Lesezeit: 5 Minuten
Stolz zeige ich meiner Gruppe Compile. Die funkelnden, stylischen Karten, die kleine Box, bei der Pegasus endlich ihr Logo dem Layout leicht angepasst hat, um damit das Kunstwerk der Schachtel mehr zu huldigen. Ich schaue mir den Hype-Titel der Messe gerne an. Schnell war Compile in der englischen Version vergriffen – die erste und die zweite Box. Auch bei Pegasus ging der Titel weg wie damals der Medion-PC bei Aldi. Jetzt sitze ich hier vor meiner Tastatur, gebe Befehle in meinen PC und versuche, den Hype zu reflektieren. Ist er berechtigt? Oder trügt der stylische Schein? load“*“,8,1 - run.

Kurzcheck: Darum geht es in Compile

Futur I: Ich werde kompilieren. Wenn ich meine drei ausliegenden Protokolle kompiliert habe, gewinne ich. Kompilieren? Ein Compiler ist ein Computerprogramm, das Quellcodes einer bestimmten Programmiersprache übersetzt, sodass ein Computer diese ausführen kann. In der Compile-Box haben wir 12 verschiedene – mehr oder weniger thematische – Protokolle, von denen sich jeder Spieler drei mit den dazugehörigen Handkarten aussucht. So erhält jeder Spieler ein Deck aus 18 Karten. Die thematischen Protokolle legen die Spieler gegenüber aus, sodass drei Reihen entstehen. Kern des Spiels: Eine Karte spielen oder nachziehen. Mein Ziel: Ich möchte meine Protokolle kompilieren. Das gelingt mir, wenn der Wert meiner ausgespielten Karten mindestens 10 beträgt und höher ist als die Kartenwerte meines Gegners in der gleichen Reihe. .exe

Dunkelheit oder Leben

Marc ist kurz davor, sein zweites Protokoll zu kompilieren. Ich prüfe meine Optionen und die Ausgangslage. In der entsprechenden Reihe haben die Karten einen Wert von 8 zu 3. Sein Protokoll heißt Dunkelheit, meines Leben. Meine drei Handkarten können in dieser Situation … nichts. Ich bin schwach. Die gegenüberliegende KI und ihr Algorithmus sind mir gerade überlegen. Seine Reihe hat eine mächtige Karte mit dem Wert 5 ausliegen. Die könnte ich mit meiner Feuerkarte auf der Hand zerstören. Allerdings liegt mein Feuerprotokoll in der anderen Reihe aus. Ich habe allerdings die Kontrollkarte vor mir. Und das ermöglicht mir einen mächtigen Zug. Ich nehme die rote Pille und breche mal kurz aus.

Kontrolle

Bei den ersten Partien Compile dachte ich immer: du musst möglichst schnell kompilieren und finishen. Kann man machen. Könnte gutgehen. Muss aber nicht. Gerade die Kontrollkarte und das Timing sind in Compile mächtige Faktoren. Kontrolle und die entsprechende Karte erhalte ich möglicherweise zu Beginn meines Zugs, nämlich dann, wenn der Gesamtwert meiner Karten in zwei Reihen höher ist als der Wert des Gegners. Kurz: Ich muss zwei Reihen kontrollieren. Ich kann diese Kontrollkarte zu zwei möglichen Zeitpunkten spielen – vor dem Kompilieren oder bevor ich meine Handkarten aufnehme. Ich habe die Kontrolle, und die lässt mich die Position eines Protokolls einer Person verändern.

Powerzug

Ich fülle meine Handkarten auf. Vom Deck ziehe ich exakt auf fünf Handkarten nach. Vorher verschiebe ich Marks Dunkelheit zu meinem Protokoll Feuer. Mark runzelt die Augenbrauen und ist erstaunt – er weiß noch nicht, was ich vorhabe. Kann er reagieren? Wird er reagieren? Ein entscheidender Punkt bei Compile. Kenne ich die Karten und Decks des Gegners, kann ich sehr gut antizipieren und mein Spiel verändern. Die Karten haben Werte von 0–5. Eine 5 muss man meist teuer bezahlen, zum Beispiel, indem man eine Handkarte abwirft. Die niedrigen Zahlen haben oft mächtige Effekte, helfen einem beim Erhöhen der Werte aber nicht weiter. Mark reagiert so, wie ich es gehofft habe. Er spielt eine Karte verdeckt. Verdeckte Karten haben immer den Wert 2, und ihre Effekte greifen nicht. Er hat den Wert 10 erreicht und kann in der nächsten Runde kompilieren. Kann er nicht!

