Lesezeit: 6 Minuten
OrapaOrapa ist wie Schiffe versenken. War das jetzt ein fetter Schuss vor den Bug deiner Neugierde? Ich hoffe, ich habe das Interesse nicht sofort versenkt. Orapa besitzt nämlich statt Schiffe, farbige geometrische Formen. Und du ballerst auch nicht eher glückslastig auf ausgewählte Felder, sondern wirfst im Hirn deine Deduktionskanone an. Aus größter Informationsverwirrung schält sich langsam ein Muster heraus, so wie Michelangelo Buonarroti Skulptur des Davids aus einem Marmorblock. Klingt übertrieben? Glaubt mir, dieses Spiel und die eigene Reise zur Auflösung des gegnerischen Rasters machen süchtig! Ein schnell geschriebenes Schiffe versenken 2.0 kommt dem Erlebnis dabei definitiv zu kurz.

Kurzcheck: Darum geht es in Orapa

Orapa ist schnell erklärt. Ganz wie in Schiffe Versenken platzierst du auf einem Raster hinter einem Sichtschirm geometrische Figuren wie beispielsweise ein blaues und großes Dreieck, eine weiße Raute oder ein rotes Parallelogramm. Thematisch ist das Raster die Erdkruste und die geometrischen Figuren sind Kristalle, die es zu finden gilt. Dazu bekommst du noch einen Ratezettel, auf dem du versuchst, über die Partie hinweg die Lage der gegnerischen Figuren einzuzeichnen.

Bist du am Zug, hast du drei Optionen. Erstens: Du löst und gewinnst, weil du dir sicher bist, das gegnerische Raster entschlüsselt zu haben. Zweitens kannst du ganz wie beim Klassiker ein Feld aus Zeile und Spalte anfragen. Die Frage nach beispielsweise „B2“ ist in Orapa meist nicht zielführend. Zu viele Felder, zu viele verschiedene Formen und vor allem brauchst du die exakte Lage der Figuren. Wenn ich auf die Frage „B2“ mit Blau antworte, weißt du zwar, dass dort logischerweise irgendwie ein Teilstück des blauen Dreiecks liegt, aber nicht die Ausrichtung. Der Spielspaßboost ist die dritte Aktionsmöglichkeit: Hier fragst du nur eine Spalte oder Reihe an. Thematisch schickst du hier einen Lichtstrahl in die Tiefen des Gesteins. Nun würde ich diesen Lichtstrahl auf meinem geheimen Raster verfolgen und dir über die Farblehre und die Gesetze der Reflexion eine Antwort geben. Du fragst also „A“ an. Und ich sage dir dann so etwas wie: „17 und hellgrün“. Ich lache mir dann den Arsch ab und du fragst dich vielleicht nicht nur beim Lesen dieser Zeilen, was gerade vorgefallen ist. Spielspaß nennt sich das. Und zwar richtig fetter!

Orapa
Ein kleines, aber durchaus feines Brettspiel

Die Gesetze der Reflexion

Dröseln wir es einmal auf! Wenn dein Lichtstrahl bei A eintritt und bei 17 mit Hellgrün austritt, dann gibt dir das massiv viele Infos. Du weißt, der Lichtstrahl ist auf die blaue, die gelbe und mindestens eine weiße geometrische Figur getroffen, weil nur so Hellgrün entstehen kann. Du weißt auch mit Blick auf das Raster, dass die Anordnung irgendwie so sein muss, dass die Winkel der Figuren den Strahl so lenken, dass er unten rechts (17) austritt. Bei drei Figuren sind das an dieser Stelle zu viele Möglichkeiten. Jetzt wäre mein Zug, den wir einfach vorerst ignorieren. Bleiben wir beim Rätsel „Hellgrün“. Die Frage nach A hat gezeigt, dass der Lichtstrahl irgendwie nach unten gelenkt wurde. Interessant wäre nun zu wissen, wo das passiert. Also fragst du vielleicht nach „11“. Das ist gegenüber von A, die gleiche erste Reihe. Ich antworte mit: „11 und gelb!“. Heißt: Der Lichtstrahl kommt an der gleichen Stelle raus. Wenn „Einfallswinkel = Ausfallswinkel“, dann ist der Lichtstrahl auf eine Gerade und keine Schräge gestoßen und wurde exakt zurückgeschleudert. Und du weißt, dass in der ersten Reihe irgendwie die gelbe Form liegt. Aber wo genau? Nach welcher Reihe oder Spalte würdest du als Nächstes fragen?

