen Spiel insgesamt 4 Jahre. Wie das bei langen Entwicklungsprozessen manchmal so ist, entfernte sich das Spiel dann mehr und mehr von der Ursprungsidee von Thomas Uhlig. Das Spiel kann nun eher weniger für Schulungsinhalte genutzt werden, dafür kann es aber hoffentlich Weltraum-Fans und andere Interessierte begeistern, die bisher nur wenig Berührungspunkte mit dem Thema hatten.

Die verschiedenen Entwicklungsstände hat Campagames immer wieder der DLR gezeigt. Gleichzeitig hat die DLR auch immer wieder Inhalte geliefert und geprüft, ob das Spiel das Weltraumthema auch richtig wiedergibt. Dies war uns allen ganz wichtig: Die Spieler sollten nach dem Spiel das Gefühl haben, dass sie etwas über die ISS, die Astronautenarbeit und das Kontrollzentrum gelernt haben. Deswegen kommt das Spiel mit vielen Hintergrundinformation, Anekdoten und Fakten, die neugierig machen sollen. Hier war es ein großer Vorteil gewesen, dass wir an der Quelle saßen.

Werfen wir einen Blick auf die Mechaniken. Welche standen von Anfang an fest?

Es stand früh fest, dass das Spiel kooperativ gespielt werden sollte. Das bot sich bei dem Thema einfach an, da die ISS auch in der Realität in Kooperation zwischen vielen verschiedenen Nationen entstanden ist. Nach einigen Versuchen für eine passende spielerische Umsetzung der Raumstation, kam bereits früh die Idee, die ISS in mehrere Puzzlestücke zu teilen, über die sich die Astronautenfiguren bewegen konnten. Da eines der Anforderungen war, die Astronauten mit Fähigkeiten auszustatten, die zudem während der Partie verbessert werden können, stand auch früh fest, dass die Figuren mit verstellbaren Werten ausgestattet werden sollten. Ebenfalls gab es die Einbindung von Etappenzielen schon sehr früh, die über Sieg oder Niederlage entschieden.

All diese Aspekte finden sich heute nach wie vor im fertigen Spiel wieder, die sich nur in ihrer Umsetzung von früheren Prototyp-Versionen unterscheiden.

Mission ISS

Wurden manche Elemente komplett verworfen, die in der Theorie spannend klangen?

In den ganz frühen Anfängen der Entwicklung gab es tatsächlich einen Stundenplan, den die Spieler mit Plättchen belegen mussten, um dadurch Aktionen auszulösen. Der Spielplan, war ein Ringbuch, welches die ISS in mehreren Entwicklungsstadien zeigte. Die ganzen Spielideen klangen in der Theorie super, aber im Praxistest haben sie sich leider nicht bewährt.

Was immer wieder verworfen wurde, waren die Spielzüge der Spieler und die Funktionsweise des Gegners, dem sich die Spieler stellen mussten. Es war am Anfang gar nicht klar gewesen, wie beide Mechaniken funktionierten sollten. Es gab erst einmal nur provisorische Spielzüge, die dafür sorgten, dass wir überhaupt Partien anspielen konnten. Es war allerdings klar, dass diese durch bessere und unterhaltsamere Mechanismen ersetzt werden mussten. Und deswegen füllten sich in meinem Papierkorb, gerade im ersten Entwicklungsjahr, sehr viele zusammengeknüllte Papierzettel mit verworfenen Ideen und Ansätzen.

Lange Zeit gab es eine Prototyp-Version mit vielen Begleittexten, in der das Spiel zu dem Spielern „gesprochen“ hat. Diese sollten die Spieler langsam an das Spiel heranführen und gleichzeitig für die passende Stimmung sorgen. Davon haben wir uns dann aber verabschiedet, da wir keinen großen Mehrwert für das Spiel gesehen haben.

Aus meiner Sicht ist Mission ISS zwar einfach in der Grundmechanik, aber durch den Zeitdruck und den vielen Vorfällen auf der ISS kooperativ schon anspruchsvoller zu spielen. Wie schwer war daher das Balancing des Spiels? 

Super schwer. Das Problem, wie die Spielzüge funktionieren sollten, konnte ich zuerst beheben. Ich habe erkannt, ein tolles Thema allein reicht nicht aus, um für Spielspaß zu sorgen. Es braucht zusätzlich Spielmechaniken, die auch ohne Thema neugierig machen und Spielspaß erzeugen. Und so habe ich in meine Ideen-Box nach passenden Spielmechaniken gestöbert – und zum Glück bin ich fündig geworden. Der Spielzug, eine eigene Karte mit einer Karte von einem Mitspieler zu kombinieren, ist einfach zu verstehen, und sorgt zudem für interessante Entscheidungen während der Partie und dem notwendigen Zeitdruck.

