Kurzcheck: Darum geht es in Renature
Thematisch müssen wir entlang eines Bachlaufs Tiere ansiedeln und das umliegende Land bepflanzen. Die Regeln sind recht schnell begriffen, weil es nur wenige Aktionsmöglichkeiten gibt. Bist du am Zug, platzierst du aus deinem Vorrat auf den Bachlaufbereich einen passenden Dominostein, übereinstimmend zu seiner Tiersymbolik und angrenzend zu einem anderen Dominostein. Nun darfst du wiederum benachbart zu deinem Dominostein ein Gebiet bepflanzen. Jeder hat auf seinem Spieltableau Pflanzen unterschiedlicher Wertigkeit, die darüber entscheiden, wie viele Siegpunkte du beim Pflanzen erhältst. Bist du derjenige der ein Gebiet mit seinem gesetzten Dominostein komplett umschließt, löst du eine zusätzliche Wertung für das Gebiet aus und nimmst dir das entsprechende Gebietsplättchen. Drei Sonderaktionen durch sehr rare Wolkenplättchen ermöglichen dabei taktische Finessen.
So spielt ihr zusammen euren Stapel an Dominosteinen leer und kürt am Ende über die erhaltenen Siegpunkte den Sieger. Der Spielablauf ist recht simpel und nimmt in der Übersicht, inklusive Regeln zur Schlusswertung, nur eine DIN A 4 Seite ein. Das bedeutet aber eben nicht, das Renature keinen Tiefgang besitzt. Im Gegenteil, es schmettert dir einige Entscheidungen um die Ohren, die oft maximal möglich deine Mitspieler so richtig ärgern werden!
Kampf der Pflanzen
Der Grund dafür ist, dass Renature auch Kampf der Pflanzen heißen könnte und in die Ecke der Gebietskontrolle gehört. Ein Genre das schon immer höchst interaktiv war und nicht zum Wort Wattebausch, sondern Taschentuch passt. Das liegt hier in erster Linie am Wertungsmechanismus. Setzt du eine Pflanze in ein Gebiet, bekommst du Siegpunkte für jede andere Pflanze, die eine gleichwertige oder eine niedrigere Wertigkeit besitzt. Wem die Pflanzen gehören ist egal. Du profitierst also, wenn Mitspieler in ein Gebiet investieren. Das tun sie, um bei der Gebietswertung die Mehrheit zu erlangen und so Siegpunkte abzugreifen. Der fiese Clou: Bei einem Gleichstand bei der Wertigkeit negieren sich die Parteien und gehen komplett leer aus. Das ist deshalb so gemein, weil du, wie jeder andere am Tisch, auch Pflanzen neutraler Farbe besitzt.
Zu Abstrakt? Wühlen wir etwas praktischer in der Erde. Ein Gebiet ist drei Siegpunkte wert. Ich habe in einem Gebiet zwei Gräser gepflanzt, die jeder eine Wertigkeit von 1 haben. Nun schließt meine Frau mit einem Dominostein das Gebiet ab und löst die Wertung aus. Vorher platziert sie aber noch eine Pflanze, nämlich einen neutralen Busch. Ein Busch hat eine Wertigkeit von 2. Erstmal erhält sie nun drei Punkte ( 2 für meine Gräser, 1 für ihren Busch) und bei der anschließenden Wertung des Gebiets steht es zwischen der neutralen Fraktion und mir unentschieden. Wutausbruch, denn so erhalte ich nicht die drei Siegpunkte. On top erhält meine Frau nun das Gebietsplättchen, welches am Ende bei kleineren Gebieten zwischen 1 und 3 Siegpunkten wert ist. Ergo, ich habe zwei Gräser investiert und stehe dumm da, meine Frau reißt sich mit nur einem Busch mindestens 4 Siegpunkte unter die Baumkrone. Sie hätte übrigens statt eines neutralen Busches auch eine Kiefer pflanzen können, damit hätte sie eine Wertigkeit von 3 gehabt und damit sogar die zusätzlichen Siegpunkte für das Gebiet erhalten.