Orapa
Die zwei besprochenen Abfragen einmal visualisiert. Trotzdem ist für die fragende Person die Position der gelben Figur noch nicht klar!

Wunderbar motivierend

Das obige Bild zeigt die Auflösung und ich spare mir weitere theoretische Erklärungen. Der springende Punkt ist mein erwähnter David aus dem Marmorblock. Das gegnerische Raster ist der Marmorblock und es ist wirklich wahnsinnig motivierend, sich mit Lichtstrahlen durch diesen Block zur Lösung zu lasern. Es gibt Momente der leichten Überforderung, wenn aus einer einfachen Anfrage, eine wilde Information wird. Da frage ich nach B und erhalte 11 und grau. Ich fühle mich da zunächst fast verarscht und meine Synapsen knistern. Endstation Hirnleistung. Es gibt Momente, da war ich mir sicher, ob der Position und Farbe und eine Sicherheitsabfrage lässt meine bisherigen Schlussfolgerungen zusammenbrechen. Und es gibt Momente, die schönsten von allen, wo eine simple Antwort das Puzzlestück ist, bei dem sich plötzlich alle Informationen zusammen herrlich vereinen und sich die Positionen völlig logisch freigeben. Momente, da flattert die Gänsehaut der Freude über den Rücken.

Dass hierbei stets Spannung im Wohnzimmer greifbar ist, liegt in der Natur des Wettrennens. Wenn ich merke, meine Frau fräst sich gerade nur so durch meine geheime Positionierung und ich erlebe farbige Fieberträume der Unlösbarkeit, dann verfluche ich Orapa. Der große Unterschied zu Schiffe versenken: Ein Vorsprung lässt sich auch ohne unverschämtes Glück aufholen! Gerade die Informationen, die anfänglich durch zu viele Möglichkeiten überfordern, können am Ende dafür sorgen, dass bei richtiger Deduktion, diese Gold wert sind und das Ruder herumreißen.

Orapa
Spannende Duelle erwarten dich!

Erfahrungs-Boost

Überrascht war ich bei Orapa über den Einfluss von Erfahrung. Wer es öfter spielt, hat definitiv einen Vorteil. Interessanterweise weniger beim deduktiven Part. Das ist sicher auch etwas Veranlagung. Nein, der Vorteil entsteht bei der Kreierung des geheimen Aufbaus. Wer mehr Erfahrung besitzt, kann die geometrischen Formen wesentlich (!) fieser anordnen. Es gab Partien, wo anfänglich insbesondere meine Frau eine Anordnung wählte, die ich wahnsinnig schnell entschlüsselte. Gleichzeitig konnte ich Partien gegen Erstspielende gewinnen, die am Ende fast komplett im Dunkeln tappten, weil meine Positionierung durch Farben und Winkel weniger oft klare Ergebnisse bei der Abfrage erzeugte. Hey, ich bin Blogger und muss solch unfaire Methoden testen! Ich empfinde diesen Umstand aber nicht als besonders schlimm. Fragt bitte nicht die anderen. Die Spielzeit ist aber kurz und knackig, und nach einigen Partien hatten sich wirklich alle eingespielt.

Wer so weit ist, darf dann in die Erweiterungskiste greifen. Wie wäre es mit einem transparenten Dreieck? Das lenkt zwar den Strahl um, verändert aber nicht die Farbe. Brutal krank! So werden vorher klare Informationen, viel länger verschleiert, weil die Positionierung im Dunkeln bleibt. Oder wie wäre es mit einem schwarzen Stein, der alles Licht verschluckt und damit jegliche Informationen vernichtet? Ohne praktische Erfahrung wirken diese Veränderungen vielleicht marginal, aber glaubt mir, als Familienspiel taugt Orapa dann nicht mehr.

Orapa
Nur mit der Frage nach „F“ und „4“ konnte ich direkt die rote und die kleine weiße Figur erraten

Kleine Einschnitte

Erwähnen möchte ich zum Ende noch zwei kleine Einschnitte. Zum einen spielt es zu zweit oder gar nicht. Ja, du kannst auch mit bis zu 5 Leuten am Tisch raten, aber das ist nicht einmal eine Krücke. Das ist gar nichts. Und es wäre schön gewesen, wenn es vielleicht etwas mehr Abwechslung bei Farben und Formen gegeben hätte. Klar, Orapa ist ein Reise- und Absackerspiel, da braucht es nicht immer den größten Umfang. Trotzdem hätte ich gerne einmal andere Formen erraten.

