Ultraviolett versteckt sein Gimmick im Namen. Der Spielspaß lauert aber an anderer Stelle und nährt sich aus Malerei-Shaming und „stolzem Pinsel“. Klingt wild? Dann klingt es richtig. In Ultraviolett wird nämlich heftig abgelacht und gestaunt, es wird verzweifelt mit dem Stift gerungen oder allein schon bei der Aufgabenstellung. Das kannte ich zuletzt so auch von Krakel Orakel, doch ein Vergleich hinkt, wenn auch in beiden Spielen der Grundpfeiler gleich ist: Mit einem Stift nach textlicher Vorgabe etwas zeichnen. Ultraviolett besitzt aber einen anderen Flow und eine andere Art des Lachens am Tisch. Ist das gut oder verkritzelt sich das Spiel darin?
Kurzcheck: Darum geht es in Ultraviolett
Im Prinzip verrät die Einleitung schon alle Attribute. In Ultraviolett liegen sechs Begriffe in vier Kategorien aus, die zusammen immer einen zufälligen Satz bilden. Klingt kompliziert, ist aber einfach. Beispiel: Batman reitet genervt einen Besen. Wir haben Batman (Kategorie Person), wir haben das Reiten (Kategorie Verb), wir haben die Gefühlslage und am Ende einen Gegenstand. Je Kategorie, die farbig gekennzeichnet ist, liegen 6 Begriffe pro Runde zufällig aus. Jede Person wirft nun ihre 4 farbigen Würfel, um ihre persönliche Kombination an Vorgaben hinter ihrem Sichtschirm zu erwürfeln. Jetzt kommt der Clou: Du musst jetzt ein Bild zeichnen, welches die Kombination darstellt, aber mit einem Stift, der farblose Tinte gebunkert hat. Heißt: Du siehst auf deinem Blatt Papier rein gar nichts, wenn du etwas zeichnest. „Weiße Tinte“ auf weißem Grund. Die Kombinationen an sich sind schon brutal absurd, aber diese Absurdität zu malen, ohne dies zu sehen, ist wirklich skurril. Im positiven Sinne. Der Rest ist schnell erzählt. Nach der Malsession zeigt jede Person ihre Zeichnung unter ultraviolettem Licht, wo das Kunstwerk das erste Mal für alle erstrahlt, wobei jeweils alle für die präsentierten anderen Zeichnungen auch geheim aufschreiben, welche Kombination da nun gemalt wurde. Wer richtig beim Raten liegt und wessen Zeichnung richtig erraten wurde, erhält Punkte. Wer am Ende des Spiels die meisten Punkte hat, gewinnt. Es ist also kein kooperatives Spiel!

Es werde Licht
Dieser Moment, wo das Schwarzlicht zum ersten Mal deine Zeichnung küsst und du selbst dein Massaker siehst, ist zum Beömmeln. Ja, vielleicht muss man sogar ausgelacht werden. Ganz im Ernst, oft genug denke ich mir: Was wurde da bitte gemalt? Ein barbusiger Bär mit Kackhaufen auf dem Kopf, der ein Kruzifix in der Hand hält? Diese Kombination lag doch gar nicht aus. An dieser Stelle geht dann die Deduktion los, denn das Ausschlussverfahren hilft gelegentlich. Der Spielspaß ist hier am höchsten. Alle starren auf das Gekritzel. Gebrummel am Tisch. Durchzogen von Ausrufen der Marke „Ah, jetzt ja!“. Manches ist sogar durch zeichnerisches und kreatives Talent schnell klar. Da manifestiert sich dann eine Spur von Stolz am Spieltisch. Manche Werke sind in ihrer abstrakten, fantasievollen und skurrilen Art eigentlich dafür prädestiniert, in großen Hallen von Museen aufgehängt zu werden. Blind malen und mit dem Schwarzlicht eine Art von Magie über den Tisch streuen, funktioniert ganz fantastisch. An dieser Stelle bin ich fast bereit, die Höchstnote im Bereich Party- und Kreativspiel zu zücken. Aufgrund dieser Phase wollen alle Ultraviolett spielen.