Fiese Entscheidungen
Warum hat sie das nicht gemacht? Der Grund, die mächtigen Pflanzen wie Kiefern und Eichen hat man nur sehr begrenzt im Vorrat. Welche Pflanze man wo einsetzt, sollte also gut überlegt sein. Bei dem kleinen Gebiet, wie aus dem Beispiel, ist es ratsamer mit neutralen Pflanzen dem Gegner eher etwas zu zerstören. Denn Gebiete am unteren Ende des Spielfelds, die man erst später erreicht, schütten zwischen 7 bis 13 Siegpunkte aus. Da ist dann wirklich Halli-Galli mit anfassen angesagt. Da braucht es eine starke eigene Eiche! Trotzdem ändern sich nach jedem Zug Mehrheiten und jeder versucht, sofern es seine Dominosteine zulassen, dem Gegner aktiv eins auszuwischen. Wo wir bei den Dominosteinen sind, auch hier sollte man immer schauen, wie man diese anlegt. Ein geschickt platzierter Dominostein ermöglicht vielleicht eine eigene wertvolle Platzierung der Pflanzen und hindert gleichzeitig den Gegner selbst dort etwas zu pflanzen oder abzuschließen!
Renature ist durch die vielen taktischen und höchst interaktiven Entscheidungen nichts für Baumkuschler, hier spielt man mit zwei Äxten in den Händen und Schaum vorm Mund. Klingt gruselig und frustrierend? Ich finde es großartig, denn nicht jedes Familienspiel muss sich wie eine weiche Kuscheldecke anfühlen. Das Manko ist allerdings, dass Renature durch seine Aufmachung und dem Öko-Thema etwas völlig anderes suggeriert. Im schlimmsten Fall werden Familien frustriert und Spieler mit Hang zum spielerischen Ärgern thematisch nicht angesprochen.
Rar aber mächtig
Düngemittel im Kampf um Pflanzenmehrheiten sind die Wolkenplättchen, von dem jeder sechs besitzt. Das ist verdammt wenig, kostet manche Sonderaktion drei bis vier Plättchen. Zwar kann man im Spiel auch welche erhalten, aber auch das nur begrenzt. Man sollte sich also gut überlegen diese einzusetzen. Dafür kann man damit das Spiel punktuell durcheinanderwirbeln. So kannst du zum Beispiel die Joker-Tierart ändern, also jenes Tier, welches auf den Dominosteinen an jedes Tier angelegt werden kann. Es ist aber auch möglich Pflanzen vom Spielplan zu kaufen (neutrale oder eigene Farbe). Damit sind herrliche Kombo-Aktionen möglich, bei dem die Pläne der Mitspieler schön durchgerüttelt werden. Die Wolkenplättchen bringen also noch einmal etwas mehr Tiefgang ins Spiel, ohne dabei das Geschehen aufzublähen, weil jeder nur recht wenige Wolkenplättchen besitzt.
Fazit
Renature hat ein tolles Thema, das im Spiel aber weniger greifbar ist, weil es ein durch und durch abstraktes und sehr interaktives Area-Control-Spiel ist. Ich habe hier weder den Bachlauf im Kopf, noch einen Schmetterling, der elegant über meine Gräser fliegt, sondern nur meinen nächsten fiesen Zug. Der simple Anstrich durch wenige Aktionen täuscht ebenfalls, denn seine Pflanzen für Mehrheiten geschickt einzusetzen, inklusive der neutralen Spielsteine, erfordert schon Denkarbeit. Die Sonderaktionen durch Wolkenplättchen packen dann noch etwas taktische Schärfe dazu! Hier geht es nicht nur darum für sich selbst zu sorgen, sondern aktiv und mit purer Absicht dem Gegner Möglichkeiten zum Punkten zu nehmen.
Durch die Dominosteine kommt etwas Glück hinzu, was für ein Familienspiel wichtig ist, und auch die Spielzeit ist entsprechend der Zielgruppe schön knackig. Trotzdem ist Renature mit Vorsicht zu empfehlen. Nur wer sich mit seinen Spielpartnern ärgern kann und mit dem Gerangel um Mehrheiten Spaß verbindet, kommt hier voll auf seine Kosten. Ich begrüße den Mut zu dieser Veröffentlichung, denn es gibt schon viel zu viele weichgespülte Familienspiele. Also, lasst die Bestien Bäume aufeinander los!
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