Orapa
Mein Plan: Über Nachfragen bei „F“, „E“, „D“, „K“, „L“, M“, „N“, „15“, „14“, 15″, „8“, „7“ und „6“ eine große undefinierbare weiße Fläche schaffen.

Fazit

Orapa ist definitiv kein einfaches Schiffe Versenken 2.0. Es ist dessen mit Hirn gesegneter Cousin mit Laserpointer und Diplom in Farb- und Reflexionsgesetzen, der den Mantel der Spannung trägt. Statt Glückstreffern hagelt es hier Deduktionsexplosionen, statt simplen „B2“-Abfragen powerst du Lichtstrahlen durchs Gestein, bis plötzlich ein ganzes Muster wie von selbst vor dir aufbricht. Kleine, überfordernde Momente des Kopfkratzens verwandeln sich so durch das eigene Synapsenfeuerwerk in Szenen der Erregung. Ja, die Lernkurve ist spürbar: Erfahrene Spieler:innen bauen deutlich fiesere Raster. Aber die Partien sind so kurz und knackig, da sind ein paar erste verlorene Partien nicht der Rede wert. Und spätestens mit den Erweiterungen wie transparenten Dreiecken oder lichtverschluckenden Steinen haut dir Orapa  Anspruch um die Ohren. Dieser neue Endboss entfernt sich dann deutlich vom Familienspielerlebnis. Wer Deduktion liebt, findet hier ein süchtig machendes Spiel, welches zudem Spannung und Gänsehaut in einer Schachtel vereint. Orapa zeigt: Auch aus einem eher ödem Schiffe-Versenken-Raster lässt sich ein verdammt funkelnder Absacker- oder Reise-Kristall schlagen.

Orapa
Spielinformationen
Genre: Deduktion | Personen: 2 (- 5) | Alter: ab 8 Jahren | Dauer: ca. 20 - 25 Minuten | Autor: Junghee Choi, Wanjin Gill | Illustration: Wanjin Gill | Rezensionsexemplar erhalten
SPIELSPASS
8.5
MATERIAL
8
SPIELIDEE
9
Positive Aspekte
Sehr spannendes und frisches Konzept
Deduktive Aspekte motiviert ungemein
Erstellen der Positionierung gelungenes Vorspiel
Schöne Spielzeit, denn eine Revanche ist immer drin
Komplexität kann zweifach erhöht werden
Negative Aspekte
Etwas mehr geometrische Formen in verschiedenen Farben hätten die Abwechslung erhöht
Ohne Erfahrung ist die gewählte Positionierung der Figuren von Gegner:innen mit Erfahrung leicht zu knacken
Spielt es zu zweit oder gar nicht
8.5
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4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Gut, dass Du Orapa ohne Hände spielen konntest… und gut, dass es letztes Wochenende zu einem moderaten Preis lieferbar war und ich es endlich bestellen konnte – bevor Deine Rezension hier aufpoppte und es sicher erst einmal wieder ausverkauft sein wird 😉

    Jetzt brauch ich nur noch Mitspieler, denen Deduktion ebenso viel Spass macht wie mir… ist leider nicht immer so einfach wie bei Bomb Busters :-/

    BTW, ORAPA hat wohl ein ähnliches Problem wie CRYPTID: Macht der Anwortende einen Fehler, ist die Aufgabe nicht mehr lösbar.

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  • „Und es wäre schön gewesen, wenn es vielleicht etwas mehr Abwechslung bei Farben und Formen gegeben hätte.“

    Zumindest auf Englisch soll zur SPIEL 25 der Ableger „ORAPA Space“ herauskommen… da könnte es wortwörtlich rund gehen, wenn ich das irgendwo im Netz herumgeisternde Cover richtig deute 😉

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    • Ja, geil, oder? Ich bin gespannt drauf. Habs heute wieder Leuten gezeigt und das Spielprinzip kommt einfach gut an. Ist halt mal was anderes.

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      • Hab heute auch ein paar Leute angefixt – sogar einen, der nur zugeguckt hatte. Ob die rauchenden Köpfe aber wegen des Rauchverbots in öffentlichen Räumen mal Probleme bringen? 😉

        Auch sonst hab ich den ganzen Tag nur deduziert – Ricochet Robots kannten auch zwei Jungs noch nicht und waren hin und wech von dem alten Alex-Randolph-Klassiker, und Bomb Busters kommt ja eh meisstens gut an.

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