Die Verzweiflung davor
Die Phase davor, in der wir alle am Tisch geheim unsere Kombination auswürfeln, ist auf andere Art lustig. Die Kombinationen sind wirklich abgefahren, bisweilen scheinen sie unmöglich. Ja, mit Pech muss man schwerere Sachen als andere am Tisch malen. Geschenkt! Das ist hier ein Partyspiel. Ich zumindest liebe diese ganzen abstrusen Kombinationen, für die es eben zeichnerisch nicht unbedingt auf den Skill ankommt, sondern auch auf eine kreative Umsetzung. Du kannst blind gar nicht so filigran arbeiten. Es geht also eher um die Umsetzung über Symbolik, Pauschalisierungen und Karikatur.
Zudem muss darauf geachtet werden, etwas nicht so zu zeichnen, dass es mit anderen ausliegenden Begriffen kollidiert. Wenn dein Batman aussieht wie Angela Merkel, wird es schwer für die anderen beim Raten. Das Beispiel klingt schlecht gewählt? Spiel erst einmal Ultraviolett! Ich zumindest habe enormen Spaß, mir zu überlegen, wie ich mit wenigen Strichen Superman male, der ein kitschiges Katzenklo beschmiert. Es gibt Naturen am Tisch, die empfinden diese Phase als zu stressig, denn du willst bestimmt nicht wie der letzte Mensch malen. Nur ganz ehrlich: Weil wir alle blind malen, sieht das ohnehin alles aus wie Picasso auf LSD. Auch diese elementare Phase gelingt – nähern wir uns hier also einem echten Partyhighlight?

Der Elefant im Schlaglicht
Jetzt trampeln leider ein paar Elefanten die Stimmung kaputt. Ein kleiner Elefant ist die Regel, die vier Kategorien separat malen zu dürfen. Man mag meinen, mit Kindern und weniger geübten Stiftakrobat:innen wäre das doch ganz nett, aber das Spiel wird so zur Schlaftablette. Vier einzelne Zeichnungen sind viel zu einfach. Es bekamen fast alle am Tisch immer volle Punktzahlen und die Absurdität der Zeichnung ist selten greifbar. Wir haben uns nach zwei Runden dafür entschieden, nur noch mit den optionalen Regeln zu spielen, bei denen alle Begrifflichkeiten innerhalb eines Bildes verbaut werden müssen. Und eigentlich malen alle auch unter Zeitdruck, bei dem die erste Person, die ihr Bild vervollständigt, für alle anderen das Zeichnen unter zeitlichen Druck setzt. Hat bei uns nicht funktioniert! Es wird zu keiner Stelle lustiger, für alle stressiger, und wer nicht fertig wird, hat keine vier Kategorien geschafft. So wird die Auflösung unmöglich. Diese Elefanten lassen sich aber durch Hausregeln ausradieren.
Der größte Elefant ist die Punktevergabe. Funktioniert für mich an diversen Stellen nicht, vor allem wenn angefangen wird, taktisch auf Sieg zu spielen. Warum sollte ich von einer Person, die in Führung liegt, das Bild erraten? Wenn das alle machen, bekommt diese Person fett Punkte, ich selbst aber nur einen. Schwierig. Noch schwieriger: Alle vier Begriffe zu erraten, ist nicht einfach, wenn diese in einem Bild auftauchen sollen. Das demotiviert Ratende wie Malende. Wir behalfen uns damit, dass wir die Punkte skalierten. Einen Punkt bei drei richtigen Kategorien und zwei bei vollen vier Kategorien. Läuft besser, aber es bleiben Hausregeln. Wäre Ultraviolett ein kooperatives Spiel mit einer motivierenden Punktevergabe, es wäre für mich das definitiv bessere Spiel!