1,2,3….Fire

The radical MC HP got the melody. Harte Gitarrenriffs und das schmerzhafte Intro von Prodigy passen zu Marks Gesicht, als ich die Feuerkarte mit dem Wert 1 ausspiele. „Wirf 1 deiner Handkarten ab. Tust du dies, entferne 1 Karte.“ Gesagt, getan. Ich verbrenne Marks Karte mit dem Wert 5 und halbiere damit seine Reihe. Nichts wird hier kompiliert. Im Gegenteil: Auf einmal bin ich in dieser Reihe mächtig am Zug. Zwei Züge später muss ich kompilieren. Und das ist keine Option. Wenn ihr die Voraussetzungen für das Protokoll erfüllt, folgt eine simple IF...THEN-Abfrage. Ihr dreht euer Protokoll auf die kompilierte Seite und macht einen RESET. Alle Karten werden auf den Ablagestapel gelegt. Alle. Auch die des Gegners. Mächtig.

Schnell, Fluffig, Jein

Compile ist nicht zwingend schnell und fluffig. 20–30 Minuten dauert das Spiel – mindestens. Compile ermöglicht einen superschnellen Einstieg. Eine klare Zugreihenfolge, wenig Aktionen, aber viele Möglichkeiten. Die Lernkurve ist allerdings steil. Sitzen sich zwei KIs gegenüber, die ihr eigenes und das Deck des Gegners kennen, dann geht es richtig zur Sache. Dann kann sich der Kampf um das erfolgreiche Durchdrücken seines Protokolls auch mal 40 Minuten ziehen. Ich persönlich finde das sehr spannend und außergewöhnlich gut. Die 12 Decks sind unterschiedlich, aber auch ähnlich: Verschieben, umdrehen, entfernen, nachziehen, abwerfen, zurücknehmen. Ein Riftforce hat da thematisch mehr Abwechslung. Aber das Main Deck 2 ist ja schon in englischer Sprache vorhanden und wird nach dem Erfolg in Essen nicht lange auf die Lokalisierung warten lassen. Apropos Thematik: Die deutsche Lokalisierung von Pegasus ist sehr gelungen. Die englische Version von Compile ist thematischer. Beispiel: Am Ende eures Zuges müsst ihr euer Handkartenlimit prüfen. CHECK:CACHE – bei mehr als 5 Handkarten müsst ihr CLEAR:CACHE spielen, also auf abwerfen, bis das Handkartenlimit erreicht ist. Das ist schon cooler.

Fazit

Nach ein paar Partien Compile kann ich nur sagen: Hammer. Gründe dafür sind vielfältig. Eine unfassbar gute Qualität der Karten mit einem traumhaften Artwork, was bei ungünstigem Licht zu Reflexionen führen kann. Die Karten sind haptisch und grafisch ein echter Hingucker. Dazu ein Spiel, das viele taktische Ebenen und Möglichkeiten parat hat. Allerdings auch eine starke Lernkurve, die dazu führen kann, dass das Spiel ein Abnutzungskampf wird und der Ausgang von feinen Nuancen abhängt. Diese Nuancen sind dann schon bei der Auswahl aus den 12 Protokollen zu beachten. Denn einige Protokolle kontern andere Protokolle gut oder besser. Ein weiterer Pluspunkt ist die tolle Größe von Compile. Die kleine Box passt in jedes Regal, das Spiel braucht kaum Platz auf dem Tisch und bietet trotzdem so viel.

Ein kleiner Wermutstropfen sind die gleichen und wiederkehrenden Effekte der unterschiedlichen Protokolle. Da bietet Riftforce noch mehr Möglichkeiten. Ohnehin passt der Vergleich dieser beiden Spiele sehr gut, auch wenn Riftforce mit mehr Druck dem Ende entgegenschiebt. Compile ist zurecht gehypt. Ich mag es einfach, wenn Spiele vom Start funktionieren, einen leichten Einstieg haben, thematisch stylisch sind und trotzdem so viel auf dem Tisch passiert. Jetzt freue ich mich auf das Main Deck 2.

P.S. Die Bilder treffen nicht, was die Karten auf den Tisch zaubern. Sie glänzen, haben feine Linien und sind wasserabweisend. Anscheinend kann mein Iphone 12 und die integrierte Kamera das nicht besser darstellen. Sorry.

Spielinformationen
Genre: Kartenspiel | Personen: 2 | Alter: ab 14 Jahren | Dauer: 20 - 30 Minuten | Autor/in: Carlo Bortolini | Illustration: Nolan Nasser, Allen Panakal |
SPIELSPASS
8.5
AUSSTATTUNG
9
SPIELIDEE
7.5
Positive Aspekte
Schneller Einstieg mit wenigen Regeln
12 verschiedene Protokolle
Spannende Duell und taktische Möglichkeiten
Unfassbar stylische Karten und eine sehr gute Kartenqualität
Von schnell bis taktisch ist viel möglich, besonders wenn man die Decks kennt
Negative Aspekte
Steile Lernkurve und die Möglichkeit ungleicher Duelle
Zähes Ringen um die Protokolle ist möglich, das muss man mögen
Protokolle arbeiten mit ähnlichen Effekten
Spielzeit kann auch mal länger als 30 Minuten sein
8
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