Der Gegner des Spiels wurde kurz vor Projektende fertig. Es war klar, was der Gegner tun sollte: Während der Partie sollten immer wieder an unterschiedlichen Stellen der Raumstation Probleme entstehen, die die Pläne der Spieler boykottieren und die Astronautenfiguren auf Trab halten. Es hat allerdings sehr lange gedauert, bis dieser Gegner zuverlässig funktionierte. Die Herausforderung war, dass der Baufortschritt der ISS immer unterschiedlich war. Das Spiel musste aber trotzdem erkennen, welche Module bisher schon gebaut wurden und an welcher Stelle es ein Problem entstehen lassen möchte. Dies haben wir dann am Ende mit den Vorfallkarten gelöst, die erstens alle Modulteile der ISS widerspiegelten und zweitens eine Wenn-Dann-Abfrage auslösten.

Wir haben uns entschieden, dass immer mit dem Bau einen neues Moduls, dass Spiel auf den Fortschritt der Spielergruppe reagiert und den Schwierigkeitsgrad erhöht. Wir mussten aber aufpassen, dass sich das Spiel dadurch nicht zu negativ anfühlt, da wir das für das Thema unpassend empfanden. Der Bau eines neuen Moduls ist ja für die Spieler ein toller Moment. Wenn aber darauf immer Vorfälle ausgelöst werden, dann verbinden die Spieler plötzlich mit diesem Ereignis etwas negatives. So sind dann die Good Job-Karten später reingekommen.

Ein weiteres Element, bei dem wir bis zum Ende immer wieder gefeilt haben, waren die Werte auf den Zahlenmarkern. Wir mussten uns entscheiden, welchen Schwierigkeitsgrad das Spiel widerspiegeln sollte. Idealerweise ist dieser für die gewünschte Zielgruppe der Verlage und der DLR herausfordernd, aber nicht zu schwer. Jedoch sollte das Spiel sowohl Spielern zusagen, die wenig oder keine Affinität zur Raumfahrt haben und gleichzeitig, Weltraum-Fans, die nicht zwingend eine Affinität zu Brettspielen haben. *Puh, das war knifflig*

Nach der Veröffentlichung des Spiels, hättest du rückblickend betrachtet gerne noch etwas an Mission ISS verändert? Und sorgen diese Gedanken vielleicht für eine Erweiterung?

Ich glaube im nachhinein finden Verlage und Autoren immer Stellen im Spiel, die sie gerne verändert würden, wenn sie die Zeit umdrehen könnten. Das Projektteam von Mission ISS war groß. Ich denke, wir haben alles erdenkliche getan, was unter den Faktoren Zeit, Budget sowie den Anforderungen aller Beteiligten möglich gewesen ist.

Die Rückmeldungen zeigen jedoch, dass sich die Spieler mehr spannende Momente, bspw. in Form von realen Vorfällen wünschen oder Missionen, die die Partien variantenreicher gestalten. Da wir befürchtet haben, dass Vorfälle wie bspw. Beschädigungen an der Raumstation, Gefahren durch technische Ausfälle und durch Gegebenheiten im Weltraum (die es tatsächlich gegeben hat), vom Bau der ISS ablenken könnten, sind diese Aspekte im Spiel nicht enthalten. Sollte es zu einer Erweiterung kommen, würde ich aber sehr gerne die Wünsche der Spieler in der Spielentwicklung berücksichtigen.

Hast du noch weitere Brettspiele in Planung und kannst darüber vielleicht etwas verraten?

Ich kann leider nicht allzu viel verraten. Nicht nur, weil hierüber die Verlage entscheiden, welche und wann Informationen bekannt gemacht werden, sondern auch weil ich aufgrund der aktuellen Situation keine verbindlichen Aussagen treffen kann. Ich kann nur verraten, dass ein Spiel, welches bereits letztes Jahr veröffentlicht werden sollte, (hoffentlich) nächsten Jahr veröffentlicht wird. Dies wird mein erstes kompetitives Spiel sein. Außerdem durfte ich mich kürzlich über den Abschluss eines neuen Autorenvertrages freuen. Laut Plan soll dieses auch im nächstes Jahr rauskommen. Wieder ein kooperatives Spiel. *grins*

Zum Abschluss eine letzte Frage: Welche Brettspiele spielst du aktuell selber viel?

Ich liebe kooperative und kurze Spiele. Am liebsten Spiele ich in 8 Stunden 8 oder mehr Spiele, anstatt nur 3 oder weniger Spiele. Bei mir hoch im Kurs stehen Rätsel und Detektivspiele wie die EXIT-Spiele von Kosmos und Micromacro Crime City. Ansonsten Spiele ich immer wieder mal neue und ältere Spiele (bunt gemischt). Zuletzt kamen bei mir Welcome to your perfect home, Spukstaben, Geister Geister Schatzsuchmeister, Rettet die Eisbären, Kraken Attack, Andor Junior, Forbidden Sky, Little Town und Tribes auf dem Tisch.

Vielen Dank für das Interview Michael!

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1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • Tolles Interview, klasse Typ.
    War spannend dadurch mal hinter die Kulissen von einer Spielentwicklung schauen zu können.

    Das Spiel gefällt uns wirklich gut und meine Neffen (13 und 9 Jahre alt), denen wir es am Ende geschenkt haben stehen total drauf und haben diese Woche ihren ersten Sieg gefeiert 😁

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