Hardcore? Geschmacklos!
Ein kurzer Einblick noch zur Hardcore-Erweiterung. Die wirft mit derben, bisweilen extrem geschmacklosen oder „erotischen“ Begrifflichkeiten um sich. Und auch wenn ich Fan von derbem Humor bin und nichts gegen ein Penisbild habe, die Begriffe zünden nicht wirklich in Kombination. Im schlimmsten Fall killen sie den Spielenden den Spielspaß komplett. Bisweilen wären Triggerwarnungen angebracht. Finde ich wirklich geschmacklos. Wer meint, sich das zu geben, als Beispiel zufällige Begriffe in dem versteckten Bild unten. Was hingegen den Spielspaß fördert, ist die 5- und 6-Personen-Erweiterung. Nachteil: Der knapp geratene Schreibblock ist noch schneller aufgebraucht.
Fazit
Ultraviolett ist ein Zwerchfelltrainer, so viel wird sich am Tisch beömmelt. Ein Partyspiel, das im richtigen Moment hell vor Spaß aufleuchtet, auch wenn man selbst im Dunkeln malt. Wenn das Schwarzlicht angeht und die kruden Kritzeleien plötzlich sichtbar werden, dann ist das ein magischer Moment. Oder Picasso auf LSD. Gelächter über sich selbst und andere mischt sich mit Schulterklopfen über genial Absurdes auf den Zetteln. Ultraviolett ist Stolz sein auf das eigene Meisterwerk und in der nächsten Minute pures Malerei-Shaming. Doch so brillant die Idee ist, so sehr sabotieren Kleinigkeiten das perfekte Schwarzlichtleuchten. Die Punktevergabe stolpert über Taktik, der Zeitdruck killt die Lockerheit und die optionale Einzelfiguren-Regel zieht dem Spiel komplett den Spielreiz-Stecker. Mit ein paar Hausregeln lässt sich das zwar fixen, aber der Elefant bleibt im „offiziellen Raum“, der hier bewertet werden muss. Trotzdem ist Ultraviolett ein frisches Partyspiel und ich spiele es als kreativer Mensch mit infantilem Humor gern eine Runde. Nur nie wieder mit der Hardcore-Erweiterung.

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8 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Hatte das auf der Messe gesehen und empfand die Idee als Interessant; hatte es dann erst einmal verworfen, weil ich mir dachte, dass es am Ende nur eine Variante von Bekanntem ist. Grundsätzlich sehe ich die Idee immer noch als witzig an und auch probierenswert, trotz mechanischer Mängel.
Aber: wie kann man denn solche Begriffe in die „Hardcore“-Variante einbauen? Das ist in meinen Augen nur noch daneben und man muss sich ernsthaft fragen, was das über das Verständnis von Humor und ethischen Standards bei den Entwicklern aussagt. Das sorgt bei mir dafür, einen großen Bogen um diesen Titel zu machen, dergleichen zu unterstützen liegt mir fern.
Zur Hardcore-Variante: Die ist optional, im Grundspiel nicht enthalten und muss zusätzlich gekauft werden. Es sind dort auch harmlosere Begriffe drin, aber das nützt nichts, solange dort eben so Sachen auftauchen können, wie in meinen Beispielen. Der Verlag ist ja auch bei anderen Spielen schon durch seine politische Unkorrektheit aufgefallen. Arschlochkind z. B. habe ich damals auch rezensiert. Ich bin also für solche Grenzfälle empfänglich. Bei der Hardcore-Variante war für mich persönlich aber eine Grenze überschritten.
Ja, das hatte ich schon verstanden, dass das nicht die Standard-Variante ist. Was mich wirklich verstört ist eben, dass man überhaupt auf die Idee kommt, dass einige der von dir gezeigten Begriffe in irgendeinem Kontext lustig sein könnten. Sie zeugen ja nicht nur von massiver Geschmacklosigkeit (wobei das ein noch zu schwaches Wort ist), sondern auch von Rassismus, wenn man z.B. „schwarz“ als Hardcore sieht. Und mag sein, dass das aus dem reinen Wunsch enstanden ist, stark zu provozieren/ möglichst krasse Kombinationen zu erzeugen. Aber das niemand in dem Verlag gesagt hat: „Leute, dass ist einfach nicht mehr ansatzweise lustig, was dabei herauskommen kann“ wundert einen doch sehr. Und ich bin bei sowas normalerweise wirklich sehr unempfindlich.
Ja, da bin ich absolut bei dir. Wie gesagt, die Erweiterung geht aus meiner Sicht gar nicht.
Stimme meinem Namensbruder zu. Erster Impuls war „stell euch nicht so an, ist immernoch ein Spiel im freien Handel, wird schon nicht so schlimm sein“, aber nach Ausklappen des Spoilers: WTF?!
Unabhängig von Erweiterung oder nicht, finde ich das weit außerhalb des guten (/jeglichen) Geschmacks. Und da bin ich normalerweise wirklich seeehr flexibel.
Andererseits auch eine interessante Erfahrung, die eigenen Grenzen so deutlich zu spüren. Von daher: Danke für die Selbsterkenntnis!
Hi Tobias 1+2
Ich bin sehr schmerzfrei unterwegs und habe ein dickes Fell. Tatsächlich habe ich gedacht: „Triggerwarnung? Ist das überzogen?“ Ich war ehrlich schockiert. Eine +18 Version mit solchen Begriffen? Ist tatsächlich für mich persönlich ein absolutes No Go. Als Partyspiel sich über solche Begriffe lustig zu machen geht mir definitiv zu weit. Ich mag pointiertes, hartes sprachliches Kabarett oder Stand-Up Comedy. Aber ist meine Red Line auch direkt überschritten und es ist für mich ein Ausschlussgrund, dieses Spiel in der normalen Version zu kaufen.
Tatsächlich möchte ich an dieser Stelle Christian aber ein feines Lob aussprechen. Dieses Thema aufzugreifen, sprachlich eindeutig zu präsentieren und deutlich zu benennen und auch so zu präsentieren, dass jeder für sich entscheiden kann, was er sich anschaut und wie er es einordnet hat mich als Blogger auch beeindruckt.
Liebe Grüße an euch und danke für eure Einschätzung
Meine Erfahrung hier: Normales Spiel mit Freunden und Familie ausprobiert und wirklich richtig viel Spaß gehabt. Dann aufgrund des erlebten Spielspaßes ohne es zu prüfen die Hardcore-Variante ausprobiert. Ich dachte, jetzt unter uns Erwachsenen mit Hang zum derben Humor, wird der Spielspaß explodieren. Und ja, es gibt wirklich witzige Konstellationen, aber wir hatten dann immer wieder Kombinationen, die wirklich schwierig, bisweilen eigentlich verboten waren und dann ist der Spielspaß echt weg. Da hat Tobias2 nämlich absolut recht, plötzlich stößt man an einen Punkt, den man vorher so eher weniger kannte. Unangenehm.
Ich wollte allerdings das Spiel wegen der Erweiterung auch nicht hart abwerten, weil das Grundspiel an sich eben wirklich toll ist. Und vielleicht merkt der Verlag ja auch durch das Kaufverhalten der Menschen und solchen Diskussionen hier, dass, auch wenn der Verlag dafür steht, auch bei „politisch unkorrekten Humor“ nicht alles erlaubt sein sollte.
Da bringst du einen guten Punkt ein, Markus, das hatte ich tatsächlich in meinem Post vergessen zu erwähnen: danke Christian, dass du das Thema/Problem hervorgehoben hast. In anderen Rezensionen zu dem Spiel kommt es kaum vor oder wird lapidar abgetan